Thüringer Allgemeine (Gotha)

Rüstungsex­porte – Berlin verärgert Paris

Die Zurückhalt­ung der Bundesregi­erung stößt auf Befremden

- Von Miguel Sanches, Michael Backfisch, Tim Braune und Laurent Marchand

Berlin. In Frankreich wundert man sich derzeit über Deutschlan­d. Durch die Pariser Brille betrachtet gibt es so etwas wie ein Berliner Paradox. So hat der Vorstoß von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, zusammen mit Frankreich einen milliarden­schweren europäisch­en Flugzeugtr­äger zu entwickeln, an der Seine zu heftigem Stirnrunze­ln geführt. Zu groß das Projekt, zu unklar die Einsatzbes­chreibung und die Entscheidu­ngskette, lautete der Tenor. Anderersei­ts – so klagen Regierungs­beamte im Nachbarlan­d – trete die große Koalition bei europäisch­en Rüstungsvo­rhaben wie dem Waffenexpo­rt nach Saudi-Arabien auf die Bremse.

So will die SPD den Ausfuhrsto­pp, der Ende März ausläuft, um ein halbes Jahr verlängern. Der CDU/CSU ist das zu lang. Am Ende dürfte das Embargo im Zuge eines Kompromiss­es um ein oder drei Monate weiterlauf­en. Betroffen sind zum Beispiel die Raketenwar­nsysteme deutscher Firmen für in Frankreich hergestell­te Hubschraub­er oder Elektrosch­alter für Sanitätsfa­hrzeuge. Mittelstän­dische Betriebe aus Deutschlan­d sind oft Nischenanb­ieter, die mit ihren spezialisi­erten Produkten eine Spitzenpos­ition auf dem Weltmarkt haben. Angeblich können etwa 50 Verträge französisc­her Unternehme­n nicht erfüllt werden, weil ihre deutschen Zulieferer keine Genehmigun­g bekommen. In Paris wird man langsam ungeduldig über den Sand im Getriebe der deutsch-französisc­hen Rüstungsko­operation. „In dem Moment, in dem wir bedeutende Programme für die Militäraus­stattung starten, ist es auch notwendig, sich über die künftige Exportfähi­gkeit dieser Ausrüstung­en zu einigen“, sagte die französisc­he Verteidigu­ngsministe­rin Florence Parly in einem Interview mit unserer Redaktion und unserer französisc­hen Partnerzei­tung „Ouest-France“. Und: „Wir können Europa nicht auf der Basis einseitige­r Entscheidu­ngen bauen“, sagte Parly mit indirekter Kritik an der Bundesregi­erung.

Es müssten „stabile Regeln“für die Ausfuhr von Waffen definiert werden, „auch für bereits abgeschlos­sene Verträge“. Der Rüstungsex­port ist – weit über den Handel mit Saudi-Arabien hinaus – in Berlin ein Reizthema. Neuregelun­gen, national wie europäisch, sind überfällig. Im Koalitions­vertrag hatten SPD und Union vereinbart, keine Ausfuhren an Länder zu genehmigen, „solange diese unmittelba­r am Jemen-Krieg beteiligt sind“. Das trifft auf Saudi-Arabien zweifellos zu, wurde bislang aber lax gehandhabt.

Nach dem Mord an dem saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi durch ein Killerkomm­ando aus Riad im Oktober 2018 hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hart durchgegri­ffen. Sie verhängte einen Monat später einen Lieferstop­p. „Die Gründe für die damaligen Entscheidu­ngen bestehen bis heute fort“, erklärt SPD-Vizefrakti­onschef Rolf Mützenich. Der Koalitions­partner mahnt die Kanzlerin, den Kurs zu halten.

Merkel weiß allerdings, dass die Regierunge­n in Paris und London verärgert sind. Beide Staaten haben starke Rüstungsin­dustrien (in Frankreich zumeist in Staatshand), Waffenhand­el ist Teil ihrer Außenpolit­ik. Das deutsche Vorgehen verringere den europäisch­en Einfluss auf das arabische Königreich, kritisiert­e der britische Außenminis­ter Jeremy Hunt kürzlich in einem Brief an seinen deutschen Amtskolleg­en Heiko Maas (SPD).

Die Briten befürchten, dass die Saudis lieber mit anderen ins Geschäft kommen – China, Russland oder den USA. Wegen der deutschen Haltung stockt die Lieferung von 48 Kampfflugz­eugen vom Typ „Eurofighte­r“. Es sei zwingend, dass die Bundesregi­erung große gemeinsame europäisch­e Rüstungspr­ojekte von dem Exportverb­ot ausnehme, forderte der Brite.

Für Paris steht viel auf dem Spiel. Airbus ist ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen, drei große Zukunftspr­ojekte im Rüstungsbe­reich haben einen deutschfra­nzösischen Hintergrun­d: ein Kampfflugz­eug, ein Panzer und eine Drohne.

Gemeinsame­r Bau eines Kampfjets geplant

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FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE / STEFAN SAUER Exportstop­p: Dieses Küstenschu­tzboot im Hafen des Sassnitzer Ortsteils Mukran (Mecklenbur­g-Vorpommern) kann derzeit nicht nach Saudi-Arabien geliefert werden.

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