Thüringer Allgemeine (Gotha)

... die Gabel

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Tausendmal gesehen, tausendmal benutzt – viele Dinge im Haushalt erscheinen uns ganz selbstvers­tändlich. Doch es lohnt sich, sie einmal genauer zu betrachten. Wie so häufig, taucht auch die Gabel zum ersten Mal in der Antike auf. Allerdings sollte es noch Jahrhunder­te dauern, bis sich die zwei-, drei- oder vierzinkig­en Essbesteck­e durchsetzt­en. Ein Grund war die fehlendeno­twendigkei­t–fürdas einfache Volk gab es ohnehin fast nur Brei oder Brot zu essen. Außerdem hatte vor allem der Klerus einiges an dem Esszubehör auszusetze­n. Der erste schriftlic­he Bericht über Gabeln stammt aus dem 11. Jahrhunder­t. Kirchenleh­rer Petrus Damiani bezeichnet­e sie als „sündhafte Verweichli­chung“. Empört stellte er die Frage, wie jemand es wagen könne, die göttlichen Speisen nicht mit den ebenfalls von

Gott gegebenen Händen anzufassen. Hildegard von Bingen verbannte sie ganz aus ihren Klöstern und Martin Luther sagte: „Gott behüte mich vor Gäbelchen.“Dazu passt die Tischregel, die Gabel nicht mit den Zacken nach oben zu halten, um die Engel nicht aufzuspieß­en.

Dekadent, weibisch und, als dreizackig­e Variante, Symbol des Teufels – kein Wunder, dass die Gabel zunächst nur wenige Freunde fand. Selbst Sonnenköni­g Ludwig XIV. beharrte darauf, mit den Fingern zu essen. Etwas geläufiger wurde das Essbesteck dann ab dem 16. Jahrhunder­t. Durch die Industrial­isierung im 19. Jahrhunder­t wurde die Gabel dann auch für die breite Bevölkerun­g erschwingl­ich – und die schon seit Urzeiten geläufigen Messer und Löffel fanden mit der neueren Gabel zum Dreiklang. Übrigens isst auch heute nur ein Sechstel der Weltbevölk­erung mit Besteck. Ein Drittel bedient sich der Essstäbche­n und der Rest benutzt wie eh und je die Hände. (jh)

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FOTO: ISTOCK/FOTOSYLVIE

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