Auftrag an die Kripo nach Rapport beim Minister einkassiert
Umstrittener Geraer Staatsanwalt soll weitere Verfahren vorschnell eingestellt haben. Grüne gegen Generalüberprüfung
Erfurt. Die Justiz befasst sich offenbar mit weiteren Verfahren, die vom umstrittenen Geraer Staatsanwalt Martin Zschächner eingestellt worden sind. In der nichtöffentlichen Sitzung des Justizausschusses sind die Ermittlungen gegen das sogenannte „Zentrum für politische Schönheit“gestern thematisiert worden.
Dabei, das erfuhr diese Zeitung, seien auch Erkenntnisse zutage gefördert worden, dass es weitere, bisher nicht bekannte Verfahren gegen Rechtsextreme geben könnte, die von Zschächner eingestellt wurden. So habe eine Frau, die von einem Reichsbürger bedroht worden sei, eine Einstellungsverfügung erhalten, heißt es aus Ausschusskreisen. Verfahren, die in der Öffentlichkeit bereits Aufmerksamkeit erhalten hätten, würden demnach vom Generalstaatsanwalt geprüft. Die Deutsche Presseagentur berichtet von insgesamt vier solcher Prüfungen durch die übergeordnete Behörde.
Zschächner war in die Kritik geraten, nachdem eine Antwort auf eine „Kleine Anfrage“des Linke-innenpolitikers Steffen Dittes offengelegt hatte, dass er seit 16 Monaten gegen die Gruppe wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Die Ermittlungen waren unmittelbar nach einer Aktion der Gruppe nahe des Wohnhauses von Afd-landesund Fraktionschef Björn Höcke aufgenommen worden. In einem Video hatte die Gruppe suggeriert, dass sie Höcke über Monate ausgespäht habe.
Prüfung der Verfahren dauert an
Im Ausschuss wurde gestern nun offenbar, dass die Ermittlungsakte das Büro des Staatsanwaltes wohl nie verlassen hat. Erst wenige Tage vor seiner Versetzung, an einem Freitag, hatte Zschächner nach Informationen dieser Zeitung einen konkreten Ermittlungsauftrag an die zuständige Kriminalpolizei formuliert – dieser wurde einkassiert, nachdem der Staatsanwalt zum Rapport bei Behördenleiter und Justizminister musste.
Der Vorsitzende des Justizausschusses Stefan Möller (AFD) hält einige Fragen nach wie vor für unbeantwortet. Nach der Sitzung, in der Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) umfassend zu dem Komplex berichtet hatte, steht für Möller fest: „Der Verdacht, dass hier politisch auf die Justiz Einfluss genommen wurde, hat sich erhärtet.“Die AFD will das Thema in der kommenden Woche mit einem eigenen Antrag auch in der Landtagssitzung platzieren. Möller wirft zudem die Frage auf, ob man gegen den Staatsanwalt tatsächlich mit der Begründung der langen Verfahrensdauer einen Vorwurf formulieren kann. „Wie sehr war er belastet? War er sogar überlastet“, fragt der Afd-co-sprecher. Diese Fragen seien aus seiner Sicht nach wie vor unbeantwortet.
Die Justizpolitikerin der Grünen, Astrid Rothe-beinlich, ist wie Möller davon überzeugt, dass weitere Fragen beantwortet werden müssen – allerdings hält sie das Vorgehen in der „Causa Zschächner“nach wie vor für richtig. „Es ist vollkommen richtig, dass dieses Verfahren eingestellt wurde“, sagt sie auf Anfrage dieser Zeitung. Ihrer Meinung nach hätte das passieren müssen spätestens dann, als die Staatsanwaltschaft Mühlhausen ebenfalls alle Verfahren im Zusammenhang mit dem Zentrum für politische Schönheit eingestellt hat. Offenbar sei Martin Zschächner – er hatte in der Vergangenheit auch Rechtsextreme und Reichsbürger vor Gericht gebracht – aber ein in politischen Verfahren „übermotivierter Staatsanwalt“.
Eine generelle Überprüfung aller von Zschächner geführten Verfahren, wie es die Linkspartei gefordert hatte, hält Rothebeinlich indes für falsch. „Das würde den Grundgedanken der unabhängigen Justiz infrage stellen“, sagt sie und lehnt eine „politische Generalkontrolle“ab. Gleichwohl: Da, wo es Anzeichen gebe, dass Zschächner vorschnell Verfahren eingestellt hat, die gegen Rechtsextreme geführt wurden, solle man genauer hinschauen. In einem Fall hat das offenbar stattgefunden. Nachdem bei einer Demo von Neonazis in Jena ein volksverhetzendes Lied gesungen und dieser Vorgang angezeigt wurde, hatte der Staatsanwalt das Verfahren eingestellt – offenbar ist das nun wieder aufgenommen worden. Das Justizministerium bestätigte auf Anfrage, dass die Überprüfung der von Zschächner geführten Verfahren nach wie vor nicht abgeschlossen ist.