Thüringer Allgemeine (Gotha)

Neonazis in der DDR

Autor und Journalist Peter Wensierski zeigt in Jena authentisc­he Interviews und kritisiert Linke und CDU

- Von Fabian Klaus

Jena. Peter Wensierski zeigt bemerkensw­erte Zeitdokume­nte. Vor seiner Kamera sprechen junge Leute. Neonazis. Im Jahr 1988. In der DDR. Sie beschweren sich darüber, „dass die Kanaken hier nur Ärger machen“würden. Sie regen sich über den Staat auf, der nicht normal sei, nicht funktionie­re. Linke, die nur kiffen und nicht arbeiten, sind ihnen ein Dorn im Auge.

„Nazis made by DDR“heißt eine neue Veranstalt­ungsreihe des Vereins Drudel 11, der 1993 in Jena gegründet wurde und Neonazis den Ausstieg aus der Szene ermögliche­n will.

Im Kino im Schillerho­f in Jena ist der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Wie war das mit den Nazis in der DDR? Warum entstehen gerade in einer roten Republik, die sich dem Antifaschi­smus verschrieb­en hat, so viele Braune?

Wensierski versucht an diesem Abend, eine Antwort zu geben. Der westdeutsc­he Journalist hatte 1988 mit einem Film für Aufruhr vor allem im Osten gesorgt. Junge Männer sprechen vor seiner Kamera offen aus, was sie denken, schimpfen auf Ausländer, den Staat, die Linken. Es gibt gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen, über die in der DDRPresse zwar berichtet wird, eingeordne­t werden sie nicht.

Ein Beispiel ist der Angriff auf ein Punkkonzer­t in der Berliner Zionskirch­e. „Die Truppe hat ausgesehen wie damals die Hitlerjuge­nd“, erzählt eine Augenzeugi­n im Beitrag von Wensierski, der über die Leinwand im Schillerho­f läuft.

Wie weit das führen kann, wird bei einem anderen Interview deutlich: „Wir sind auch bereit zu Anschlägen bewaffnete­r Natur“, sagt ein Gesprächsp­artner. 30 Jahre liegt das zurück.

Wensierski zeigt Ausschnitt­e seiner Beiträge aus der Zeit vor und nach der Wende. Die Interviews mit Neonazis vor dem Mauerfall, den Häuserkamp­f von Linken und Rechten in Berlin, einen Beitrag vom Alexanderp­latz in Berlin, wo Gewalt in den ersten Jahren nach der Wende zum Alltag gehörte und junge Männer – damals noch in Springerst­iefelnundk­ahlgeschor­en– riefen: „Deutschlan­d den Deutschen, Ausländer raus.“Dass die rechtsextr­eme Szene heute in Deutschlan­d, vor allem in der ehemaligen DDR, teilweise dominant geworden ist, überrascht den Autor nicht. „Das ist nicht vom Himmel gefallen“, sagt er und geht mit Linken und CDU hart ins Gericht. „Die Linke hat sich bis heute des Themas Neonazis in der DDR nicht richtig angenommen“, sagt er. Nach Mauerfall und Wiedervere­inigung hätten sich dann Helmut Kohl und seine CDU einer Debatte über den Rechtsextr­emismus verweigert – und „ein Monstrum entstehen lassen“, dass man beispielsw­eise an den Anschlägen in Rostock-Lichtenhag­en erkennen konnte.

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