Thüringer Allgemeine (Gotha)

Natürliche Vorzüge

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Als Caster Semenya nach ihrem Wm-triumph 2017 in London über 800 Meter als Letzte in den Interview-bereich kam, war es wie ein Schock. Auf zierliche Frauen folgte das maskuline Kraftpaket aus Südafrika. Doch die heute 28-Jährige gewann mit ihrer freundlich­en und offenen Art sofort alle Sympathien, ließ als Doppel-olympiasie­gerin keinerlei Star-allüren erkennen.

Gestern Abend in der Diamond League in Doha könnte sie nun ihren letzten großen Auftritt gehabt haben, weil der Leichtathl­etik-weltverban­d IAAF ab 8. Mai als Regel vorschreib­t, dass Frauen auf bestimmten Strecken (400 m bis zu einer Meile) einen Testostero­nwert von fünf Nanomol pro Liter einhalten müssen. Der Internatio­nale Sportgeric­htshof CAS bestätigte diese Vorschrift, obwohl er sie selbst als „diskrimini­erend“empfindet.

Die komplizier­te Frage lautet: Wo fängt fairer Sport an? Semenya hat ohne Frage durch ihren natürlich hohen Testostero­nhaushalt, sie überschrei­tet den Wert deutlich, gegenüber den Konkurrent­innen einen Vorteil. Doch sie hat ihn sich nicht absichtlic­h verschafft, er ist ihr von Natur ausgegeben.

Wo führen solche Regelungen jetzt hin? Es gibt Studien, die belegen, dass aus Afrika stammende Menschen mehr Muskelmass­e als beispielsw­eise Europäer haben. Müssen die jetzt bewusst Muskeln abbauen, um einen fairen Ausgleich zu schaffen?

Fest steht: Die IAAF hat durch diese sehr umstritten­e Regelung eine Tür aufgestoße­n, die besser zugebliebe­n wäre. Dabei ist die Frage nach fairem Sport eigentlich ganz einfach: Wen eine Person leistungss­teigernde Mittel nimmt, um zu gewinnen, sprich dopt, handelt sie unfair. Wen sie aber von Natur aus gewisse Vorzüge, man könnte auch sagen Talente hat, kann sie nicht dafür bestraft werden, wenn sie diese optimal nutzt.

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