Gesundheitsrisiken von Fleischverzehr gering
Bislang gilt die Empfehlung, Wurst und Steak in Maßen zu essen. Forscher haben nun etliche Studien zum Thema geprüft
Halifax/Potsdam. Der Verzehr von rotem Fleisch und verarbeiteten Fleischprodukten geht anscheinend bei den meisten Menschen nicht mit großen gesundheitlichen Risiken einher. Zu diesem Ergebnis, das der gängigen Einschätzung widerspricht, kommt eine internationale Gruppe von Medizinern nach der Prüfung etlicher Studien zu dem Thema. Die Untersuchungen hätten lediglich einen schwachen Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Krebs, Diabetes sowie HerzKreislauf-Erkrankungen gefunden, schreibt das Team um Bradley Johnston von der Dalhousie University in Halifax (Kanada) nach Analyse der Datenlage im Fachjournal „Annals of Internal Medicine“.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IACR) hat den Verzehr von rotem Fleisch – etwa Rind, Schwein, Schaf und Ziege – als „wahrscheinlich krebserregend“eingestuft. Verarbeitetes Fleisch gilt demnach sogar als „krebserregend“. Viele Ernährungsrichtlinien empfehlen daher einen geringen Fleischverzehr. „Diese Empfehlungen beruhen jedoch in erster Linie auf Beobachtungsstudien, bei denen ein hohes Risiko für Störfaktoren besteht“, schreiben Johnston und Kollegen. Daher seien Aussagen über einen kausalen Zusammenhang schwierig.
Die Gruppe sichtete alle medizinischen Studien zum Thema, die bis Juli 2018 erschienen waren. Deren Ergebnisse bewerteten die Forscher mit einem Ansatz, der die Methoden, die Qualität der Daten und die Berücksichtigung von Einflussfaktoren einschloss und daraus ableitete, wie valide die jeweiligen Resultate sind. Einflussfaktoren können etwa Konservierungsmittel wie Natrium, Nitrate und Nitrite sein oder Stoffe, die beim Grillen entstehen.
Ergebnisse der rigorosen Prüfung: Mäßigt man seinen Fleischkonsum um drei Portionen pro Woche – also etwa von 7 auf vier Portionen – , so sinkt das Erkrankungsrisiko nur leicht.
Die Forscher bezogen in ihre Untersuchung auch das Wohlbefinden ein, das viele Menschen mit dem Verzehr von Fleisch empfinden. Nach dem Abwägen der Gesundheitsrisiken und dem Verlust an Wohlbefinden, das der Verzicht auf Fleisch bedeuten würde, empfehlen Johnston und Kollegen: Gesunde Menschen sollten weiterhin so viel Fleisch und Fleischprodukte essen, wie sie es aktuell tun.
Die Forscher betonen jedoch, dass in dieser Empfehlung nicht berücksichtigt ist, dass Fleischverzicht aus anderen Gründen sinnvoll sein kann: etwa wegen des Tierwohls oder wegen der Auswirkungen der Tierhaltung auf Umwelt und Klima.
Stefan Kabisch vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in PotsdamRehbrücke sieht die kritische Herangehensweise der Forscher als berechtigt an: „In der Ernährung hängt vieles mit vielem zusammen. Da ist es nicht leicht, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge herzustellen.“Allerdings plädiert er nicht dafür, die aktuellen Ernährungsempfehlungen zu ändern. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch in der Woche zu essen. (dpa)