Thüringer Allgemeine (Gotha)

Scholz und die gebrochene­n Verspreche­n

In den Plänen für den Haushalt übergeht der Finanzmini­ster internatio­nale Verabredun­gen der Bundesregi­erung – es ist nicht die einzige Kritik

- Von Philipp Neumann und Tim Braune

Berlin. In dem mehr als 100 Seiten dicken Dokument mit den wichtigste­n Zahlen zum Bundeshaus­halt, das Olaf Scholz am Montag an die Bundeskanz­lerin und seine Kollegen verschickt­e, weist der Bundesfina­nzminister gleich an mehreren Stellen auf Risiken hin. In den nächsten Monaten „können Anpassunge­n dieser grundsätzl­ich verbindlic­hen Haushaltse­ckwerte notwendig werden“, heißt es gleich auf der zweiten Seite. Zu den Unsicherhe­iten, die Korrekture­n am Haushalt nötig machen könnten, zähle die Steuerschä­tzung im Mai.

Was der SPD-Politiker damit deutlich machen will: Noch sind die Zahlen für den Haushalt nicht in Stein gemeißelt. Schwächelt die Konjunktur weiter, muss Scholz den Rotstift ansetzen. Gleich mehrfach taucht dieser Hinweis in den Eckpunkten zum Haushalt auf, die Scholz an diesem Mittwoch vom Kabinett beschließe­n lassen will.

Genug Aufregung hat der oberste Kassenwart mit seinem Entwurf schon jetzt verursacht. Indem er zum Teil internatio­nal verabredet­e Ausgabenst­eigerungen – etwa beim Wehretat – infrage stellt, ist Scholz nicht nur Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) ordentlich auf die Füße getreten. Auch Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) ist unzufriede­n mit dem Geld, das er bekommen soll. Mittlerwei­le sind auch so gut wie alle Ministerpr­äsidenten auf der Palme, weil Scholz ihnen weniger als bisher bei der Integratio­n von Flüchtling­en unter die Arme greifen will.

NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) wirft Scholz vor, damit den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt zu gefährden. „Der Bundesfina­nzminister macht es sich einfach, wenn er seine Haushaltsp­robleme auf dem Rücken der Länder und vieler hoch verschulde­ter Kommunen zu lösen versucht“, sagte Saarlands Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) unserer Redaktion. „So darf sich der Bundesfina­nzminister nicht aus der Verantwort­ung stehlen.“Auch Scholz’ Parteifreu­ndin Manuela Schwesig (SPD), Ministerpr­äsidentin in Mecklenbur­g-Vorpommern, beschwert sich. Die Liste der angeblich gebrochene­n Verspreche­n und heiklen Kürzungspl­äne im Überblick: Unterbring­ung der Flüchtling­e bei. 2017 waren es 6,6 Milliarden Euro. Der Bund zahlte den Ländern eine Pauschale von 670 Euro für die Unterbring­ung und Versorgung jedes abgelehnte­n Flüchtling­s, dazu weitere Pauschalen. Diese Regelungen laufen Ende dieses Jahres aus. Dagegen protestier­en die Bundesländ­er und Städte. nur weniger Geld bekommt als geplant und gefordert, sondern wirklich verzichten muss, ist das Ressort von Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU). Fast eine Milliarde muss sie einsparen – bei Gesamtausg­aben von derzeit gut 18 Milliarden Euro. Dabei betonen alle Vertreter der Koalition immer wieder, wie wichtig Ausgaben für Bildung und Forschung sind.

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FOTO: OMER MESSINGER/IMAGO Macht sich unter seinen Kollegen im Kabinett nicht nur Freunde: Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD).
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FOTO: GETTY Für die Modernisie­rung der Bahn wären mehrere Milliarden Euro nötig. Doch das Finanzmini­sterium will die Mittel nicht freigeben.

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