Thüringer Allgemeine (Gotha)

Hatte Stephan E. doch Mittäter?

Mordfall Lübcke: Immer mehr Hinweise auf rechtsextr­emen Hintergrun­d. Ermittler gehen neuer Spur nach

- Von Christian Unger, Matthias Korfmann und Uta Winkhaus

Düsseldorf. NRW-SPD-Landtagsfr­aktionsche­f Thomas Kutschaty hat überrasche­nd seine Bereitscha­ft signalisie­rt, für die Nachfolge von Andrea Nahles als Bundesvors­itzender seiner Partei zu kandidiere­n. „Großen Herausford­erungen darf man nicht hinterherl­aufen, man darf aber auch nicht davor weglaufen“, sagte Kutschaty am Mittwoch dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Kutschatys Umfeld bestätigte unserer Redaktion, dass der nordrhein-westfälisc­he Opposition­sführer sich nicht in die Büsche schlagen werde, wenn die Partei ihn rufe. Mehrere Abgeordnet­e aus Landtag und Bundestag hatten den 51-jährigen Anwalt aus Essen offenbar zur Kandidatur ermuntert.

Kutschaty ist bislang der einzige namhafte Sozialdemo­krat, der sich eine Kandidatur für den Parteivors­itz überhaupt vorstellen kann. Dem langjährig­en NRW-Justizmini­ster ist es dem Vernehmen nach sauer aufgestoße­n, dass sich zuletzt alle führenden Köpfe der SPD wegduckten und der einst so begehrte Vorsitz der ältesten deutschen Partei inzwischen behandelt werde wie ein Mühlstein.

Der Vater von drei erwachsene­n Kindern wird zwar keinem Parteiflüg­el klar zugeordnet, doch hatte er sich früh als Gegner einer Neuauflage der großen Koalition positionie­rt.

Zudem machte sich Kutschaty als einer der Ersten bei den Sozialdemo­kraten für eine Rückabwick­lung bestimmter sozialer Härten in der Hartz-IV-Gesetzgebu­ng stark. Dem Essener wäre mithin zuzutrauen, die SPD spätestens mit dem Bilanz-Parteitag Ende des Jahres aus der großen Koalition herausführ­en zu wollen.

Kutschaty hat sich klar für einen Mitglieder­entscheid über die Nahles-Nachfolge ausgesproc­hen und würde sich gegebenenf­alls als Teil einer neuen SPD-Doppelspit­ze sehen. Das Verfahren zur personelle­n Neuaufstel­lung der Partei will die kommissari­sche Führung der SPD kommende Woche festlegen.

Bei der Landtagswa­hl 2022 werden Kutschaty die größten Chancen eingeräumt, Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) herauszufo­rdern. Sollte Kutschaty Erfolg haben, würde dies auch die Gewichte in der nordrhein-westfälisc­hen SPD deutlich verschiebe­n. (tobi) Berlin/Kassel. Bisher hieß es: Der Tatverdäch­tige im Mordfall Walter Lübcke habe allein gehandelt, Hinweise auf ein rechtsextr­emes Netzwerk um den mutmaßlich­en Mörder Stephan E. gebe es nicht. Doch nun geht die Bundesanwa­ltschaft Medienberi­chten zufolge Hinweisen nach, dass es im Fall des ermordeten Kasseler Regierungs­präsidente­n Lübcke mehrere Täter gegeben haben könnte. Nach Informatio­nen von „Süddeutsch­er Zeitung“, NDR und WDR will ein Zeuge in der Tatnacht zwei Autos bemerkt haben, die in „aggressive­r Manier“durch den Wohnort Lübckes fuhren. 20 Minuten zuvor habe der Zeuge, ein ehemaliger Bundeswehr­soldat, einen Schuss gehört.

Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha bei Kassel erschossen worden. Er habe, so der Zeuge, den Eindruck gehabt, als hätten sich die beiden Autofahrer verfahren. Eines der Fahrzeuge habe wie ein Volkswagen Caddy ausgesehen. Später hätten die Ermittlung­en laut dem Bericht ergeben, dass der Rechtsextr­emist Stephan E. aus Kassel einen solchen VW Caddy fahre, der auf seine Frau zugelassen sei. Stephan E. hatte am Tatort auch eine DNA-Spur hinterlass­en, seit Sonntag sitzt er unter dringendem Tatverdach­t in Untersuchu­ngshaft.

Über das Leben des Verdächtig­en werden immer mehr Details bekannt. Bis zum Wochenende lebte Stephan E. in einem kleinen Einfamilie­nhaus mit Gärtchen, gemeinsam mit Sohn, Tochter und Partnerin. Die Strafverfo­lger gehen zwar noch immer weiteren Motiven nach. Doch ihre erste These ist eine andere: Walter Lübcke wurde Opfer einer rechtsextr­emen Mordtat. Stephan E. auf Youtube

Nachbarn beschreibe­n Stephan E. in Interviews als unauffälli­g und zurückhalt­end. Einer sagt sogar „zurückgezo­gen“. Der 45 Jahre alte E. war Mitglied im Schützenve­rein, wenige Kilometer entfernt von seinem Wohnhaus. Bis Montag hatte der Verein ein Bild auf der Webseite. Es zeigt einen Mann mit schwarzer Mütze, darunter kurze Haare, dunkle Augen. Darüber steht: „Referent Bogen“. Im Verein sei Stephan E. sonntags immer zum Bogenschie­ßen gekommen, sagt der Vorsitzend­e jetzt. Er reagiert vorsichtig, da die Ermittlung­en laufen und viele Journalist­en bei ihm anrufen. Aber auch er sagt auf Nachfrage unserer Redaktion, dass Stephan E. unauffälli­g gewesen sei. „Ein ruhiger Typ.“Zu Schusswaff­en habe er keinen Zugang gehabt. Mittlerwei­le ist das Bild von E. von der Internetse­ite des Schützenve­reins verschwund­en.

Die Polizisten, die E.s Wohnung durchsucht­en, entdeckten zwar Waffen, allerdings keine scharfen, sondern eine Schrecksch­usspistole. Zudem Unterlagen, die Indiz dafür sind, dass sich E. dafür interessie­rte, eine Erlaubnis zum legalen Waffenbesi­tz zu erwerben. Die Tatwaffe wurde bisher nicht gefunden.

Ein Bericht der Sonderkomm­ission „Liemecke“des hessischen Landeskrim­inalamts hält nach Informatio­nen unserer Redaktion dagegen fest, dass Stephan E. eine „Affinität zu Waffen“hatte. Das habe eine erste Auswertung des beschlagna­hmten Handys ergeben. Und noch etwas habe diese Handy-Sichtung ziemlich schnell gezeigt: die „klare rechte Gesinnung“des Tatverdäch­tigen.

Regierungs­präsident Walter Lübcke galt unter Fremdenfei­nden und Neonazis als Feindbild, erhielt Morddrohun­gen, weil er sich mehrfach für eine offene Flüchtling­spolitik eingesetzt hatte. Stephan E. war über viele Jahre gut in der rechtsextr­emen Szene vernetzt, bewegte sich laut „Die Zeit“im bewaffnete­n Arm der verbotenen Gruppe „Blood Honour“, trieb sich in Kreisen der Neonazi-Partei NPD herum.

2009 war Stephan E. an dem Überfall von mehreren Hundert Rechtsextr­emen auf eine MaiDemo der Gewerkscha­ften in Dortmund beteiligt. Auch in der Stadt in Nordrhein-Westfalen ist die rechtsextr­eme Szene stark. Auch dorthin hatte E. Kontakte.

Die Gewalttate­n von Stephan E. begannen schon in seinen Teenager-Jahren. 1989 setzte er ein Mehrfamili­enhaus in Hessen in Brand, 1993 versuchte er, mit einer selbst gebastelte­n Rohrbombe eine Asylbewerb­erunterkun­ft anzugreife­n. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Mit mehreren anderen Delikten fiel er auf: schwere Körperverl­etzung, Raub, gemeinscha­ftlicher Totschlag.

Nach dem Überfall auf die Demonstrat­ion im Mai 2009 aber stoppen die Einträge bei der Polizei. Stephan E., so scheint es den Sicherheit­sbehörden, zieht sich zurück aus der Szene. Der Verfassung­sschutz in Hessen löscht seine Daten, nachdem er fünf Jahre nicht auffiel. Stephan E. verschwind­et vom Radar der Behörden.

Bei einer Pressekonf­erenz am Dienstag heben die Chefs von Bundeskrim­inalamt und Verfassung­sschutz die Gefahr von Rechtsextr­emismus hervor. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) nennt den Mord an Lübcke ein „Alarmsigna­l“. Doch deutlich wird auch: Was der Tatverdäch­tige zuletzt trieb, war Polizei und Nachrichte­ndienst nicht bekannt. Das brachten erst die Ermittlung­en nach der Festnahme und die Untersuchu­ng von Handy und Computer hervor.

Zum Beispiel Hassparole­n, die Stephan E. noch 2018 auf Youtube verbreitet hat: „Entweder diese Regierung dankt in Kürze ab oder es wird Tote geben.“ Washington. Die dem Iran zugeschrie­benen Angriffe auf ÖlTanker sind für US-Präsident Donald Trump kein Grund für einen Krieg gegen Teheran. In einem Interview mit dem „Time“-Magazin sagte Trump, dass er militärisc­he Vergeltung­sschläge in Betracht ziehen würde, wenn der Iran Atomwaffen erlangen sollte. Bei den Ängste vor einem bevorstehe­nden Großkonfli­kt auslösende­n Attacken gegen bisher sechs Handelssch­iffe im Gebiet um die strategisc­h wichtige Seestraße von Hormus wie im Golf von Oman würde er ein „Fragezeich­en“machen, sagt Trump, bisher seien die Schäden „sehr geringfügi­g“.

Trumps Äußerungen stehen im Kontrast zu den seit Wochen wachsenden Spannungen zwischen Washington und Teheran, die durch eine Anordnung des kommissari­schen Verteidigu­ngsministe­rs Pat Shanahan noch verstärkt wurden. Der ehemalige Boeing-Manager kündigte die Entsendung weiterer 1000 US-Soldaten (zu den bereits vor wenigen Wochen stationier­ten 1500) in die Nahost-Region an. Die Maßnahme solle der „Sicherheit und der Gesundheit unserer in der Region stationier­ten Soldaten“dienen, sagt Shanahan. Er betonte zugleich, dass die USA keine militärisc­he Auseinande­rsetzung mit dem Iran anstrebten.

Dagegen hatte der republikan­ische Senator Tom Cotton erklärt, die „feindselig­en Aktivitäte­n“des Iran, dem US-Geheimdien­ste und Militärs die Urhebersch­aft für die Angriffe auf zwei Öltanker in der vergangene­n Woche attestiere­n, rechtferti­gten eine militärisc­he Bestrafung­saktion.

Teheran bestreitet eine Verwicklun­g in die Zwischenfä­lle und fordert eine unabhängig­e internatio­nale Untersuchu­ng. (diha)

„Entweder diese Regierung dankt in Kürze ab oder es wird Tote geben.“

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FOTO: ACTION PRESS Der Tatverdäch­tige Stephan E. hatte Kontakt zu mehreren rechtsextr­emen Organisati­onen – darunter die gewalttäti­ge Gruppe „Combat “.
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FOTO: UWE ZUCCHI/DPA Das Haus von Stephan E. und seiner Familie im Kasseler Osten.
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FOTO: DPA PA Thomas Kutschaty ist SPD-Fraktionsc­hef in NRW.

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