Rüstungsexporte – Berlin verärgert Paris
Die Zurückhaltung der Bundesregierung stößt auf Befremden
Berlin. In Frankreich wundert man sich derzeit über Deutschland. Durch die Pariser Brille betrachtet gibt es so etwas wie ein Berliner Paradox. So hat der Vorstoß von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, zusammen mit Frankreich einen milliardenschweren europäischen Flugzeugträger zu entwickeln, an der Seine zu heftigem Stirnrunzeln geführt. Zu groß das Projekt, zu unklar die Einsatzbeschreibung und die Entscheidungskette, lautete der Tenor. Andererseits – so klagen Regierungsbeamte im Nachbarland – trete die große Koalition bei europäischen Rüstungsvorhaben wie dem Waffenexport nach Saudi-Arabien auf die Bremse.
So will die SPD den Ausfuhrstopp, der Ende März ausläuft, um ein halbes Jahr verlängern. Der CDU/CSU ist das zu lang. Am Ende dürfte das Embargo im Zuge eines Kompromisses um ein oder drei Monate weiterlaufen. Betroffen sind zum Beispiel die Raketenwarnsysteme deutscher Firmen für in Frankreich hergestellte Hubschrauber oder Elektroschalter für Sanitätsfahrzeuge. Mittelständische Betriebe aus Deutschland sind oft Nischenanbieter, die mit ihren spezialisierten Produkten eine Spitzenposition auf dem Weltmarkt haben. Angeblich können etwa 50 Verträge französischer Unternehmen nicht erfüllt werden, weil ihre deutschen Zulieferer keine Genehmigung bekommen. In Paris wird man langsam ungeduldig über den Sand im Getriebe der deutsch-französischen Rüstungskooperation. „In dem Moment, in dem wir bedeutende Programme für die Militärausstattung starten, ist es auch notwendig, sich über die künftige Exportfähigkeit dieser Ausrüstungen zu einigen“, sagte die französische Verteidigungsministerin Florence Parly in einem Interview mit unserer Redaktion und unserer französischen Partnerzeitung „Ouest-France“. Und: „Wir können Europa nicht auf der Basis einseitiger Entscheidungen bauen“, sagte Parly mit indirekter Kritik an der Bundesregierung.
Es müssten „stabile Regeln“für die Ausfuhr von Waffen definiert werden, „auch für bereits abgeschlossene Verträge“. Der Rüstungsexport ist – weit über den Handel mit Saudi-Arabien hinaus – in Berlin ein Reizthema. Neuregelungen, national wie europäisch, sind überfällig. Im Koalitionsvertrag hatten SPD und Union vereinbart, keine Ausfuhren an Länder zu genehmigen, „solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind“. Das trifft auf Saudi-Arabien zweifellos zu, wurde bislang aber lax gehandhabt.
Nach dem Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi durch ein Killerkommando aus Riad im Oktober 2018 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hart durchgegriffen. Sie verhängte einen Monat später einen Lieferstopp. „Die Gründe für die damaligen Entscheidungen bestehen bis heute fort“, erklärt SPD-Vizefraktionschef Rolf Mützenich. Der Koalitionspartner mahnt die Kanzlerin, den Kurs zu halten.
Merkel weiß allerdings, dass die Regierungen in Paris und London verärgert sind. Beide Staaten haben starke Rüstungsindustrien (in Frankreich zumeist in Staatshand), Waffenhandel ist Teil ihrer Außenpolitik. Das deutsche Vorgehen verringere den europäischen Einfluss auf das arabische Königreich, kritisierte der britische Außenminister Jeremy Hunt kürzlich in einem Brief an seinen deutschen Amtskollegen Heiko Maas (SPD).
Die Briten befürchten, dass die Saudis lieber mit anderen ins Geschäft kommen – China, Russland oder den USA. Wegen der deutschen Haltung stockt die Lieferung von 48 Kampfflugzeugen vom Typ „Eurofighter“. Es sei zwingend, dass die Bundesregierung große gemeinsame europäische Rüstungsprojekte von dem Exportverbot ausnehme, forderte der Brite.
Für Paris steht viel auf dem Spiel. Airbus ist ein Gemeinschaftsunternehmen, drei große Zukunftsprojekte im Rüstungsbereich haben einen deutschfranzösischen Hintergrund: ein Kampfflugzeug, ein Panzer und eine Drohne.
Gemeinsamer Bau eines Kampfjets geplant