Hatte Stephan E. doch Mittäter?
Mordfall Lübcke: Immer mehr Hinweise auf rechtsextremen Hintergrund. Ermittler gehen neuer Spur nach
Düsseldorf. NRW-SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty hat überraschend seine Bereitschaft signalisiert, für die Nachfolge von Andrea Nahles als Bundesvorsitzender seiner Partei zu kandidieren. „Großen Herausforderungen darf man nicht hinterherlaufen, man darf aber auch nicht davor weglaufen“, sagte Kutschaty am Mittwoch dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Kutschatys Umfeld bestätigte unserer Redaktion, dass der nordrhein-westfälische Oppositionsführer sich nicht in die Büsche schlagen werde, wenn die Partei ihn rufe. Mehrere Abgeordnete aus Landtag und Bundestag hatten den 51-jährigen Anwalt aus Essen offenbar zur Kandidatur ermuntert.
Kutschaty ist bislang der einzige namhafte Sozialdemokrat, der sich eine Kandidatur für den Parteivorsitz überhaupt vorstellen kann. Dem langjährigen NRW-Justizminister ist es dem Vernehmen nach sauer aufgestoßen, dass sich zuletzt alle führenden Köpfe der SPD wegduckten und der einst so begehrte Vorsitz der ältesten deutschen Partei inzwischen behandelt werde wie ein Mühlstein.
Der Vater von drei erwachsenen Kindern wird zwar keinem Parteiflügel klar zugeordnet, doch hatte er sich früh als Gegner einer Neuauflage der großen Koalition positioniert.
Zudem machte sich Kutschaty als einer der Ersten bei den Sozialdemokraten für eine Rückabwicklung bestimmter sozialer Härten in der Hartz-IV-Gesetzgebung stark. Dem Essener wäre mithin zuzutrauen, die SPD spätestens mit dem Bilanz-Parteitag Ende des Jahres aus der großen Koalition herausführen zu wollen.
Kutschaty hat sich klar für einen Mitgliederentscheid über die Nahles-Nachfolge ausgesprochen und würde sich gegebenenfalls als Teil einer neuen SPD-Doppelspitze sehen. Das Verfahren zur personellen Neuaufstellung der Partei will die kommissarische Führung der SPD kommende Woche festlegen.
Bei der Landtagswahl 2022 werden Kutschaty die größten Chancen eingeräumt, Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) herauszufordern. Sollte Kutschaty Erfolg haben, würde dies auch die Gewichte in der nordrhein-westfälischen SPD deutlich verschieben. (tobi) Berlin/Kassel. Bisher hieß es: Der Tatverdächtige im Mordfall Walter Lübcke habe allein gehandelt, Hinweise auf ein rechtsextremes Netzwerk um den mutmaßlichen Mörder Stephan E. gebe es nicht. Doch nun geht die Bundesanwaltschaft Medienberichten zufolge Hinweisen nach, dass es im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke mehrere Täter gegeben haben könnte. Nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR will ein Zeuge in der Tatnacht zwei Autos bemerkt haben, die in „aggressiver Manier“durch den Wohnort Lübckes fuhren. 20 Minuten zuvor habe der Zeuge, ein ehemaliger Bundeswehrsoldat, einen Schuss gehört.
Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha bei Kassel erschossen worden. Er habe, so der Zeuge, den Eindruck gehabt, als hätten sich die beiden Autofahrer verfahren. Eines der Fahrzeuge habe wie ein Volkswagen Caddy ausgesehen. Später hätten die Ermittlungen laut dem Bericht ergeben, dass der Rechtsextremist Stephan E. aus Kassel einen solchen VW Caddy fahre, der auf seine Frau zugelassen sei. Stephan E. hatte am Tatort auch eine DNA-Spur hinterlassen, seit Sonntag sitzt er unter dringendem Tatverdacht in Untersuchungshaft.
Über das Leben des Verdächtigen werden immer mehr Details bekannt. Bis zum Wochenende lebte Stephan E. in einem kleinen Einfamilienhaus mit Gärtchen, gemeinsam mit Sohn, Tochter und Partnerin. Die Strafverfolger gehen zwar noch immer weiteren Motiven nach. Doch ihre erste These ist eine andere: Walter Lübcke wurde Opfer einer rechtsextremen Mordtat. Stephan E. auf Youtube
Nachbarn beschreiben Stephan E. in Interviews als unauffällig und zurückhaltend. Einer sagt sogar „zurückgezogen“. Der 45 Jahre alte E. war Mitglied im Schützenverein, wenige Kilometer entfernt von seinem Wohnhaus. Bis Montag hatte der Verein ein Bild auf der Webseite. Es zeigt einen Mann mit schwarzer Mütze, darunter kurze Haare, dunkle Augen. Darüber steht: „Referent Bogen“. Im Verein sei Stephan E. sonntags immer zum Bogenschießen gekommen, sagt der Vorsitzende jetzt. Er reagiert vorsichtig, da die Ermittlungen laufen und viele Journalisten bei ihm anrufen. Aber auch er sagt auf Nachfrage unserer Redaktion, dass Stephan E. unauffällig gewesen sei. „Ein ruhiger Typ.“Zu Schusswaffen habe er keinen Zugang gehabt. Mittlerweile ist das Bild von E. von der Internetseite des Schützenvereins verschwunden.
Die Polizisten, die E.s Wohnung durchsuchten, entdeckten zwar Waffen, allerdings keine scharfen, sondern eine Schreckschusspistole. Zudem Unterlagen, die Indiz dafür sind, dass sich E. dafür interessierte, eine Erlaubnis zum legalen Waffenbesitz zu erwerben. Die Tatwaffe wurde bisher nicht gefunden.
Ein Bericht der Sonderkommission „Liemecke“des hessischen Landeskriminalamts hält nach Informationen unserer Redaktion dagegen fest, dass Stephan E. eine „Affinität zu Waffen“hatte. Das habe eine erste Auswertung des beschlagnahmten Handys ergeben. Und noch etwas habe diese Handy-Sichtung ziemlich schnell gezeigt: die „klare rechte Gesinnung“des Tatverdächtigen.
Regierungspräsident Walter Lübcke galt unter Fremdenfeinden und Neonazis als Feindbild, erhielt Morddrohungen, weil er sich mehrfach für eine offene Flüchtlingspolitik eingesetzt hatte. Stephan E. war über viele Jahre gut in der rechtsextremen Szene vernetzt, bewegte sich laut „Die Zeit“im bewaffneten Arm der verbotenen Gruppe „Blood Honour“, trieb sich in Kreisen der Neonazi-Partei NPD herum.
2009 war Stephan E. an dem Überfall von mehreren Hundert Rechtsextremen auf eine MaiDemo der Gewerkschaften in Dortmund beteiligt. Auch in der Stadt in Nordrhein-Westfalen ist die rechtsextreme Szene stark. Auch dorthin hatte E. Kontakte.
Die Gewalttaten von Stephan E. begannen schon in seinen Teenager-Jahren. 1989 setzte er ein Mehrfamilienhaus in Hessen in Brand, 1993 versuchte er, mit einer selbst gebastelten Rohrbombe eine Asylbewerberunterkunft anzugreifen. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Mit mehreren anderen Delikten fiel er auf: schwere Körperverletzung, Raub, gemeinschaftlicher Totschlag.
Nach dem Überfall auf die Demonstration im Mai 2009 aber stoppen die Einträge bei der Polizei. Stephan E., so scheint es den Sicherheitsbehörden, zieht sich zurück aus der Szene. Der Verfassungsschutz in Hessen löscht seine Daten, nachdem er fünf Jahre nicht auffiel. Stephan E. verschwindet vom Radar der Behörden.
Bei einer Pressekonferenz am Dienstag heben die Chefs von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz die Gefahr von Rechtsextremismus hervor. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nennt den Mord an Lübcke ein „Alarmsignal“. Doch deutlich wird auch: Was der Tatverdächtige zuletzt trieb, war Polizei und Nachrichtendienst nicht bekannt. Das brachten erst die Ermittlungen nach der Festnahme und die Untersuchung von Handy und Computer hervor.
Zum Beispiel Hassparolen, die Stephan E. noch 2018 auf Youtube verbreitet hat: „Entweder diese Regierung dankt in Kürze ab oder es wird Tote geben.“ Washington. Die dem Iran zugeschriebenen Angriffe auf ÖlTanker sind für US-Präsident Donald Trump kein Grund für einen Krieg gegen Teheran. In einem Interview mit dem „Time“-Magazin sagte Trump, dass er militärische Vergeltungsschläge in Betracht ziehen würde, wenn der Iran Atomwaffen erlangen sollte. Bei den Ängste vor einem bevorstehenden Großkonflikt auslösenden Attacken gegen bisher sechs Handelsschiffe im Gebiet um die strategisch wichtige Seestraße von Hormus wie im Golf von Oman würde er ein „Fragezeichen“machen, sagt Trump, bisher seien die Schäden „sehr geringfügig“.
Trumps Äußerungen stehen im Kontrast zu den seit Wochen wachsenden Spannungen zwischen Washington und Teheran, die durch eine Anordnung des kommissarischen Verteidigungsministers Pat Shanahan noch verstärkt wurden. Der ehemalige Boeing-Manager kündigte die Entsendung weiterer 1000 US-Soldaten (zu den bereits vor wenigen Wochen stationierten 1500) in die Nahost-Region an. Die Maßnahme solle der „Sicherheit und der Gesundheit unserer in der Region stationierten Soldaten“dienen, sagt Shanahan. Er betonte zugleich, dass die USA keine militärische Auseinandersetzung mit dem Iran anstrebten.
Dagegen hatte der republikanische Senator Tom Cotton erklärt, die „feindseligen Aktivitäten“des Iran, dem US-Geheimdienste und Militärs die Urheberschaft für die Angriffe auf zwei Öltanker in der vergangenen Woche attestieren, rechtfertigten eine militärische Bestrafungsaktion.
Teheran bestreitet eine Verwicklung in die Zwischenfälle und fordert eine unabhängige internationale Untersuchung. (diha)
„Entweder diese Regierung dankt in Kürze ab oder es wird Tote geben.“