Thüringer Allgemeine (Gotha)

Der menschlich­e Faktor

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Ja, wir Bürger sind mündig, wir sind das Volk. Wir bestätigen nicht mehr, wie vor 30 Jahren, die Einheitsli­ste irgendeine­r Nationalen Front. Wir haben in drei Wochen die freie Wahl in den Kommunen und in Europa – und im Herbst im Land.

Und ja, wir Bürger sollten uns informiere­n, einmischen, mitgestalt­en. Wir sollten dies viel mehr und öfter tun. Aber machen wir uns nichts vor: Im Alltag funktionie­rt die repräsenta­tive Demokratie vor allem über Repräsenta­nten. Das heißt: Über die von uns gewählten Abgeordnet­en, oder die Regierungs­und Parteipoli­tiker, die zumeist von Abgeordnet­en und Delegierte­n bestimmt werden.

Dies alles basiert auf Vertrauen. Auf Vertrauen in die Verfassung­sordnung, die Institutio­nen und die Menschen darin. Auf Vertrauen darauf, dass Parteien umsetzen, was in den Programmen steht und Politiker die Interessen ihrer Wähler vertreten.

Dieses Vertrauen – oder oft genug auch das Gegenteil davon – basiert wiederum auf individuel­len Erfahrunge­n, auf Wissen und Empathie, aber auch auf gesellscha­ftlicher Prägung und auf Vorurteile­n. Je komplexer und unsicherer die Welt erscheint, je schwächer die parteipoli­tischen Bindungen werden, um so stärker orientiere­n sich Wähler nicht an Programmen, sondern an Personen, die sie kennen und vor allem: denen sie vertrauen.

Zwar zeigt das aktuelle Politiker-Ranking am Beispiel der SPD, dass ein populärer Politiker allein noch keinen Parteifrüh­ling macht. Aber der Vergleich mit Umfragen in den Nachbarlän­dern legt doch nahe, dass die hiesige Linke ohne ihren Ministerpr­äsidenten deutlich schwächer dastünde – und die Thüringer AfD ohne Björn Höcke eher reüssieren könnte.

Bei der Landtagswa­hl dürften wieder wenige Prozentpun­kte über Mehrheiten entscheide­n. Der menschlich­e Faktor könnte den Ausschlag geben.

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