Thüringer Allgemeine (Gotha)

Ruhlaer Hütte auf Gothaer Grund

Über eine Ausflugsga­ststätte in den Kammlagen des Thüringer Waldes

- Von Heiko Stasjulevi­cs

Winterstei­n. Die Ruhlaer Skihütte wurde einst von Ruhlaer Winterspor­tlern gebaut. Der Name ist nicht ortsbezoge­n, denn die hölzerne Gaststätte liegt noch im Gebiet des Landkreise­s Gotha, in der Gemarkung Winterstei­n. Sie ist Teil einer Kleinsiedl­ung und befindet sich an der Landesstra­ße in Richtung Bad Liebenstei­n. Wegen ihrer Höhenlage, 660 Meter über dem Meeresspie­gel, auf dem Kamm des Thüringer Waldes unweit des Rennsteige­s, gilt die Hütte als relativ „schneesich­er“.

Waldarbeit­er legten an der Stelle, wo die bereits im Hochmittel­alter bedeutsame „Schweinaer Straße“mit der von Schmerbach herauf kommenden „Weinstraße“auf dem Rennsteig zusammentr­af, eine Kleinsiedl­ung an. Diese bestand als Rastplatz für Fuhrwerke noch im 17. Jahrhunder­t und gehörte zum Herzogtum Sachsengot­ha. Da die Gegend sehr wildreich, und die Jagdintere­ssen der Gothaer Herzöge groß war, verhindert­en diese den Ausbau der Kleinsiedl­ung zu einer Ortschaft, so wie es an manch anderer Stelle geschah.

Es war der Winterspor­tverein „Ruhla-sportclub 07“, der das Vereinshau­s und den Sportstütz­punkt „Ruhlaer Skihütte“1932 erbaute und betrieb. Schon im Jahre 1923 war der Beschluss gefasst worden, einen solchen Stützpunkt zu schaffen. Es gingen aber noch mehr als acht Jahre mit Anträgen, Ablehnunge­n, Genehmigun­gsverfahre­n, wiederholt­en Ortstermin­en, ja sogar einem Prozess gegen die Forstverwa­ltung ins Land, bis sich die Landesregi­erung einschalte­te und Zustimmung signalisie­rte.

Am 1. August 1932 wurde schließlic­h mit dem Bau begonnen, vier arbeitslos­e Winterspor­tler beschäftig­t und bezahlt. Die Finanzieru­ng erfolgte mit Vereinsgel­dern, Eintrittsg­eldern von Sportveran­staltungen, Bausteinve­rkäufen und einer Anleihe des Fabrikante­n Heinrich Thiel, der Mitbegründ­er des Winterspor­tclubs war.

Das Richtfest fand am 1. September 1932 statt und gleich nach der Einweihung am 1. Oktober erhielt die Hütte den Namen „Heinrich Thiel – Hütte“. Der Gaststätte­nbetrieb war dabei nur vorläufig genehmigt worden und das Dachgescho­ss noch mit einem Matratzenl­ager versehen. Für den Hüttenaufe­nthalt und Übernachtu­ngen erhoben die Betreiber nur Groschenbe­träge. Die Schank-konzession folgte erst 1935, nachdem die Forderunge­n nach einer größeren Küche und einer Toilette erfüllt worden waren.

Im Jahre 1940 erhielt die Blockhütte die große Dachgaube, um für den Hüttenwirt einen Schlafraum zu erhalten. Ende 1944 wurde die Hütte kriegsbedi­ngt geschlosse­n; 1945 diente sie als Flüchtling­squartier. In den folgenden Jahren kam die Hütte in den Besitz der Stadt Ruhla, als Ruhlaer Exklave im Landkreis Gotha.

In den 1960er Jahren erhielt der VEB „Solidor“Marienthal vom Rat des Kreises Gotha die Erlaubnis für die Errichtung eines Kinderferi­enlagers, direkt neben der Ruhlaer Skihütte. In der Nachbarsch­aft entstand gleichzeit­ig ein Bungalowdo­rf. Das Kinderferi­enlager wurde nach der Wende zum Hotel und Restaurant „Rennsteigh­of“ausund umgebaut.

Die Bergstadt Ruhla, „die Ruhl“genannt, gehörte einst teilweise zum Gothaer Land. Das Stadtrecht bekam Ruhla 1896 zugesproch­en. Mit seinen Ortsteilen zählt die Stadt heute über 6000 Einwohner. Der anno 1355 erstmals erwähnte Ort wurde später als Industrie- und Uhrenstadt weltbekann­t, aber auch die Tabakpfeif­enherstell­ung machte ihn berühmt.

Schon im zehnten Jahrhunder­t drangen Wanderschm­iede in die heutige Ruhlaer Gegend vor. Die ersten Siedler ließen sich 300 Jahre später dort snieder. Auch sie waren auf der Suche nach Erzen und verarbeite­ten diese vor Ort in den Waldschmie­den, sie waren also Bergleute, Köhler und Schmiede zugleich.

Die Thüringer Landgrafen förderten die Fertigung von Werkzeugen und Waffen. Nach dem Verfall des Waffenschm­iedehandwe­rks um 1530 verlegten sich viele Einwohner des Marktfleck­ens auf die Herstellun­g von Messerware­n. Als die Preußen bei Eberswalde ihre eigene Waffenschm­iede errichtete­n, gingen 200 Ruhlaer Arbeiter dorthin. Man ließ sich nicht unterkrieg­en und fertigte neue Produkte: Messingkäm­me, Tabakspfei­fen aus Holz und Meerschaum, Schnallen, Feilen, Bohrer, Schusterwe­rkzeuge.

Im ausklingen­den 19. Jahrhunder­t wurde die Ruhlaer Taschenuhr entwickelt und zunächst vorrangig in die USA exportiert. Die vom Volksmund scherzhaft „Rühler Kartoffel“genannte Taschenuhr, gefertigt in der Uhrenfabri­k der Gebrüder Thiel, war die erste maschinell hergestell­te Uhr und konnte deshalb preiswerte­r als die in Uhrmanufak­turen produziert­en Werke, angeboten werden.

Im Juli 1945 fertigten 320 Mitarbeite­r wieder wöchentlic­h 1075 Taschenuhr­en und 893 Armbanduhr­en. Ein Jahr später gingen die Uhren- und Werkzeugma­schinenfab­riken Thiel mit allen Vermögensw­erten als Reparation­sleistung an die sowjetisch­e Aktiengese­llschaft „Awtowelo“. Damals erhielt die Sowjetunio­n auch den Großteil der Uhrenprodu­ktion als Reparation­sleistung.

1952 wurde die Uhren- und Maschinenf­abrik in Volkseigen­tum überführt. Es entstand der VEB Uhren und Maschinenf­abrik Ruhla. In jenem Jahr wechselte Ruhla aufgrund der Gebietsref­orm vom Kreis Gotha in den Kreis Eisenach.

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FOTOS (): HEIKO STASJULEVI­CS Die Ruhlaer Skihütte hoch über Winterstei­n ist ein beliebtes Ausflugszi­el – sommers wie winters.
 ??  ?? Das Hotel Rennsteigh­of befindet sich neben der Skihütte.
Das Hotel Rennsteigh­of befindet sich neben der Skihütte.
 ??  ?? Eine zerzauste Buche an der Ruhlaer Skihütte.
Eine zerzauste Buche an der Ruhlaer Skihütte.

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