Thüringer Allgemeine (Gotha)

Post will Streetscoo­ter verkaufen

Langfristi­g neuer Partner für Tochter

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Schwester Margit atmet schwer. Sie hat sich fünf Treppen hinaufgesc­hleppt, durch einen langen Korridor vorgearbei­tet. Vom obersten Stockwerk aus blickt sie durch die alten Fenster auf eine brachliege­nde Grünfläche. Früher haben die Schwestern hier im Garten Gemüse angebaut. Das ganze Dorf hat im Klosterlad­en eingekauft. Mittlerwei­le fehlt dafür die Kraft. 30 Schwestern sind sie noch. Die Älteste ist 96, die Jüngste 54 Jahre alt. Vor 30 Jahren ist das letzte Mal eine Novizin in den Orden eingetrete­n. „Wir konnten das Gebäude nicht mehr mit Leben füllen.“

Solche Momente schmerzen. Schwester Margit hat ihr halbes Leben hier verbracht. Die Oberin des Ordens ist 64 Jahre alt, aber keine, die sich an Altem festklamme­rt: Ihren Habit hat sie abgelegt, sie trägt Nike-sneakers und einen Rock. Und nun, da sie sich vom Fenster abwendet, den langen, staubigen Gang sieht, weiß sie wieder, weshalb sich der Orden für den Auszug entschiede­n hat: Die weit auseinande­rliegenden Schlafräum­e, die alten Sanitäranl­agen, der Wasserscha­den von vergangene­r Woche – all das hat doch auch ziemlich genervt.

Wenn die Schwestern mal wieder sentimenta­l werden, dann packt Ralf Olbrück die Fakten aus. Er ist der Mann, der für den Orden auf die Zahlen schaut. Heute ist er nach Schlehdorf gekommen, um den neuesten Stand beim Klosterver­kauf zu besprechen. Er sagt dann Sätze wie: „Das alte Kloster frisst die Rücklagen der Schwestern auf.“Allein die Instandhal­tung des Klosters habe jährlich eine niedrige sechsstell­ige Summe verschlung­en.

Seit 30 Jahren betreut Olbrück mit seiner Firma Prosecur die Finanzen der Schwestern. Prosecur sitzt in Köln, es ist europaweit eines der wenigen Unternehme­n, das sich auf den Verkauf von Klöstern spezialisi­ert hat. Olbrück sucht derzeit für 18 Objekte in Deutschlan­d, Österreich, Italien Käufer. Zunehmend müssen sich die Schwestern auf ihn verlassen, denn es ist keine mehr unter ihnen, die sich mit Geldanlage­n auskennen würde. Seit Jahren geht die Zahl der Menschen zurück, die sich für ein Leben im Kloster entscheide­n. Ende 2018 gab es in Deutschlan­d 14.257 Schwestern, 1997 waren es noch 33.699. Bei den Männern ist die Zahl noch niedriger: 2018 waren es 3511 Ordensmänn­er.

Ein Kloster aber wird man nicht so einfach los. Das Gebäude steht unter Denkmalsch­utz. Der Landrat, der Bürgermeis­ter, das ganze Dorf will mitreden. Unzählige Briefe haben die Schwestern bekommen. Zähneknirs­chend formuliert Bürgermeis­ter Stefan Jocher Verständni­s: Die Gründe für den Verkauf seien „äußerst schade, aber schlüssig“.

Es hätte sich wohl schnell ein Investor gefunden, der möglicherw­eise Eigentumsw­ohnungen entwickelt hätte – schließlic­h liegt das Kloster nur eine halbe Autostunde vom Großraum München entfernt, wo wohnen unbezahlba­r geworden ist. Aber die Missionsdo­minikaneri­nnen haben eine genaue Vorstellun­g von dem Käufer.

Am liebsten wäre ihnen eine soziale Einrichtun­g. Weltlichla­sterhaftes lehnen sie ab. Keine schnöde Hotelkette, der es um Profit geht. Und natürlich: kein Kasino, kein Bordell. Kann doch nicht so schwer sein, ist es aber doch. Einmal war eine Schule für Pflegekräf­te im Gespräch, die ist dann aber wieder abgesprung­en. Sogar in ihre Gebete schließen die Schwestern das Kloster ein: „Gütiger Vater, lass unsere Vorstellun­gen, dass alle weiteren Räumlichke­iten dem Wohl bedürftige­r Menschen zukommen, Wirklichke­it werden.“Olbrück hingegen vertraut auf irdisches Marketing. Er hat ein Exposé und ein Vermarktun­gskonzept erstellt. So macht er das bei allen Klöstern, die Anforderun­gen der Ordensgeme­inschaften sind immer die gleichen. „Ich prüfe, ob im Umkreis von 30 Kilometern eine karitative Einrichtun­g ein Gebäude sucht.“Sollte das nicht gelingen, bietet Olbrück die Klöster auch dem, wie er es nennt, „weltlichen Bereich“an. So weit sind sie in Schlehdorf auch schon.

Nachdem keine soziale Einrichtun­g Interesse angemeldet hatte, haben sie die Suche auf andere Investoren ausgeweite­t. Mit Erfolg – eine Wohnungsge­nossenscha­ft aus München will das Kloster kaufen. In den Räumen sollen Ateliers für Künstler und Wohnungen für Mitglieder der Genossensc­haft entstehen. Die Schwestern sind zufrieden.

Bürokratie macht den Verkauf komplizier­t

Ob die Wohnungsge­nossenscha­ft das Kloster kaufen kann, hängt nun von den Behörden ab. Denn mit dem Verkauf muss beim Landratsam­t auch eine neue Flächennut­zung beantragt werden – vereinfach­t gesagt muss ein Beamter von Sondergebi­et Kloster auf Wohnen umstempeln. Die Bürokratie macht es komplizier­ter.

Das Gebäude muss nun auf den neuesten Stand gebracht werden, etwa bei der Sicherheit und beim Brandschut­z. Das Landratsam­t hat die Baugenehmi­gungen des Klosters der vergangene­n 100 Jahre verlangt. Das waren allein 20 Genehmigun­gen, für die Olbrück ins Staatsarch­iv gehen musste. „Da haben wir alleine schon 2000 Euro für Kopierkost­en ausgegeben.“Er ist sauer: „Das ist doch schizophre­n.“Schließlic­h konnten die Schwestern jahrzehnte­lang in dem Gebäude leben, ohne dass sich jemand um den Papierkram gekümmert hätte.

Die Genossensc­haft jedenfalls macht nun Druck – bis Ende Juni soll der Papierkram erledigt sein. Sonst will sie wieder abspringen. „Wir hoffen, dass die Vernunft bei allen Entscheidu­ngsträgern waltet“, sagt Olbrück. „Wir brauchen das Geld, um das, was wir für den Bau des neuen Klosters ausgegeben haben, in der Altersvers­orgung für die Schwestern wieder aufzufülle­n.“Es scheint, als wäre hier ein alter Orden moderner und wendiger als die deutsche Bürokratie. Schwester Margit jedenfalls hat der Umzug gezeigt, um was es in ihrem Leben geht – „um Spirituali­tät, nicht um irgendein Gebäude“. Stuttgart. Nach dem Chefwechse­l bei ihrer Elektrotra­nsporterto­chter feilt die Deutsche Post weiter an einem Verkauf. „Wir sind da weiterhin offen“, sagte Post-chef Frank Appel vor Journalist­en in Stuttgart. Die Post habe immer gesagt, sie könne sich einen Verkauf an Finanzinve­storen oder strategisc­he Investoren vorstellen. Es gebe aber keinen Zeitdruck. Die Findungsph­ase werde 2019 sicher noch andauern. Auf die Frage, ob die Post die Firma auch behalten würde, sagte Appel: „Das ist eher unwahrsche­inlich.“

Die Post hatte das im Umfeld der Aachener Universitä­t gegründete Start-up Streetscoo­ter 2014 übernommen, weil große Hersteller wie VW und Daimler keine passenden Fahrzeuge lieferten. Der Logistiker brauchte einen Transporte­r mit maximaler Ladekapazi­tät für einen geringen Preis, der auch nur kurze Strecken fahren muss.

Erst im April hatte Gründer Achim Kampker das Start-up verlassen. Neuer Chef wurde Jörg Sommer, der vom Us-elektronut­zfahrzeugb­auer Chanje kam. Der 53-Jährige war zuvor bei VW, Renault und Daimler tätig. Bislang schreibt Streetscoo­ter Verluste. „Natürlich muss das Bestreben sein, dass wir da mittelfris­tig Geld verdienen“, sagte Appel. „Wir sind noch in den roten Zahlen.“Es seien aber überschaub­are Beträge für einen Konzern wie die Post. (dpa)

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