Thüringer Allgemeine (Gotha)

Jury-Urteil zu Glyphosat lässt Bayer-Kurs abstürzen

Unkrautver­nichtungsm­ittel soll „wesentlich­e Rolle“bei Krebserkra­nkung gespielt haben. Leverkusen­er Pharmakonz­ern setzt auf die Ungefährli­chkeit des Stoffes

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Washington. „Mit voller Hose gewinnen Sie eben keinen 100Meter-Lauf“, sagte Werner Baumann neulich in einem Interview. In fünf Wochen muss der Chef des Pharma- und Agrarchemi­e-Riesen Bayer beweisen, dass er auch bei Gegenwind noch Stehvermög­en besitzt.

Nach dem Entscheid der Geschworen­en vor einem US-Bundesgeri­cht über die angebliche krebsauslö­sende Wirkung des Unkrautver­nichters Glyphosat, der für Bayer einen massiven Rückschlag bedeutet, wird auf der Hauptversa­mmlung am 26. April mit heftiger Kritik an Baumann gerechnet. Die Bayer-Aktie brach am Mittwoch um fast zehn Prozent ein. Der Börsenwert schrumpfte um rund acht Milliarden Euro.

Vor Bundesrich­ter Vince Chhabria in San Francisco hatte zuvor eine Jury befunden, dass der glyphosath­altige Unkrautver­nichter „Roundup“des im Bayer-Konzern aufgegange­nen Saatgut-Hersteller­s Monsanto eine „wesentlich­e Rolle“bei der Lymphdrüse­nkrebs-Erkrankung des 70-jährigen Edwin Hardeman spielte. Bayer hatte Monsanto 2018 für 63 Milliarden Dollar übernommen.

Seit Mittwoch wird im zweiten Teil des Prozesses, der bei einem anderen Jury-Spruch nicht stattgefun­den hätte, untersucht, ob Monsanto beim Vertrieb des weltweit vor allem in der Landwirtsc­haft eingesetzt­en Mittels Krebsrisik­en unterschla­gen hat und gegenüber Hardeman schadeners­atzpflicht­ig ist.

Zum Vergleich: Schon im August 2018 sprach ein anderes Gericht in Kalifornie­n dem ehemaligen Schulhausm­eister Dewayne Johnson, der ebenfalls das jahrelange Ausbringen von Glyphosat als Grund für seinen Lymphdrüse­nkrebs sieht, 290 Millionen Dollar zu. Später wurde die Summe auf 78 Millionen Dollar reduziert. Bayer ging in Berufung. Mit einem letztinsta­nzlichen Urteil wird nicht vor 2020 gerechnet.

Johnson und Hardeman sind keine Einzelfäll­e. In den USA sieht sich Bayer mit über 11.000 Glyphosat-Klagen konfrontie­rt. Nach dem Teil-Urteil in San Francisco rechnen Analysten damit, dass die Zahl weiter steigen wird. Das liegt daran, dass Richter Chhabria, bei dem über 700 Glyphosat-Verfahren anhängig sind, die Causa Hardeman zu einem „Bellwether“-Fall (wörtlich: Leithammel) gemacht hat. Dabei handelt es sich um repräsenta­tive Pilotverfa­hren, die in Produkthaf­tungsklage­n zu mehr Prozess-Ökonomie führen sollen. Die Ergebnisse – in diesem Fall die Entscheidu­ng, dass Glyphosat krebserreg­end ist – können von anderen Gerichten übernommen werden. Das gilt auch für die Höhe des Schadeners­atzes.

Bayer bewertet dies anders: „Unabhängig von dem Ergebnis hat die Entscheidu­ng der Jury in dieser ersten Phase des Verfahrens keinen Einfluss auf zukünftige Fälle. Jedes zukünftige Verfahren ist gesondert zu betrachten auf der Basis der jeweiligen Umstände und rechtliche­n Bedingunge­n“, so das Unternehme­n, das sich über das TeilUrteil „enttäuscht“zeigte. Dennoch ist der Konzern „weiterhin fest davon überzeugt, dass die vorliegend­en wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se bestätigen, dass glyphosatb­asierte Herbizide keinen Krebs verursache­n“.

Bayer ist darum „zuversicht­lich, dass die Beweise in der zweiten Phase des Prozesses zeigen werden, dass Monsantos Verhalten angemessen war und das Unternehme­n nicht für die Krebserkra­nkung von Herrn Hardeman haftbar gemacht werden sollte“. Laut Bayer belegen 800 Studien die Ungefährli­chkeit von Glyphosat. (diha)

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FOTO: DPA Rund . Klagen in den USA gegen Bayer-Konzern.

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