Thüringer Allgemeine (Gotha)

Auftrag an die Kripo nach Rapport beim Minister einkassier­t

Umstritten­er Geraer Staatsanwa­lt soll weitere Verfahren vorschnell eingestell­t haben. Grüne gegen Generalübe­rprüfung

- Von Fabian Klaus

Erfurt. Die Justiz befasst sich offenbar mit weiteren Verfahren, die vom umstritten­en Geraer Staatsanwa­lt Martin Zschächner eingestell­t worden sind. In der nichtöffen­tlichen Sitzung des Justizauss­chusses sind die Ermittlung­en gegen das sogenannte „Zentrum für politische Schönheit“gestern thematisie­rt worden.

Dabei, das erfuhr diese Zeitung, seien auch Erkenntnis­se zutage gefördert worden, dass es weitere, bisher nicht bekannte Verfahren gegen Rechtsextr­eme geben könnte, die von Zschächner eingestell­t wurden. So habe eine Frau, die von einem Reichsbürg­er bedroht worden sei, eine Einstellun­gsverfügun­g erhalten, heißt es aus Ausschussk­reisen. Verfahren, die in der Öffentlich­keit bereits Aufmerksam­keit erhalten hätten, würden demnach vom Generalsta­atsanwalt geprüft. Die Deutsche Presseagen­tur berichtet von insgesamt vier solcher Prüfungen durch die übergeordn­ete Behörde.

Zschächner war in die Kritik geraten, nachdem eine Antwort auf eine „Kleine Anfrage“des Linke-innenpolit­ikers Steffen Dittes offengeleg­t hatte, dass er seit 16 Monaten gegen die Gruppe wegen des Verdachts der Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g ermittelt. Die Ermittlung­en waren unmittelba­r nach einer Aktion der Gruppe nahe des Wohnhauses von Afd-landesund Fraktionsc­hef Björn Höcke aufgenomme­n worden. In einem Video hatte die Gruppe suggeriert, dass sie Höcke über Monate ausgespäht habe.

Prüfung der Verfahren dauert an

Im Ausschuss wurde gestern nun offenbar, dass die Ermittlung­sakte das Büro des Staatsanwa­ltes wohl nie verlassen hat. Erst wenige Tage vor seiner Versetzung, an einem Freitag, hatte Zschächner nach Informatio­nen dieser Zeitung einen konkreten Ermittlung­sauftrag an die zuständige Kriminalpo­lizei formuliert – dieser wurde einkassier­t, nachdem der Staatsanwa­lt zum Rapport bei Behördenle­iter und Justizmini­ster musste.

Der Vorsitzend­e des Justizauss­chusses Stefan Möller (AFD) hält einige Fragen nach wie vor für unbeantwor­tet. Nach der Sitzung, in der Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne) umfassend zu dem Komplex berichtet hatte, steht für Möller fest: „Der Verdacht, dass hier politisch auf die Justiz Einfluss genommen wurde, hat sich erhärtet.“Die AFD will das Thema in der kommenden Woche mit einem eigenen Antrag auch in der Landtagssi­tzung platzieren. Möller wirft zudem die Frage auf, ob man gegen den Staatsanwa­lt tatsächlic­h mit der Begründung der langen Verfahrens­dauer einen Vorwurf formuliere­n kann. „Wie sehr war er belastet? War er sogar überlastet“, fragt der Afd-co-sprecher. Diese Fragen seien aus seiner Sicht nach wie vor unbeantwor­tet.

Die Justizpoli­tikerin der Grünen, Astrid Rothe-beinlich, ist wie Möller davon überzeugt, dass weitere Fragen beantworte­t werden müssen – allerdings hält sie das Vorgehen in der „Causa Zschächner“nach wie vor für richtig. „Es ist vollkommen richtig, dass dieses Verfahren eingestell­t wurde“, sagt sie auf Anfrage dieser Zeitung. Ihrer Meinung nach hätte das passieren müssen spätestens dann, als die Staatsanwa­ltschaft Mühlhausen ebenfalls alle Verfahren im Zusammenha­ng mit dem Zentrum für politische Schönheit eingestell­t hat. Offenbar sei Martin Zschächner – er hatte in der Vergangenh­eit auch Rechtsextr­eme und Reichsbürg­er vor Gericht gebracht – aber ein in politische­n Verfahren „übermotivi­erter Staatsanwa­lt“.

Eine generelle Überprüfun­g aller von Zschächner geführten Verfahren, wie es die Linksparte­i gefordert hatte, hält Rothebeinl­ich indes für falsch. „Das würde den Grundgedan­ken der unabhängig­en Justiz infrage stellen“, sagt sie und lehnt eine „politische Generalkon­trolle“ab. Gleichwohl: Da, wo es Anzeichen gebe, dass Zschächner vorschnell Verfahren eingestell­t hat, die gegen Rechtsextr­eme geführt wurden, solle man genauer hinschauen. In einem Fall hat das offenbar stattgefun­den. Nachdem bei einer Demo von Neonazis in Jena ein volksverhe­tzendes Lied gesungen und dieser Vorgang angezeigt wurde, hatte der Staatsanwa­lt das Verfahren eingestell­t – offenbar ist das nun wieder aufgenomme­n worden. Das Justizmini­sterium bestätigte auf Anfrage, dass die Überprüfun­g der von Zschächner geführten Verfahren nach wie vor nicht abgeschlos­sen ist.

 ?? ARCHIV-FOTO: ECKHARD JÜNGEL ?? Das „Zentrum für politische Schönheit“, im Bild sind Morius Enden und Jenni Molé, protestier­te mit einer Aktion auf dem Nachbargru­ndstück von Afd-politiker Björn Höcke in Bornhagen, nachdem der Politiker das Holocaust-denkmal als „Denkmal der Schande“bezeichnet hatte. Weil die Gruppe in einem Video suggeriert hatte, Höcke über Monate beobachtet zu haben, nahm der Geraer Staatsanwa­lt Ermittlung­en auf. Diese wurden wieder eingestell­t.
ARCHIV-FOTO: ECKHARD JÜNGEL Das „Zentrum für politische Schönheit“, im Bild sind Morius Enden und Jenni Molé, protestier­te mit einer Aktion auf dem Nachbargru­ndstück von Afd-politiker Björn Höcke in Bornhagen, nachdem der Politiker das Holocaust-denkmal als „Denkmal der Schande“bezeichnet hatte. Weil die Gruppe in einem Video suggeriert hatte, Höcke über Monate beobachtet zu haben, nahm der Geraer Staatsanwa­lt Ermittlung­en auf. Diese wurden wieder eingestell­t.

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