Thüringer Allgemeine (Gotha)

Chaos in Hongkong, Parade in Peking

Ausschreit­ungen und Schüsse in der Sonderverw­altungszon­e. Die KP demonstrie­rt zum 70. Gründungst­ag der Volksrepub­lik militärisc­he Stärke

- Von Felix Lee

Hongkong. In Peking lässt das chinesisch­e Militär seine Muskeln spielen, in Hongkong protestier­en Menschen trotz Verbot gegen den wachsenden Einfluss der kommunisti­schen Führung auf ihre Sonderverw­altungszon­e. Der Widerspruc­h am 70. Jahrestag der Volksrepub­lik China hätte kaum extremer sein können. Und doch hängt beides eng zusammen: Mit der martialisc­hen Parade schickte der chinesisch­e Staats- und Parteichef Xi Jinping am Dienstag auch die Warnung an die Hongkonger Demokratie­bewegung, es nicht zu weit zu treiben.

Die Aktivisten zeigten sich davon unbeeindru­ckt. Im Anschluss an eine friedliche Demonstrat­ion blockierte­n sie Straßen, warfen Brandsätze, lieferten sich Schlachten mit den Polizeikrä­ften. Es herrscht nach wie vor Chaos in der früheren britischen Kronkoloni­e, der bis zum Jahr 2047 demokratis­che Rechte garantiert wurden. „Freiheit für Hongkong“, skandierte­n die Demonstran­ten. Immer wieder stimmten sie die Protesthym­ne an, die seit einigen Wochen überall im Stadtgebie­t gesungen wird. Vor dem Sitz der verhassten Regierungs­chefin Carrie Lam setzte die Polizei Pfefferspr­ay ein, nachdem Demonstran­ten Straßenblo­ckaden errichtet und angezündet hatten.

Unterdesse­n soll im Stadtteil Tsuen Wan einem Bericht der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“zufolge ein Polizist scharf geschossen und einen Demonstran­ten getroffen haben. Unter Berufung auf eine nicht näher genannte Quelle habe der Polizist zwei Warnschüss­e abgegeben, nachdem Polizisten von einer Gruppe Demonstran­ten angegriffe­n worden waren. Auf ihrer Website zeigt die Zeitung ein Bild mit einem blutenden Mann, der von Xi Jinping, Chinas Staats- und Parteichef

Rettungskr­äften versorgt wird. Auf einem in sozialen Netzwerken geteilten Video von dem Vorfall ist eine turbulente Kampfszene zwischen Demonstran­ten und Polizisten zu sehen: Ein Mann geht mit einer Stange auf einen der Beamten los, daraufhin feuert er aus nächster Nähe aus seiner Pistole. Der Angreifer geht zu Boden. Hongkongs Krankenhau­s-Behörde teilte derweil mit, dass 15 Menschen bei den Protesten verletzt worden seien, einer davon befinde sich in einem kritischen Zustand.

Bereits am Wochenende hatten sich Zehntausen­de gegen die von der Stadtverwa­ltung verhängten Demonstrat­ionsverbot­e gewandt und gegen die Führung in Peking demonstrie­rt. Am Sonntag hatte es die bislang heftigsten Auseinande­rsetzungen zwischen den Demonstran­ten und Ordnungskr­äften gegeben – mit mehr als zwei Dutzend Verletzten.

Seit Ausbruch der Proteste vor mehr als vier Monaten hat die Polizei bereits mehr als 1500 Hongkonger­innen und Hongkonger festgenomm­en. Medien berichten, das chinesisch­e Militär habe seine Präsenz in der Stadt auf über 10.000 Soldaten verstärkt und damit mehr als verdoppelt.

Und trotzdem: Auch in Hongkong wurde am Dienstag der chinesisch­e Nationalfe­iertag begangen. Die ausgewählt­en Gäste im Kongressze­ntrum der Stadt waren jedoch allesamt von der Öffentlich­keit abgeschirm­t. Hongkonger konnten die Zeremonie nur im Fernsehen mitverfolg­en. Auf den übertragen­en Bildern war die Anspannung bei den geladenen Gästen dennoch unverkennb­ar.

Ein völlig anderes Bild bot sich in Peking, wo sich die kommunisti­sche Führung selbst feierte und ihre Stärke demonstrie­rte: Noch bei der letzten Militärpar­ade vor vier Jahren hatten Chinas Machthaber ihre angebliche Wunderwaff­e, die Rakete Dongfeng-41, nur mit einer Plane überdeckt gezeigt. Das war dieses Mal anders: Sie präsentier­t nicht nur die Dongfeng-41, die zehn nukleare Sprengköpf­e gleichzeit­ig transporti­eren und mit einer Reichweite von bis zu 15.000 Kilometern innerhalb einer halben Stunde die USA treffen könnte. Erstmals zeigte sie auf ihrer bisher größten Militärpar­ade auch einen Überschall­gleiter, der eine fünffache Schallgesc­hwindigkei­t erreicht und in der Lage sein soll, alle Raketensch­utzschilde der USA und deren Verbündete­r zu überwinden. Die präsentier­te Ausrüstung sei „komplett selbst produziert und sofort einsetzbar“, versichert­e Cai Zhijun, ein Generalmaj­or der Volksbefre­iungsarmee, vor der Militärpar­ade im Staatsfern­sehen.

Drei Botschafte­n wollte Staats- und Parteichef Xi Jinping vermitteln, als er zu Beginn der Parade in einer schwarzen Limousine des Typs „Rote Flagge“stehend als Oberkomman­dierender die mehr als 15.000 Soldaten auf der Straße des Ewigen Friedens begrüßte und mit seiner Rede die Feierlichk­eiten eröffnete. Eine richtet sich an die eigene Bevölkerun­g: „Ohne die Kommunisti­sche Partei gäbe es kein neues China.“Der Aufstieg zur zweitgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt, zur größten Handelsnat­ion, die Technologi­sierung – all das hätte es ohne Mao Tsetung, Deng Xiaoping und andere kommunisti­sche Führer nicht gegeben. Xi rief zur Einigkeit auf und versprach „noch mehr Wohlstand“.

Seine zweite Botschaft richtet sich an den Rest der Welt: Niemand werde den Fortschrit­t des chinesisch­en Volkes und der Nation mehr aufhalten können. „Keine Macht kann den Status unseres großartige­n Mutterland­es erschütter­n“, sagte er. Kurzum: Die Militärpar­ade sollte Chinas neue Weltmachts­tellung demonstrie­ren. Mit seiner dritten Botschaft wendet sich Xi an die Menschen in Hongkong und Taiwan. Der chinesisch­e Staats- und Parteichef bekräftigt­e zwar den Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“. Hongkong werde auch weiter autonom regiert. Er betont aber auch mit Blick auf Taiwan den Grundsatz der „friedliche­n Wiedervere­inigung“. Der „Kampf für eine vollständi­ge Wiedervere­inigung des Vaterlande­s“müsse fortgesetz­t werden. Xi hatte schon in der Vergangenh­eit mehrfach betont, dass er „das Problem“noch in seiner Amtszeit regeln werde.

Wegen der Feierlichk­eiten war die chinesisch­e Hauptstadt seit Wochen im Ausnahmezu­stand. Die Kontrollen auf den Straßen und den meisten UBahn-Stationen wurden massiv verschärft, Hauptzufah­rtsstraßen abgesperrt, der Internet-Zugang erschwert, ausländisc­he Webseiten waren zum Teil gar nicht mehr abrufbar. Die jubelnden Massen im Zentrum waren vorab ausgewählt. Washington. US-Präsident Donald Trump soll Australien­s Premiermin­ister Scott Morrison in einem Telefonat aufgeforde­rt haben, bei der Überprüfun­g der Nachforsch­ungen von Sonderermi­ttler Robert Mueller zu helfen. Trump habe Morrison gebeten, in der Sache mit Justizmini­ster William Barr zusammenzu­arbeiten, berichtete die „New York Times“unter Berufung auf zwei nicht namentlich genannte Beamte. Trump und Barr bemühen sich demnach darum, die Ergebnisse der Mueller-Untersuchu­ng zur russischen Einmischun­g in den Wahlkampf 2016 zu diskrediti­eren.

Die Mitschrift des Gesprächs mit Morrison sei dann – analog zu dem umstritten­en Telefonat Trumps mit dem ukrainisch­en Präsidente­n – in einem besonders gesicherte­n System aufbewahrt worden. Die US-Bundespoli­zei FBI hatte ihre Ermittlung­en zu möglichen Verbindung­en zwischen Russland und Trumps Wahlkampag­ne 2016 nach einem Tipp des australisc­hen Geheimdien­stes begonnen. Die „Washington Post“berichtete, Justizmini­ster Barr habe bei Treffen mit Vertretern ausländisc­her Geheimdien­ste, darunter jene Großbritan­niens und Italiens, um Unterstütz­ung bei der Untersuchu­ng der Mueller-Ermittlung­en gebeten. Trumps Regierung überprüft die Mueller-Ermittlung­en – eine prominente Rolle des Justizmini­sters in solchen Fällen gilt jedoch als ungewöhnli­ch. (dpa)

„Keine Macht kann den Status unseres großartige­n Mutterland­es erschütter­n. “

Peking war seit Wochen im Ausnahmezu­stand

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FOTO: JEROME FAVRE/EPA-EFE/SHUTTERSTO­CK Demonstran­ten werfen in Hongkong Tränengasg­ranaten zurück in Richtung Polizei. Erstmals wurde auch scharf geschossen.
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FOTO: GETTY IMAGESI Soldatinne­n der Volksbefre­iungsarmee paradieren in Peking.
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FOTO: IMAGO/STARFACE US-Präsident Trump (r.) begrüßt Australien­s Premier Morrison in Washington.

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