Schicksal einer Gartenbau-Dynastie
Über 100 Jahre stand der Name F.C. Heinemann in Erfurt für Samenzucht erster Güte
Im Januar 1967 berichteten die Erfurter Zeitungen mit der Überschrift „Jubiläum in der Weidengasse“folgendes: „Der bekannte Erfurter Samenzuchtbetrieb F.C. Heinemann blickt in diesen Tagen auf zehn Jahre staatlicher Beteiligung zurück.“Der Umsatz habe sich, wie man sich weiter rühmt, seit Anfang 1957 nahezu verdoppelt.
Dass die Firma schon 1848 gegründet wurde, wird lediglich in einem Nebensatz erwähnt. Damit jedoch konnte selbst den älteren Erfurtern nicht in Erinnerung gerufen werden, was die Familie Heinemann in Generationen für den Erfurter Gartenbau leistete. Eine sachliche Berichterstattung über die großen Leistungen der Inhaber der Firma Heinemann und ihrer Mitarbeiter war mit der marxistisch-leninistischen Ideologie offenbar nicht vereinbar.
Am 1. April 1848 eröffnete Franz Carl Heinemann in Erfurt einen Gartenbaubetrieb. Er kaufte das Gärtnereigelände in der Kohlgrube (heute Am Hügel/ Huttenplatz) und 1850 das in der Nähe gelegene Grundstück Weidengasse 2, auf dem er ein Geschäftshaus errichtete, das im Dezember 1945 jedoch abbrannte. Im Jahre 1941 wurde die Weidengasse 1, die frühere Weidenmühle, dazu erworben (siehe Zeichnung).
Im Laufe der Jahre kamen an der Nordhäuser Straße und am Marbacher Weg gegenüber dem Städtischen Krankenhaus Grundstücke mit Gewächshäusern, Zuchtgärten und großen Flächen mit Gemüse- und Blumensämereien hinzu.
Die Felder mit den roten Astern in der Marbacher Flur werden viele Ältere noch in guter Erinnerung haben.
Franz Carl Heinemann, geboren 1819 in Vieselbach, hatte die Gärtnerei in Deutschland, Frankreich, Belgien und England erlernt. Schon 1850 standen in F.C. Heinemanns Katalog 2600 Arten von Blumen- und Gemüsesamen, Blumenzwiebeln und Pflanzen. Eine von ihm gezogene neue Sorte Tafeltrauben benannte er nach seinem Lehrer, dem großen Gartenmeister Peter Joseph Lenné in Sanssouci bei Potsdam.
Als Franz Carl Heinemann schon 1875 starb, konnten seine drei jungen Söhne die Großgärtnerei noch nicht leiten. Das tat vorerst ihre Mutter Irene für sie, die bis zu ihrem Tode 1916 Einfluss auf das Unternehmen behielt.
Der Samenzuchtbetrieb war fortan ein Familienunternehmen. In einer Broschüre des Verkehrsamtes Erfurt ist 1937 zu lesen: „Ein riesiger Freundeskreis in allen Weltteilen ist der beste Beweis für die Zuverlässigkeit der rühmlich bekannten Heinemann Qualität in Blumenund Gemüsesamen und allem, was für den Garten gebraucht wird.“
Der Enkel Alfred Heinemann konnte in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen 1948 sagen: „Einhundert Jahre F.C. Heinemann, das sind in unterbrochener Folge von drei Generationen hundert Jahre selbstlosen, erfolggekrönten Schaffens. Einhundert Jahre Saat und Ernte im Bunde mit ernsthaften und getreuen Mitarbeitern.“
Aber wohl gerade weil es so war, wurde der Betrieb der Familie Heinemann nicht belassen. Von 1952 bis 1957 dauerte die Verfolgung von Alfred Heinemann und seines nächsten Mitarbeiters. Er wurde angeblicher Wirtschaftsverbrechen beschuldigt. Dann hatten die Funktionäre die Firma ganz in der Hand. Alfred Heinemann ging nach Westdeutschland, wo er 1966 in Lippstadt im Alter von 74 Jahren verstarb. Als letzter Inhaber der Firma hat er das Werk seiner Vorfahren getreulich geführt – bis zum bitteren Ende.
Das Unternehmen wurde dann 1972 endgültig verstaatlicht.
Heute befinden sich an den ehemaligen Standorten Wohngebiete und ein Teil des Universitäts-Campus’.