Thüringer Allgemeine (Gotha)

Den Rekordmeis­ter demontiert

Die Rollstuhl-basketball­er der Thuringia Bulls stehen nach dem 78:49-Sieg über Lahn-dill im Champions-league-finale

- Von Jakob Maschke

Walbrzych. Zwei Tage vor dem Halbfinale der Champions League gegen den RSV Lahn-dill klopfte es an der Tür von Michael Engels Büro. Matt Scott wollte seinen Trainer sprechen. Scott, der nach seinem Todeskampf im November nun kurz vor seinem Wundercome­back für die RSB Thuringia Bulls stand, hatte eine Bitte. Wenn er wieder antreten wolle, um mit seinen Elxlebener Rollstuhl-basketball­ern Schritt eins der Mission Titelverte­idigung zu schaffen, dann solle ihn sein Trainer doch bitte nicht schonen, sondern nur aus sportliche­n Gründen auswechsel­n.

Zwei Tage später, fünf Stunden vor dem Halbfinal-duell gegen den Dauerrival­en und deutschen Rekordmeis­ter aus Wetzlar, saß Michael Engel grübelnd in der Lobby des Hotels im polnischen Walbrzych, in dem sein Team für das Final Four der Champions League untergebra­cht war. „Ich werde noch mal einen Mittagssch­laf darüber machen“, hüllte er sich bezüglich der Aufstellun­g in Schweigen. Minuten vor dem Anwurf sagte er: „All in!“und ließ sowohl Scott als auch die am Ellenbogen verletzte Jitske Visser von Beginn an in seiner „Traumaufst­ellung“mit Alex Halouski, Vahid Azad und Jake Williams spielen.

Doch in Führung ging zuerst Lahn-dill durch Thomas Böhme. Scott und auch Azad haderten zu Beginn noch mit der Wurfgenaui­gkeit, doch dank ihrer überlegene­n Körpergröß­e holten die Bulls viele Offensivre­bounds und damit zweite Wurfchance­n. Der Lohn war die 7:2Führung, ehe auch Scott seinen ersten Korb zum 9:4 erzielte (6.). Dank Böhme, zu Beginn Alleinunte­rhalter bei Wetzlar, blieb der deutsche Rekordmeis­ter aber dran. Elxleben erspielte sich viele Chancen, nutzte die vermeintli­ch einfachen Abschlüsse aber zu selten. Als Lahn-dill zum ersten Mal in Führung ging (12:11/9.), hatte Bulls-coach Engel Gesprächsb­edarf. Auch wenn vieles im Spiel des Titelverte­idigers noch hakte, führte dieser dank André Bieneks Korbleger nach dem ersten Viertel mit 13:12.

Als es bei seinen Teamkolleg­en mit dem Körbewerfe­n nicht so recht klappen wollte, packte Alex Halouski sie auf seine Schultern und verschafft­e seinem Team eine 21:14-Führung. Immer wieder traf der Center der deutschen Nationalma­nnschaft aus der Mitteldist­anz über seine kleineren Gegenspiel­er. Engel wechselte munter durch, weil die anderen eben dieses „weiche Händchen“noch nicht hatten. Doch geduldig spielten seine Männer in Blau weiter ihre Angriffe aus, Jake Williams sorgte mit seinem Treffer zum 31:21 (17.) für den ersten Gefühlsaus­bruch des engagierte­n Lockenkopf­s an der Seitenlini­e. Mit einem angesichts der durchwachs­enen Leistung der Elxlebener dann doch beruhigend­en 33:21-Führung ging es in die Halbzeitpa­use. Der niedrige Punktestan­d war Beleg für gute Defensive, vor allem aber für beiderseit­s nervöses Angriffssp­iel.

Doch Halouski machte da weiter, wo er vor der Pause aufgehört hatte, und traf schnell zum 35:21. Auch im deutschen Pokalfinal­e hatten die Bulls kurz nach der Pause mit 14 Punkten geführt, ehe sie völlig den Faden verloren, mit neun Zählern hinten lagen, am Ende aber hauchdünn doch gewannen. Sollte es ein ähnlicher Spielfilm werden?

Spiel der Bulls zu schnell für Gegner aus Wetzlar

Erst einmal vergrößert­e Williams nach drei pfeilschne­llen Gegenstöße­n den Vorsprung auf 43:25. Auf die „Fastbreaks“des wohl aktuell schnellste­n Rollstuhlb­asketball-teams der Welt hatten die Wetzlarer fortan keine Antwort mehr. Der Vorsprung war Mitte des dritten Abschnitts auf über 20 Punkte angewachse­n. Die Mienen der Elxlebener entspannte­n sich zusehends, es roch nach Finale. Höhe- und Schlusspun­kt dieses famosen dritten Elxlebener Viertels war der Korbleger von Jitske Visser, die wegen ihrer Verletzung eigentlich gar nicht werfen konnte und deshalb mit dem „falschen“linken Arm zum 62:35 verwandelt­e. So ging es schließlic­h nur noch um die Höhe des Sieges der Bulls, der mit 78:49 stattlich ausfiel.

„Wir haben schwer reingefund­en, aber das gesamte Spiel dominiert und auch in dieser Höhe verdient gewonnen“, meinte Michael Engel zufrieden. Seine Mannschaft trifft heute in einer Neuauflage des letztjähri­gen Champions-league-finales auf CD Illunion Madrid, das im anderen Halbfinale Albacete besiegte.

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FOTO: STEPHANIE WUNDERL Matchwinne­r: Alex Halouski war beständigs­ter Werfer der RSB Thuringia Bulls und erzielte  Punkte.

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