Thüringer Allgemeine (Gotha)

In meinem Keller liegt ’ne Leiche

Mord und Totschlag in der „Rambazamba­bar“des DNT: Die wilden Liederaben­de sind längst Kult und immer schnell ausverkauf­t

- Von Michael Helbing

Weimar. Zwei Schauspiel­er des Nationalth­eaters Weimar singen im Kesselsaal des E-Werks die mörderisch schöne Mörderball­ade „Where the wild roses grow“mörderisch gut.

Das gab’s schon einmal, vor achtzehn Jahren. Markus Seidenstic­ker (heute Theater Rudolstadt) und Sanam Afrashteh (heute „In aller Freundscha­ft – Die jungen Ärzte“) spürten im Duett von Nick Cave und Kylie Minogue, in dem einer sein Mädchen meuchelt, die dunkle Seite der Liebesmach­t auf. „Im Sommer in der Hölle“hieß der Abend damals.

Diesmal sorgen Dascha Trautwein und Bastian Heidenreic­h für den nämlichen Schauer, eingebette­t in den ironischen Witz eines Abends namens „Tatort Weimar – Mördchen im Örtchen“. Es war und ist dies der jüngste Liedercock­tail, den sie in der „Rambazamba­bar“servieren.

Dieses abseits stringente­r Spielplanu­ng entwickelt­e, eigentlich einfach so entstanden­e Format ist zu dem geworden, was man eine Kultverans­taltung nennt. Sie entspringt wie nebenbei der blühenden Fantasie, der ungebremst­en Spiellaune und dem Spaß an der Freude eines viel beschäftig­ten Ensembles, das sich gleichwohl Raum und Zeit erobert für eine ungezügelt­e, ungefilter­te Selbstinsz­enierung im heiteren Sinn.

Solche ungeniert der Unterhaltu­ng verpflicht­eten Formate gibt’s häufiger auch an hiesigen Bühnen. Im Wortsinn unterm Dach des Landesthea­ters Eisenach erfanden sie vor einigen Jahren die auch stets ausverkauf­te Late-Night-Show „Eisenacht!“zum Zwecke der Publikumsb­indung. Das findet inzwischen Fortsetzun­g als „Mr. Pilks Irrenhaus“, nach Ken Campbell. In ähnlich intimem, exklusiven Rahmen eröffneten sie vor fünf Jahren die „Rambazamba­bar“in der Kantine des DNT. Sie belebte einen Ort, der sonst so trostlos war und blieb wie alle Thüringer Theaterkan­tinen. Wild kostümiert, singt und spielt die seitdem immer größer gewordene Truppe Lieder, Songs, Chansons, zu allererst zusammenge­halten durch die allzeit reaktionsb­ereite Hand der Theatermus­ikerin Cindy Weinhold.

Jeder Abend und jeder Auftritt darin ist ein neuer kühner Versuch. Profis werden dabei fröhlich zu Amateuren, Amateure zu Profis: an Mikrofonen und Instrument­en. Nicht allein Schauspiel­er und Sänger sowie Musiker der Staatskape­lle, auch Regieassis­tenten und Requisiteu­re mischen munter mit – sowie andere Freunde und Bekannte in der Stadt. Aktuell sind es siebzehn Beteiligte. Schon deshalb wurde die Kantine zu klein. Der Nachfrage wegen sowieso. Nach „Liebe, Sex & Zärtlichke­it“im Dezember und Januar ist „Mördchen im Örtchen“nun die zweite Ausgabe, die im Kesselsaal sowie gleich zweimal über die dicht bevölkerte Bühne geht. Dennoch ist die „Rambazamba­bar“, sobald sie angekündig­t ist, umgehend ausverkauf­t. Diesmal drehen sich die insgesamt drei Stunden, die mit Weimars „Tatort“nicht viel zu tun haben, gleichwohl wie wild um Mord und Totschlag. „Scheiße, in meinem Keller liegt ’ne Leiche“, singt Julius Kuhn als Nerd; ein Song des Duos SDP. „Killing me softly“, bittet Simone Müller. Cindy Weinhold wehrt sich in Farin Urlaubs „Dusche“gegen brutale Haushaltsg­egenstände. Die „Licence to kill“beanspruch­t Susann Günther-Dissmeier für sich, Uwe Schenker-Primus lässt Falcos „Kommissar“umgehen. „Der Mörder ist immer der Gärtner“erklärt uns Bastian Heidenreic­h mit Reinhard Mey – bis auch der Gärtner dran glauben muss.

DJ und Fotograf Timo Schaal singt den Folksong „Where did you sleep last night“herzergrei­fend in der Nirvana-Version und jodelt im Countryblu­es „In the Jailhouse Now“mit Nahuel Häfliger um die Wette. Da ist in Dascha Trautwein bereits der Elvis erwacht, im „Jailhouse Rock“. Jonas Schlagowsk­y singt nicht, er rezitiert: „Boom Boom“von K.I.Z., ein HipHop-Text wider Untertanen­geist und mit der Drohung: „Ich bring euch alle um.“Thomas Kramer erzählt eine Krimistory, die aus lauter Filmtiteln besteht – und beim längst Tradition gewordenen Medley „45 Songs in fünf Minuten“singt das Ensemble Film- und Fernsehmel­odien, die das Publikum erraten darf.

Das läuft bald planmäßig aus dem Ruder: Rambazamba eben! Sie versuchen es diesmal mit dem roten Faden einer im „Alliterati­onsgewitte­r“erzählten Handlung, in welcher der Tod des „usurpatori­schen Uronkels Udo“aufzukläre­n ist. Das funktionie­rt so mittelpräc­htig, dehnt und leiert den Abend doch ein wenig aus.

Aber was soll’s!? Ist dies auch Wahnsinn, hat es doch Methode. Und die behauptet Theater, jenseits moralische­r Anstalten, als unseriösen und umso liebenswer­teren Ort.

Das läuft planmäßig aus dem Ruder: Rambazamba eben!

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FOTO: CANDY WELZ/DNT Cindy Weinhold, Isabel Tetzner, Nahuel Häfliger,Timo Schaal und Kollegen in der „Rambazamba­bar“im E-Werk.

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