Verständliche Ungeduld
Seit Jahren reisen die Klagen über verstopfte Kliniknotaufnahmen nicht ab. Zu viele Menschen mit Bagatell-Erkrankungen würden statt zum Hausarzt direkt in ein Krankenhaus gehen und Kapazitäten blockieren, die dann nicht mehr für Ernstfälle zur Verfügung stehen.
Dass sich trotz vieler Absichtserklärungen kaum etwas bewegt, schieben die einen auf die Niedergelassenen, die nicht genügend Sprechstunden anbieten oder ihren Patienten zu wenig Zeit widmen würden. Die anderen zeigen auf die Klinikärzte, die kein Interesse an Veränderungen hätten, weil sich so schneller und einfacher Krankenhausbetten füllen ließen.
Die Wahrheit liegt in der Mitte. Niemand kann Patienten verübeln, dass sie dahin gehen, wo sie sich am besten behandelt wähnen. Bei einer Umfrage gaben unlängst mehr als 40 Prozent der befragten Besucher von Notaufnahmen an, dass sie sich in der Klinik medizinisch besser versorgt fühlten als in einer Praxis. Viele wollten außerdem Wartezeiten beim Facharzt vermeiden. Bis jetzt hat sie niemand ernsthaft daran gehindert. Die Ungeduld des Ministers, der dies nun per Gesetz schaffen will, ist da nur zu verständlich.
Zweifellos ist Thüringen schon weiter als andere Bundesländer. Erste Portalpraxen gewährleisten hierzulande neben einer Bewertung der Patienten auch gleich die Versorgung entsprechend der Schwere der Erkrankungen entweder durch den Bereitschaftsdienst oder die Notaufnahme. Würden die Strukturen so schon überall im Land funktionieren, müsste die KV aber nicht vor jedem Feiertag mahnend dafür werben.
Die Argumente der verschiedenen Akteure für oder gegen Spahns Gesetz erinnern weiter an die Grabenkämpfe um gut gehütete Besitzstände hier wie da. So lange sich daran nichts ändert, werden sich auch die Patienten nicht ändern.