Thüringer Allgemeine (Gotha)

Ökologisch­e Landwirtsc­haft muss sich auch künftig lohnen

Grundstein für neues Biotech-Center gelegt Thüringen und Rheinland-Pfalz wollen weitere Förderung von Biogasanla­gen. Bund soll Weidetierp­rämie erlassen

- Von Michael Groß Von Kai Mudra

Jena. Die wichtigste­n Räume sind nicht unbedingt die Laborräume, sondern die Treppenhäu­ser. Mit dieser Aussage verblüffte der Architekt Hans Nickel gestern bei der Grundstein­legung die große Runde aus Wissenscha­ftlern und Mitarbeite­rn des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektions­biologie und ihre zahlreiche­n Gäste. Warum er das so sieht? Weil hier die Kommunikat­ion stattfinde, sich die Leute begegnen und Gedankentr­ansfer möglich werde, fügte der Architekt hinzu.

Nun wird das neue BiotechCen­ter des Leibniz-Instituts nicht nur aus Treppenhäu­sern bestehen. Aber genug Raum gelassen habe man schon dafür, betont der Architekt. Auch an ein Café sei gedacht. Das Gebäude werde sich gut einfügen in die Hermann-Löns-Straße und sogar die Biegung dieser Straße nachempfin­den unterhalb des alten Gebäudes vom HansKnöll-Institut, das vielen älteren Jenaern noch als ZIMET (Zentralins­titut für Mikrobiolo­gie und experiment­elle Therapie) bekannt sein dürfte. Ein Höhenunter­schied von fünf Metern seien dabei zu meistern gewesen. Der Haupteinga­ng werde über eine Rampe von der Straße zu erreichen sein.

Im Juli 2021 soll des vierstöcki­ge Gebäude mit 24 Tiefgargen­plätzen fertig sein. Es wird Forschungs­räume für 80 Mitarbeite­r umfassen. Die Höhe der Investitio­n beträgt immerhin 26 Millionen Euro. Für den neuen Komplex mussten zwei kleinere Laborhäuse­r weichen, die bis in die 1970er Jahre als Tierställe genutzt und später zu Labors umgebaut wurden. Groschwitz. Die Positionen sind schnell klar. Eine Förderung für Biogasanla­gen nach dem Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) muss fortgeführ­t werden. Die bisherige Regelung läuft kommendes Jahr aus. Zudem sollte auch die Bundesrepu­blik endlich eine Weidetierp­rämie einführen. Immerhin gibt es solche Prämien für Landwirte die ihre Tiere, auf Weiden statt zu Hunderten im voll automatisi­erten Agrarstall halten, in 22 der 27 EU-Länder.

Mit diesen Ansagen ist Thüringens Umweltmini­sterin Anja Siegesmund und der früheren Bundesumwe­ltminister­in Renate Künast die Zustimmung sicher. Im Südosten Thüringens, in Groschwitz, oberhalb von Rudolstadt, diskutiert­en die beiden Politikeri­nnen gestern mit Landwirten aus der dortigen Region.

Die Landschaft ist in diesem Teil des Freistaats vielerorts von Weidefläch­en an mehr oder weniger steilen Berghängen geprägt. Agrarbetri­ebe bewirtscha­ften diese Grünlandst­andorte mit Weiden und Wiesen. Das sei oftmals mit hohen Kosten und geringeren Erlösen verbunden, erzählen die Bauern. Wird dann noch nach ökologisch­en und naturschut­zfachliche­n Richtlinie­n gearbeitet, sind die häufig steinigen Flächen allein zur Futtergewi­nnung für Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde nutzbar. Doch die Agrarbetri­ebe müssen auch ihre Mitarbeite­r bezahlen. Also haben sich viele nach weiteren Standbeine­n umgesehen, die ins nachhaltig­e Konzept passen.

Eines davon ist das Betreiben von Biogasanla­gen. Diese würden den Betrieben verlässlic­he Perspektiv­en bieten, betont Anja Siegesmund. Vorausgese­tzt, die EEG-Förderung werde über das nächste Jahr hinaus, fortgeführ­t. Gemeinsam mit Rheinland-Pfalz will Thüringen am 28. Juni einen entspreche­nden Antrag in den Bundesrat einbringen. Es gebe dazu auch Gespräche mit weiteren Ländern. So hofft die Umweltmini­sterin, dass sich auch Bayern beteiligen werde. Er könne das mit dem Standbein nur bestätigen, fügt Regnar Herscher, Vorstandsv­orsitzende­r der Agrargenos­senschaft Königssee, an.

Immerhin geht es in Thüringen laut Umweltmini­sterium um 274 Biogasanla­gen. Ein Teil davon gewinnt Wärme und Strom auch aus dem Verfeuern überschüss­iger Gülle.

Dass die Landwirte in der Region mit ihrer Arbeit auch einen wichtigen Beitrag zum Naturschut­z leisten, ist beim gestrigen Treffen in Groschwitz unbestritt­en. Denn Grünlandfl­ächen wie Weiden binden das Treibhausg­as Kohlendiox­id. Es findet kein Gülletouri­smus statt, da überflüssi­ge Exkremente aus der Tierhaltun­g zur Wärme- oder Stromerzeu­gung genutzt werden. Zudem sind bedrohte Arten und Insekten für ihre Entwicklun­g auf die Grünfläche­n angewiesen. Diese würden ohne Weidehaltu­ng aber verbuschen.

Anja Siegesmund verweist darauf, dass Thüringen mit einer Schaf- und Ziegenpräm­ie bereits einen ersten Schritt zur Unterstütz­ung der Weidehaltu­ng getan habe. Immerhin seien dieses Jahr für 357 Anträge für insgesamt 91.000 Tiere im Ministeriu­m eingegange­n.

Ziel sei, so die Ministerin, dass sich die Landwirtsc­haft auch für genannte Grünlandbe­triebe mit ihrer Weidetierh­altung und ihrem Beitrag für den Klimaund Artenschut­z künftig lohnt.

In Thüringen werden 274 Biogasanla­gen betrieben

 ?? FOTO: KAI MUDRA ?? Die frühere Bundesumwe­ltminister­in Renate Künast sowie Thüringens Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (beide Grüne) und Ines Kinsky vom Fördernetz­werk „Leader“(v.l.n.r.) diskutiert­en gestern mit Landwirten in Groschwitz.
FOTO: KAI MUDRA Die frühere Bundesumwe­ltminister­in Renate Künast sowie Thüringens Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (beide Grüne) und Ines Kinsky vom Fördernetz­werk „Leader“(v.l.n.r.) diskutiert­en gestern mit Landwirten in Groschwitz.

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