In meinem Keller liegt ’ne Leiche
Mord und Totschlag in der „Rambazambabar“des DNT: Die wilden Liederabende sind längst Kult und immer schnell ausverkauft
Weimar. Zwei Schauspieler des Nationaltheaters Weimar singen im Kesselsaal des E-Werks die mörderisch schöne Mörderballade „Where the wild roses grow“mörderisch gut.
Das gab’s schon einmal, vor achtzehn Jahren. Markus Seidensticker (heute Theater Rudolstadt) und Sanam Afrashteh (heute „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“) spürten im Duett von Nick Cave und Kylie Minogue, in dem einer sein Mädchen meuchelt, die dunkle Seite der Liebesmacht auf. „Im Sommer in der Hölle“hieß der Abend damals.
Diesmal sorgen Dascha Trautwein und Bastian Heidenreich für den nämlichen Schauer, eingebettet in den ironischen Witz eines Abends namens „Tatort Weimar – Mördchen im Örtchen“. Es war und ist dies der jüngste Liedercocktail, den sie in der „Rambazambabar“servieren.
Dieses abseits stringenter Spielplanung entwickelte, eigentlich einfach so entstandene Format ist zu dem geworden, was man eine Kultveranstaltung nennt. Sie entspringt wie nebenbei der blühenden Fantasie, der ungebremsten Spiellaune und dem Spaß an der Freude eines viel beschäftigten Ensembles, das sich gleichwohl Raum und Zeit erobert für eine ungezügelte, ungefilterte Selbstinszenierung im heiteren Sinn.
Solche ungeniert der Unterhaltung verpflichteten Formate gibt’s häufiger auch an hiesigen Bühnen. Im Wortsinn unterm Dach des Landestheaters Eisenach erfanden sie vor einigen Jahren die auch stets ausverkaufte Late-Night-Show „Eisenacht!“zum Zwecke der Publikumsbindung. Das findet inzwischen Fortsetzung als „Mr. Pilks Irrenhaus“, nach Ken Campbell. In ähnlich intimem, exklusiven Rahmen eröffneten sie vor fünf Jahren die „Rambazambabar“in der Kantine des DNT. Sie belebte einen Ort, der sonst so trostlos war und blieb wie alle Thüringer Theaterkantinen. Wild kostümiert, singt und spielt die seitdem immer größer gewordene Truppe Lieder, Songs, Chansons, zu allererst zusammengehalten durch die allzeit reaktionsbereite Hand der Theatermusikerin Cindy Weinhold.
Jeder Abend und jeder Auftritt darin ist ein neuer kühner Versuch. Profis werden dabei fröhlich zu Amateuren, Amateure zu Profis: an Mikrofonen und Instrumenten. Nicht allein Schauspieler und Sänger sowie Musiker der Staatskapelle, auch Regieassistenten und Requisiteure mischen munter mit – sowie andere Freunde und Bekannte in der Stadt. Aktuell sind es siebzehn Beteiligte. Schon deshalb wurde die Kantine zu klein. Der Nachfrage wegen sowieso. Nach „Liebe, Sex & Zärtlichkeit“im Dezember und Januar ist „Mördchen im Örtchen“nun die zweite Ausgabe, die im Kesselsaal sowie gleich zweimal über die dicht bevölkerte Bühne geht. Dennoch ist die „Rambazambabar“, sobald sie angekündigt ist, umgehend ausverkauft. Diesmal drehen sich die insgesamt drei Stunden, die mit Weimars „Tatort“nicht viel zu tun haben, gleichwohl wie wild um Mord und Totschlag. „Scheiße, in meinem Keller liegt ’ne Leiche“, singt Julius Kuhn als Nerd; ein Song des Duos SDP. „Killing me softly“, bittet Simone Müller. Cindy Weinhold wehrt sich in Farin Urlaubs „Dusche“gegen brutale Haushaltsgegenstände. Die „Licence to kill“beansprucht Susann Günther-Dissmeier für sich, Uwe Schenker-Primus lässt Falcos „Kommissar“umgehen. „Der Mörder ist immer der Gärtner“erklärt uns Bastian Heidenreich mit Reinhard Mey – bis auch der Gärtner dran glauben muss.
DJ und Fotograf Timo Schaal singt den Folksong „Where did you sleep last night“herzergreifend in der Nirvana-Version und jodelt im Countryblues „In the Jailhouse Now“mit Nahuel Häfliger um die Wette. Da ist in Dascha Trautwein bereits der Elvis erwacht, im „Jailhouse Rock“. Jonas Schlagowsky singt nicht, er rezitiert: „Boom Boom“von K.I.Z., ein HipHop-Text wider Untertanengeist und mit der Drohung: „Ich bring euch alle um.“Thomas Kramer erzählt eine Krimistory, die aus lauter Filmtiteln besteht – und beim längst Tradition gewordenen Medley „45 Songs in fünf Minuten“singt das Ensemble Film- und Fernsehmelodien, die das Publikum erraten darf.
Das läuft bald planmäßig aus dem Ruder: Rambazamba eben! Sie versuchen es diesmal mit dem roten Faden einer im „Alliterationsgewitter“erzählten Handlung, in welcher der Tod des „usurpatorischen Uronkels Udo“aufzuklären ist. Das funktioniert so mittelprächtig, dehnt und leiert den Abend doch ein wenig aus.
Aber was soll’s!? Ist dies auch Wahnsinn, hat es doch Methode. Und die behauptet Theater, jenseits moralischer Anstalten, als unseriösen und umso liebenswerteren Ort.
Das läuft planmäßig aus dem Ruder: Rambazamba eben!