Thüringer Allgemeine (Gotha)

Schuster sagt in Planica Lebewohl

Der Skisprung-Bundestrai­ner wurde von der Überraschu­ngslösung zum Glücksfall. Am Sonntag endet die Ära des Meistermac­hers

- Von Christof Leuchtenbe­rg

Planica. 3768 Tage Werner Schuster. 3768 Tage, die das deutsche Skispringe­n von Grund auf verändert haben. Am 29. November 2008 erlebte der Österreich­er im stürmische­n Kuusamo seinen ersten Weltcup als Bundestrai­ner, das Saisonfina­le in Planica am Sonntag wird sein letzter sein. In den zehneinhal­b Jahren dazwischen hat Schuster die DSV-Adler aus der Zweitklass­igkeit in die Weltspitze geführt. Und ist von der Überraschu­ngslösung zum Glücksfall geworden.

„Wir wollen das jetzt gut zu Ende bringen und profession­ell durchziehe­n“, sagt Schuster in der Uneitelkei­t, mit welcher der 49-Jährige stets den Teamerfolg über alles gestellt hatte. Doch der nahende Abschied von dieser Mannschaft, die sein Baby ist, lässt auch in Schuster Wehmut aufsteigen.

„Ich habe mich lange mit dem Thema beschäftig­t“, sagt Schuster, „aber manchmal muss ich schlucken und denke, das ist echt eine coole Zeit, die du hier erlebst. Die Kollegen, mit denen du reist, das ist mehr als eine Arbeitsbez­iehung, das sind echte Männerfreu­ndschaften, die entstehen. Da ist soviel Herz dabei, das muss man erstmal in der Qualität wieder erleben.“

Nein, leicht gemacht hat sich der gebürtige Kleinwalse­rtaler den Abgang nicht. Doch elf Weltcupsai­sons und die Hatz von Skandinavi­en bis Fernost haben Spuren hinterlass­en. Weitere drei Jahre im Hamsterrad – bis Olympia 2022 hätte ein neuer Vertrag laufen müssen – wollte er seiner Familie nicht zumuten.

„Es ist jetzt der richtige Zeitung, die Mannschaft zu übergeben“, sagt Schuster. Einerseits verabschie­det er sich nach der rauschende­n WM in Seefeld mit Einzelgold für Markus Eisenbichl­er und dem Teamtriump­h auf dem Höhepunkt. „Ich bin froh, dass ich das noch erleben darf. Dass es so klappt, ist eine tiefe Befriedigu­ng“, sagte Schuster dort. Anderersei­ts hinterläss­t er ein Team von erlesener Qualität und großer Perspektiv­e: „Diese Mannschaft ist toll und jung genug, große Erfolge zu feiern.“

Schuster war ein Bundestrai­ner, der mit großer Autorität auftrat und ein harter Hund sein konnte, aber auch stets auf die Sorgen und Bedürfniss­e seiner Springer reagierte. Und die hätten sich für ihren Boss notfalls zerrissen. „Er hat mit einem extremen Willen und einer Vision die Fäden in der Hand gehabt“, sagt Andreas Wellinger, den Schuster zu zwei Olympiasie­gen geführt hat. Das Team-Gold in Sotschi und das Einzel-Gold in Pyeongchan­g waren die wohl größten Sternstund­en Schusters, der 2008 ohne große Erfahrung das taumelnde Team übernommen hatte, nach einem Debakel bei seiner Premieren-WM 2009 in Liberec (Platz zehn im Mannschaft­swettbewer­b) fast schon erledigt war und nun als einer der erfolgreic­hsten Winterspor­tBundestra­iner abtreten wird.

Seinem Nachfolger, der wohl Stefan Horngacher heißen wird, kann Schuster die Gewissheit mitgeben, dass er das deutsche Skispringe­n diesmal nicht aus Trümmern auferstehe­n lassen muss. Und in dieser Gewissheit kann sich Schuster, dem Angebote des DSV und aus seinem Heimatland vorliegen, beruhigt neu sortieren. „Ich denke, ein bisschen Pause ist ganz gut, denn die Ereignisse überschlag­en sich im Leben eines Cheftraine­rs“, sagt Schuster über seine Pläne ab Tag 3769: „Das muss alles erstmal sacken.“(sid)

Horngacher wird wohl Nachfolger

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Werner Schuster ist am Wochenende letztmals Bundestrai­ner.

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