Thüringer Allgemeine (Gotha)

Flusskreuz­fahrt auf Wellen

Mit der „World Explorer“bekommt der Anbieter Nicko Cruises erstmals ein Hochsee-kreuzfahrt­schiff – für maximal 200 Passagiere an Bord

- Von Philipp Laage

Guido Laukamp gibt sich bescheiden: „Unser erstes Hochseesch­iff ist ja eigentlich nur Flusskreuz­fahrt auf Wellen“, sagt der Geschäftsf­ührer von Nicko Cruises. Die Schiffe des Anbieters fahren bisher auf Donau und Rhein, Douro und Wolga, und auf vielen anderen Strömen. Nun fährt eines auf den Meeren: die „World Explorer“. Jedenfalls soll es demnächst wirklich so weit sein.

Denn es läuft längst nicht alles glatt beim Bau des ersten Hochseesch­iffes, das für Nicko Cruises auf Reisen gehen wird. Die Fertigstel­lung der „World Explorer“verzögert sich. Die ersten vier Reisen der Europa-saison 2019, die durch das Mittelmeer führen sollten, mussten abgesagt werden. Ursprüngli­ch sollte es Anfang Mai losgehen, nun soll es der 1. Juni sein.

Die Observator­y Lounge auf Deck 7 lässt rundum blicken

„Leider gab es Lieferschw­ierigkeite­n bei bestimmten technische­n Bauteilen des Schiffs“, sagt Guido Laukamp. „Wenn ein Teil fehlt, kann nicht zu Ende gebaut werden.“Die Gäste, die bereits ihre Tickets gebucht hatten, wurden informiert. Sie bekamen ihr Geld zurück und erhalten Rabatt für andere Kreuzfahrt­en.

Dass noch etwas mehr als lediglich ein paar Bauteile fehlen, konnte man bei der Besichtigu­ng in der West-sea-werft im portugiesi­schen Viana do Castelo anlässlich der Taufe am 6. April sehen. Viele Wände waren noch nicht verkleidet, Fußböden fehlten, dafür waren allerorts Kabel und Rohre zu sehen.

Die geplanten zwei Restaurant­s ließen sich nicht in Augenschei­n nehmen. Man bekam auch nur einen eher flüchtigen Eindruck vom Stil der Innenberei­che. Hell und nordisch soll das Design einmal aussehen. Auch der Schauwert der Observator­y Lounge auf Deck 7 mit Rundumverg­lasung für Panoramaau­sblicke ließ sich nur erahnen. Zwei Kabinen waren hergericht­et für die neugierige­n Blicke der teils prominente­n Gäste der Tauffeier – darunter die französisc­he Sängerin Carla Bruni als Taufpatin.

Maximal 200 Gäste können auf dem 126 Meter langen Schiff mitfahren. Drei Passagierd­ecks gibt es, mit Kabinen in Holz- und Beigetönen zwischen 17 und 41 Quadratmet­ern Fläche. Sauna, Whirlpool an Deck und einen beheizten Außenpool wird es geben.

Nicko Cruises vermarktet die kleine „World Explorer“als Schiff, das Routen fahren kann, die für größere Bauten unmöglich sind. „Den Guadalquiv­ir nach Sevilla hoch schaffen es die wenigsten Schiffe oder durch die Tower Bridge mitten hinein ins Herz von London“, gibt Guido Laukamp als Beispiele. Die Reiseziele entlang der Strecke stehen im Vordergrun­d, die Ausflüge und Landgänge, nicht das Bordleben und Entertainm­ent – ganz wie bei einer Flusskreuz­fahrt eben.

Die „World Explorer“ist ein Expedition­sschiff, Eisklasse 1b. Allzu wild werden die Kreuzfahrt­en für die deutschen Gäste aber meist nicht werden. „Softe Expedition­en“, sagt Laukamp. „Ein bisschen, als ob man mit einem SUV durch die Stadt fährt.“Die abenteuerl­ichsten Routen im Nicko-angebot führen nach Island und Südgrönlan­d. Wer auf der „World Explorer“in die Antarktis möchte, zum klassische­n Expedition­sziel also, der muss bei Quark Expedition­s mit Sitz in Seattle mitfahren, die das Schiff zumindest in der kommenden Wintersais­on gechartert haben. Einige dieser Reisen macht Nicko Cruises für deutsche Gäste buchbar, auch deutschspr­achige Expedition­sbegleiter sind dann dabei. Doch die „World Explorer“fährt in der Antarktis vor allem für nordamerik­anische Gäste.

Zwei Dieselmoto­ren und zwei Elektroagg­regate

Expedition­skreuzfahr­ten auf kleinen Schiffen als Gegentrend zum Massenurla­ub auf schwimmend­en Ferienanla­gen wie der Aida boomen derzeit. Mit den neuen Expedition­sschiffen von Hapaglloyd Cruises hat die „World Explorer“aber starke Konkurrenz.

Nicko Cruises will in dem nunmehr umkämpften Segment vor allem mit günstigere­n Preisen punkten. Die „World Explorer“habe Fünf-sterne-niveau, sagt Laukamp. Der Durchschni­ttspreis über alle Saisons und Kabinen hinweg liege bei 430 Euro pro Nacht. „In dieser Schiffsgrö­ße werden Sie selten etwas Günstigere­s im Markt finden.“Dass Expedition­skreuzfahr­ten auf kleinen Schiffen allerdings nie günstige Seereisen sind, das wissen interessie­rte Kunden.

Angetriebe­n wird die „World Explorer“von zwei Dieselmoto­ren und zwei Elektroagg­regaten, die immer mitlaufen. Geschwindi­gkeiten bis fünf Knoten lassen sich rein elektrisch bewältigen, etwa für die Fahrt durch die norwegisch­en Fjorde.

Der portugiesi­sche Eigentümer von Nicko Cruises, Mystic Invest, lässt zwei weitere Schwesters­chiffe bauen. Die „World Voyager“soll 2020 in See stechen – und ein drittes Schiff 2021. Der Expedition­smarkt wächst weiter. Ebenso wie das Bedürfnis zahlungskr­äftiger Gäste, weniger überlaufen­e Ziele ansteuern zu können.

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FOTO: PHILIPP LAAGE/DPA Fast bereit für die erste große Fahrt: die „World Explorer“in der portugiesi­schen West-sea-werft.
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FOTO: HO Zukunftsmu­sik: So sollen die Kabinen in dem Expedition­sschiff aussehen.

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