Brüssel setzt Briten Pistole auf die Brust
EU will Brexit-Aufschub nur zustimmen, wenn Unterhaus zuvor Mays Austrittsvertrag annimmt
Brüssel. Wenige Tage vor dem geplanten Brexit am 29. März kommt es an diesem Donnerstag beim EU-Gipfel zum Showdown zwischen der britischen Premierministerin Theresa May und den anderen 27 EU-Regierungschefs: May bittet jetzt offiziell um einen Brexit-Aufschub bis Ende Juni – doch die EU wird das wohl erst mal verweigern. Ratspräsident Donald Tusk fordert zunächst die Zustimmung zum Brexit-Vertrag im Unterhaus. Der Brexit wird damit endgültig zur Zitterpartie: Eine Mini-Verlängerung gibt es allenfalls in letzter Minute – oder es kommt doch zum Chaos-Brexit.
May erklärte in einem Schreiben an EU-Ratspräsident Donald Tusk, dass sie eine DreiMonats-Verlängerung wünsche. Sie zeigte sich zuversichtlich, dann doch noch eine Mehrheit für den ausgehandelten Austrittsvertrag im britischen Unterhaus zu erhalten. Mays Antrag war in Brüssel dringend erwartet worden, im Grundsatz ist die EU auch zu Konzessionen bereit. Doch Tusk erklärte nach Gesprächen mit EU-Regierungschefs, eine kurze Verlängerung sei zwar möglich – aber erst müsse das britische Parlament dem bereits zweimal gescheiterten Austrittsvertrag zustimmen. Dann könnten die EU-Regierungschefs kommende Woche in einem schriftlichen Verfahren den Brexit verschieben; einen Sondergipfel halte er nicht für notwendig.
Unklar ist, wie lange der Brexit hinausgeschoben würde: Die EU-Kommission warnt in einer internen Analyse, die unserer Redaktion vorliegt, vor einem Austrittstermin 30. Juni. Bei einer solchen Verlängerung bestünden ernste „rechtliche und politische Risiken für die Europäische Union“. Denn wenn die Briten zum Zeitpunkt der Wahl noch EU-Mitglied sind, müssten sie das EU-Parlament mitwählen. Das lehnt May aber ab. Doch in einem solchen Fall könnte die Wahl später angefochten und die Konstituierung des Parlaments rechtswidrig werden, auch wenn Großbritannien Ende Juni die EU verlässt, warnt die Kommission.
Die Bedenken werden in den Mitgliedstaaten geteilt: Außenminister Heiko Maas (SPD) hat die Zustimmung Deutschlands zum Brexit-Aufschub an Bedingungen geknüpft. „Eine Verschiebung ist dann sinnvoll, wenn sie zu einem geordneten Brexit führt“, sagte Maas unserer Redaktion. „Wenn dafür eine echte Chance besteht, dann halte ich es für vertretbar, auch eine Ehrenrunde einzulegen.“