Polizeieinsatz gegen friedlichen Protest
Menschen werden in den Würgegriff genommen und Behörden drücken sich vor Widerstand gegen Rechts
ist für Versammlungen: Es ist eng an der Ecke zur Klosterstraße, der Verkehrsfluss hat es dort auch ohne Menschengruppen schwer. Die AFD wählte den Ort mit Bedacht, denn er befindet sich im alten jüdischen Viertel Gothas: Genau hier wollte man demokratieverachtende, nationale Parolen laut werden lassen.
Zwei Dinge will ich dazu sagen:
1. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist hohes und hart erkämpftes Gut, es gilt auch im öffentlichen Raum. Eine Genehmigungsbehörde sollte allerdings die Sensibilität besitzen, die Jüdenstraße davor zu schützen, dass dort jener Geist weht, der ermöglichte, dass die Juden unserer Stadt vertrieben und umgebracht wurden. Das Problem beginnt mit dem gesprochenen Wort, mit dem Ausdehnen der Grenzen, es beginnt mit dem Formulieren des Ungehörigen am historisch sensiblen Ort oder in der alltäglichen Lebenswirklichkeit – so als wäre es normal.
Ich vermisse seitens der Behörden der Stadt und des Landkreises den erkennbar (politischen) Willen, alles nur Denkbare gegen solche Ansinnen zu tun. Dazu gehört für mich die Bereitschaft eines Amtes, sich gegebenenfalls eine Klage einzuhandeln. Es wird von Entscheidungsträgern gern darauf verwiesen, dass die Gerichte ja sowieso …, und dann könnte man ja gleich … Nein! Der Versuch von dezidiertem Widerstand mit allen Finessen ist notwendig.
2. Die Veranstaltung der AFD war keine geschlossene Gesellschaft, sondern wurde ausdrücklich als Kommunalwahlveranstaltung beworben. Da muss Widerspruch zugelassen sein. Trotzdem verwehrte die Polizei, die den Platz lange Zeit vorab sicherte (die in der Veranstaltung liegende Provokation war also behördlicherseits als absehbar eingeordnet), Bürgern der Stadt den Zugang und verdrängte schließlich den lauten, aber friedlichen Protest gewaltsam. Es wurden Menschen, Frauen, zu Boden geworfen, andere hart in den Würgegriff genommen.
Die Tatsache, dass ich in unserem Land wiederum Polizisten gegenüberstehe, weil sich Behörden zuvor um eine Position klarer Kante gedrückt haben, betrübt mich. Meine Einladung zum zeitgleichen Myconiusempfang konnte ich nicht wahrnehmen.
Dass eine Stadt sich selbst feiert, sich einen schönen Abend hinter geschlossenen Türen macht, während die Atmosphäre auf den Straßen sich schleichend verändert, ist für mich ein mit Befürchtungen behaftetes Bild. Ich habe Sorge, dass die Geschichte sich wiederholen könnte. Es begann damals so ähnlich!
Von Friedemann Witting aus Gotha