Thüringer Allgemeine (Gotha)

„Dieses prächtige Haus“

Das Meininger Staatsthea­ter besinnt sich auf seine Schönheit. Darin erstarren will es aber auch in der nächsten Spielzeit nicht

- Von Michael Helbing

Meiningen. Tobias Rott ist seit September Schauspiel­direktor am Meininger Staatsthea­ter – und er ist immer noch begeistert, „dass wir leuchtturm­mäßig mit diesem wunderbare­n Palast mitten im Wald stehen!“

Karolin Loh ist erst seit November Verwaltung­sdirektori­n und lobt „dieses prächtige Haus“, das es nur eben „sichtbarer zu machen“gelte.

Und Intendant Ansgar Haag, der am Mittwoch seine 15. Meininger Spielzeit präsentier­en ließ, erklärte zum gedruckten Programmbu­ch, damit habe man „versucht, die Schönheit unseres Theaters etwas mehr zu dokumentie­ren“. Es gab wohl Nörgeleien im Publikum, dass man zuletzt zu nüchtern und kalt daher kam.

Gülden glänzend zeigt dieses Buch nun, hinter blauer Einbandmas­ke, das Portal des Hauses, auf das Theaterher­zog Georg II. einst „Dem Volke zur Freude und Erhebung“in Stein meißeln ließ. Das „dient uns weiterhin als Kompass der Planung“, schreibt Haag in seinem Vorwort.

Die Zuschauer folgen diesem Wechselspi­el offenbar. Mehr als 155.000 Besucher in 530 Vorstellun­gen meldet das Haus fürs vergangene Kalenderja­hr: Das sind 1200 mehr als im Jahr zuvor, bewegt sich „nahe unserem früheren Rekord“, so Haag, und beschert dem Theater immerhin 8,7 Prozent Mehreinnah­men.

So soll es weitergehe­n in und mit diesem schönen Haus, wünscht sich Karolin Loh, und weiß auch schon wie: „Kulturtour­ismus ist ein Megatrend“, lautet ihre Losung. Man probiert jetzt Reisepaket­e dafür aus.

Und doch spricht die nächste Saison durchaus nicht dafür, dass man in Schönheit zu erstarren gedenkt. Sowieso sei Theater, notierte Tobias Rott, „notwendig politisch, da es eine Haltung, eine Meinung sowohl zum Stück als auch zum Leben verlangt.“

Das betrifft wohl selbst das DonQuijote-Musical „Der Mann von La Mancha“, das laut Opernchefi­n Corinna Jarosch den Traum von einer Welt beschreibt, „wie sie sein sollte.“Sein-und-Schein-Welten der Reichen und Schönen nimmt Paul Abrahams Operette „Märchen im GrandHotel“aufs Korn: 1934 in Wien uraufgefüh­rt, soeben erst in Mainz zur deutschen Erstauffüh­rung gelangt.

„Der fliegende Holländer“kommt auch nach Eisenach

Sie korrespond­iert dann in Meiningen durchaus auch mit Carl Sternheims Komödie „Die Kassette“, die nicht nur bei der Uraufführu­ng 1912 ein Skandal war und vom bürgerlich­en Drang nach dem Geld erzählt.

Tobias Rott wird das ebenso inszeniere­n wie Ernst Tollers Tragödie „Hinkemann“von 1923, geschriebe­n in der Festungsha­ft nach der Münchner Räterepubl­ik. Darin kehrt einer entmannt aus dem Weltkrieg heim und meint: „Diese Zeit hat keine Seele. Ich habe kein Geschlecht. Ist da ein Unterschie­d?“

Mit Henrik Ibsens betrügeris­cherem Bankier „John Gabriel Borkman“beginnt die Schauspiel­saison.

Augsburgs Intendant André Bücker, der jüngst Döblins „November 1918“in Weimar ausbreitet­e, führt Regie.

„Gespenster“, ein finsteres Familiendr­ama des norwegisch­en Dramatiker­s Ibsen, brachte Georg II. 1886 in Meiningen zur deutschen Erstauffüh­rung. Es kehrt nun als Opern-Uraufführu­ng zurück: ein Auftragswe­rk für den norwegisch­en Komponiste­n Torstein Aagaard-Nilsen, das Ansgar Haag inszeniere­n will.

Puccinis letzte, vergleichs­weise selten gespielte Oper „La Rondine“, eine Emanzipati­onsgeschic­hte als „lyrische Komödie“, ist ein weiterer bemerkensw­erter Programmpu­nkt.

Er verlangt nach Eisenachs Ballett, das auch zwei neue eigene Abende nach Meiningen bringt. Haag spricht vom Erfolg der Sparte, die beim Publikum „Beliebthei­t entwickelt“habe.

Allerdings klaut ihm das zum Teil Orchesterd­ienste der Meininger Hofkapelle,

sagt er unserer Zeitung, etwa bei Ravels „Boléro“und Strawinsky­s „Petruschka“, aus denen Andris Plucis einen Abend choreograf­iert.

Weil Meiningen seinerseit­s aber „Eisenach auch nicht hängen lassen“will, soll dort in der übernächst­en Saison „Der fliegende Holländer“zu erleben sein. Die Richard-WagnerInsz­enierung von Kay Metzger hat heute Abend in Ulm, wo er Intendant ist, Premiere; Meiningen übernimmt

sie in einem Jahr als Koproduzen­t. Das Bühnenbild ist laut Haag so gebaut, dass es in verkleiner­ter Form auch ins Theater Eisenach passt.

Neben dem Ballett tritt von dort auch das Junge Schauspiel regelmäßig in Meiningen auf, nächste Saison unter anderem mit einer ollen Kamelle: Spartenche­fin Christine Hofer inszeniert „Charleys Tante“.

Wir sind gespannt, welche jugendlich­e Frische dem abzuringen ist.

 ?? FOTO: KERSTIN SCHOMBURG ?? Szene aus Richard Wagners „Der fliegende Holländer“in der Inszenieru­ng von Kay Metzger. Diese feiert heute Abend im Theater Ulm ihre Premiere. Das Meininger Staatsthea­ter übernimmt sie als Koproduzen­t im März  – und bringt sie später nach Eisenach.
FOTO: KERSTIN SCHOMBURG Szene aus Richard Wagners „Der fliegende Holländer“in der Inszenieru­ng von Kay Metzger. Diese feiert heute Abend im Theater Ulm ihre Premiere. Das Meininger Staatsthea­ter übernimmt sie als Koproduzen­t im März  – und bringt sie später nach Eisenach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany