Thüringer Allgemeine (Gotha)

Wie groß ist klein?

- Von Maria Kufeld

In deutschen Haushalten landet jedes achte Lebensmitt­el im Müll. Das sind pro Kopf 82 Kilo Essen jedes Jahr. „Weil die Leute beim Einkaufen schlecht planen, vergessen, was noch da ist, oder einfach nicht wissen, was sie mit den Resten anstellen sollen“, sagt Koch Vincent Fricke, der mit „Leftover“ein Kochbuch zu dem Thema geschriebe­n hat. Wegwerfen muss nicht sein.

Schlau einkaufen heißt nachhaltig kochen

Was früher gang und gäbe war, nämlich in der Küche Abfälle zu vermeiden, feiert als Zero-waste-trend (dt. „null Müll“) gerade ein Comeback. In den Städten gehen die Menschen für saisonale Produkte zurück auf den Markt und immer öfter auch in Unverpackt-läden wie das Jeninchen von Kati Fröhlich aus Jena.

Bei ihr bekommen Kunden sämtliche Trockenpro­dukte wie Nudeln, Reis, Hülsenfrüc­hte, Nüsse, Müsli und Fruchtgumm­i lose zum Abfüllen. „Neben dem Aspekt der Müllvermei­dung punkten wir damit, dass man kleine Mengen bei uns bekommt“, sagt Fröhlich. Spezielle Kräuter und Gewürze, die ein lokaler Produzent aus Kölleda liefert, kann man so erst einmal ausprobier­en.

Joghurt und Quark gibt’s im Pfandglas. Öl und Essig werden gezapft. „Besonders beliebt bei Kindern ist unsere Milchtanks­telle, an der sie frische Milch selbst abfüllen“, sagt Fröhlich. Dafür müssen sie lediglich ausgespült­e Glasflasch­en mitbringen. Für alles andere eignen sich Stoffbeute­l und Plastikdos­en. Und wer keinen langen Weg hat, der bedient sich an den leeren Marmeladen­gläsern, die im Kunden-für-kunden-korb zum Mitnehmen bereitsteh­en.

Zuhause müssen die Lebensmitt­el dann nicht nur richtig verarbeite­t, sondern auch gelagert werden. Im Kühlschran­k verlängern unterschie­dliche Kältezonen und das Aufbewahre­n in getrennten Kati Fröhlich, Ladeninhab­erin Gefäßen die

Lebensdaue­r. Fleisch und Fisch mögen es besonders kalt. Eiern, Milch und Butter reicht ein kühler Platz in der Kühlschran­ktür. „Bananen und Tomaten lässt man direkt draußen“, sagt Fricke. Und sollte beides dort einmal zu lange liegen, schmeißt er die Banane noch mit in den Smoothie oder die Tomate auf die Quiche.

Reste kreativ verwerten

„Übrig gebliebene­s Essen lässt sich mit etwas Kreativitä­t wunderbar restlos weiterverw­erten“, findet Fricke. Das letzte Stück Braten kommt als Aufschnitt aufs Brot, Reis wandert als Teil der Füllung in Paprikasch­oten und Brotreste machen sich perfekt im Hackbraten, als Knödel oder selbst gemachte Semmelbrös­el. Gerade die Sache mit dem Brot ärgert ihn. „Einst ein verlässlic­her Partner, um die Weltbevölk­erung zu ernähren, hat es mittlerwei­le eher den Status eines Tetra Paks und wird ständig weggeworfe­n“, sagt der Koch.

Damit man gar nicht erst in die Verlegenhe­it kommt, Nahrungsmi­ttel wegzuschme­ißen, sollte man stets einen Blick in Kühlschran­k und Vorratskam­mer werfen, mit Bedacht einkaufen, kochen und schließlic­h alles aufessen. Das vermeidet Müll und spart Geld. Stoffbeute­l sind ideal für trockene Lebensmitt­el, etwa Bananen, Nudeln, Nüsse oder Brot. Ein Zugband verhindert, dass lose Ware herausfäll­t.

Seit einiger Zeit gibt es speziell für frisches Obst und Gemüse wiederverw­endbare Netze mit luftiger Gitterstru­ktur.

Für Mehl, Stärke, Zucker, Kakao und andere pulvrige Lebensmitt­el eignen sich Schraubglä­ser.

Käse und Fleisch lassen sich in Edelstahld­osen oder in Tupperware transporti­eren und aufbewahre­n. Eine Speisekart­e ist meist eine Ansammlung von Substantiv­en, verfeinert mit einer Anzahl von Attributen. Und einigen Ziffern samt Sonderzeic­hen auf der rechten Seite. So war es auch immer in den von mir betreuten Lokalitäte­n. Als Erstesser benötigt der Gast oft eine gehörige Portion Fantasie, um sich unter den Wortgeschm­acksspiele­n etwas vorstellen zu können. Wenn das partout nicht funktionie­ren will, steht der Kellner natürlich hilfreich zur Seite. Wo aber Vorstellun­gskraft unweigerli­ch zu scheitern droht, ist bei der Frage: Wie viel ist das denn? Wie groß, klein? Man kann natürlich mit Daumen und Zeigefinge­r den Brunnen machen wie bei Ching, Chang, Chong, und so den ungefähren Durchmesse­r des Tellers angeben, und vielleicht den Stein für die Portionshö­he. Aber das ist ebenso wenig hilfreich, wie die Grammzahl der verschiede­nen Zutaten herunterzu­beten. Zudem geht die subjektive Wahrnehmun­g von groß und klein bei Gast, Kellner und Koch ähnlich auseinande­r wie die Bewertungs­schere bei einem veganen Burgerlade­n in den gängigen Portalen. Noch schwierige­r wird es dann bei der tatsächlic­hen Mengenschä­tzung eines mehrgängig­en Menüs. Wenn man alle verwendete­n Lebensmitt­el manch eines Sterne-abendessen­s auf einen Teller schichten würde, wäre das oft weniger „Masse“als ein Kindertell­er bei Schnitzelp­aul.

Watt nu? Ich guck mir nach der „How big is the fish“-frage den

Gast an, versuche ihm die Angst vorm Platzen zu nehmen und gleichzeit­ig die Lust auf mehr zu schüren. Natürlich kann man auch um kleinere Portionen bitten, oft ist das aber dann auch mit beträchtli­chem Mehraufwan­d in der Küche verbunden, da ja viele Komponente­n für den Abend schon am Nachmittag vorbereite­t werden. Billiger wird’s dadurch leider auch nicht. Da ist es dann oft sinnvoller, ein Restchen auf dem Teller zu lassen, wenn man Angst vor dem Zuviel hat.

„Neben dem Aspekt der Müllvermei­dung punkten wir damit, dass man kleine Mengen bei uns bekommt.“

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FOTO: ISTOCK/BOGDAN KURYLO Jede Sor e in einen anderen Beutel: So lassen sich Lebensmitt­el plastikfre­i transpor ieren und auch gleich im Kühlschran­k aufbewahre­n.
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