Schuster sagt in Planica Lebewohl
Der Skisprung-Bundestrainer wurde von der Überraschungslösung zum Glücksfall. Am Sonntag endet die Ära des Meistermachers
Planica. 3768 Tage Werner Schuster. 3768 Tage, die das deutsche Skispringen von Grund auf verändert haben. Am 29. November 2008 erlebte der Österreicher im stürmischen Kuusamo seinen ersten Weltcup als Bundestrainer, das Saisonfinale in Planica am Sonntag wird sein letzter sein. In den zehneinhalb Jahren dazwischen hat Schuster die DSV-Adler aus der Zweitklassigkeit in die Weltspitze geführt. Und ist von der Überraschungslösung zum Glücksfall geworden.
„Wir wollen das jetzt gut zu Ende bringen und professionell durchziehen“, sagt Schuster in der Uneitelkeit, mit welcher der 49-Jährige stets den Teamerfolg über alles gestellt hatte. Doch der nahende Abschied von dieser Mannschaft, die sein Baby ist, lässt auch in Schuster Wehmut aufsteigen.
„Ich habe mich lange mit dem Thema beschäftigt“, sagt Schuster, „aber manchmal muss ich schlucken und denke, das ist echt eine coole Zeit, die du hier erlebst. Die Kollegen, mit denen du reist, das ist mehr als eine Arbeitsbeziehung, das sind echte Männerfreundschaften, die entstehen. Da ist soviel Herz dabei, das muss man erstmal in der Qualität wieder erleben.“
Nein, leicht gemacht hat sich der gebürtige Kleinwalsertaler den Abgang nicht. Doch elf Weltcupsaisons und die Hatz von Skandinavien bis Fernost haben Spuren hinterlassen. Weitere drei Jahre im Hamsterrad – bis Olympia 2022 hätte ein neuer Vertrag laufen müssen – wollte er seiner Familie nicht zumuten.
„Es ist jetzt der richtige Zeitung, die Mannschaft zu übergeben“, sagt Schuster. Einerseits verabschiedet er sich nach der rauschenden WM in Seefeld mit Einzelgold für Markus Eisenbichler und dem Teamtriumph auf dem Höhepunkt. „Ich bin froh, dass ich das noch erleben darf. Dass es so klappt, ist eine tiefe Befriedigung“, sagte Schuster dort. Andererseits hinterlässt er ein Team von erlesener Qualität und großer Perspektive: „Diese Mannschaft ist toll und jung genug, große Erfolge zu feiern.“
Schuster war ein Bundestrainer, der mit großer Autorität auftrat und ein harter Hund sein konnte, aber auch stets auf die Sorgen und Bedürfnisse seiner Springer reagierte. Und die hätten sich für ihren Boss notfalls zerrissen. „Er hat mit einem extremen Willen und einer Vision die Fäden in der Hand gehabt“, sagt Andreas Wellinger, den Schuster zu zwei Olympiasiegen geführt hat. Das Team-Gold in Sotschi und das Einzel-Gold in Pyeongchang waren die wohl größten Sternstunden Schusters, der 2008 ohne große Erfahrung das taumelnde Team übernommen hatte, nach einem Debakel bei seiner Premieren-WM 2009 in Liberec (Platz zehn im Mannschaftswettbewerb) fast schon erledigt war und nun als einer der erfolgreichsten WintersportBundestrainer abtreten wird.
Seinem Nachfolger, der wohl Stefan Horngacher heißen wird, kann Schuster die Gewissheit mitgeben, dass er das deutsche Skispringen diesmal nicht aus Trümmern auferstehen lassen muss. Und in dieser Gewissheit kann sich Schuster, dem Angebote des DSV und aus seinem Heimatland vorliegen, beruhigt neu sortieren. „Ich denke, ein bisschen Pause ist ganz gut, denn die Ereignisse überschlagen sich im Leben eines Cheftrainers“, sagt Schuster über seine Pläne ab Tag 3769: „Das muss alles erstmal sacken.“(sid)
Horngacher wird wohl Nachfolger