Mit dem Säbel ins Klassenzimmer
In Finnland tötet ein Jugendlicher eine Mitschülerin und verletzt weitere Personen. Er war als Einzelgänger bekannt
Kuopio. Die Unterrichtsstunde an der Wirtschaftsberufsschule Savolax für das „Grundexamen in Geschäftstätigkeit“hatte um zwölf Uhr begonnen, als plötzlich ein Schüler hineinstürmte.
Zunächst glaubten die anderen Schüler, es sei wie immer: Der Mitschüler habe sich mal wieder verspätet. Doch statt um Entschuldigung zu bitten, zog er einen Säbel aus einer schmalen, langen Tasche. Es sah „völlig echt aus“, so eine Mitschülerin. Die Gewalttat endete tragisch: Eine Schülerin wurde getötet. Der Täter (Mitte 20) soll sie laut Augenzeugen am Hals verletzt haben. Zehn weitere Personen wurden in der Stadt Kuopio laut Polizei und der Universitätsklinik verletzt, zwei davon schwer.
Kuopio liegt rund 340 Kilometer nördlich von Helsinki. Die Stadt hat knapp 120.000 Einwohner und ist damit die größte im östlichen Teil Finnlands. In Deutschland ist Kuopio vor allem als Wintersportort bekannt.
Unter den Verletzten befanden sich ein Polizist und auch der schwer verletzte Täter. Die Polizei hatte auf ihn geschossen. Er wurde am Nachmittag auf der Intensivstation im Krankenhaus in Kuopio operiert und war zunächst nicht vernehmungsfähig. Die Hintergründe der Tat blieben am Dienstag ebenso unklar wie das Motiv.
Wie genau die Tat passiert ist, versuchen die Ermittler jetzt herauszufinden. Die Polizei bestätigte zunächst lediglich, dass es sich um eine Waffe mit einer Klinge gehandelt habe. Der Täter hatte zudem eine Schusswaffe bei sich.
Laut Augenzeugen ging der Schüler mit einem Säbel auf den Lehrer zu und versuchte, ihn am Kopf zu treffen. Geistesgegenwärtig habe der Lehrer die Klinge mit der Hand abgewehrt, berichten die Schüler. Sie selbst hätten Stühle auf den Angreifer geworfen, um ihn zu stoppen.
Die im Kuopioer Einkaufszentrum Hermann gelegene Berufsschule und die Einkaufspassagen wurden abgesperrt. Insgesamt gehen rund 600 Schüler dort zur Schule, zum Tatzeitpunkt waren 300 zumeist 16- bis 19-Jährige und rund 30 Lehrer anwesend.
Augenzeugen zufolge soll die verstorbene Schülerin Hauptziel des Angriffs gewesen sein. Die Polizei kommentierte das ebenso wenig wie die Frage, welche Waffe der Täter – Schusswaffe oder Säbel – benutzte. Komplizen soll es nicht gegeben haben.
Eine Mitschülerin beschrieb ihn als „pfiffigen Nerd“, der seit diesem Herbst auf der Schule sei. „Er ist eine Art Eigenbrötler“, sagte sie. Beim Täter zu Hause hat die Polizei einen Molotowcocktail beziehungsweise Gegenstände gefunden, mit denen Brände entfacht werden können. Er soll kurz vor seinem Angriff im Klassenzimmer einen Brand in einem anderen Teil der Schule gelegt haben.
Finnlands Regierungschef Antti Rinne zeigte sich schockiert. „Im Namen der Regierung und von mir selbst möchte ich allen Angehörigen mein Beileid aussprechen“, schrieb er in einem Statement.
Ausgerechnet in Finnland, das so stolz auf seinen gesellschaftlichen Zusammenhalt ist, hat es in den vergangenen Jahren mehrfach Amokläufe gegeben. Ausgelöst zumeist von „frustrierten männlichen Einzelgängern“, wie es bei der Polizei heißt.
Weitere Taten in der Vergangenheit
Im Oktober 2018 erstach ein Mann seine Ex-Frau an einer Berufsschule, die den gleichen Unterricht besuchte. 2013 verletzte ein 16-Jähriger drei Mitschüler und einen Wachtmeister schwer mit einem Messer. Im März 2012 gab ein 20-Jähriger fünf Schüsse in einem Klassenzimmer ab.
Einer der schwersten Amokläufe fand 2008 statt. Der 22-jährige Berufsschüler Matt Saari erschoss acht Mitschüler, zwei Lehrer und dann sich selbst. „Hass auf die menschliche Rasse“gab er als Grund an. Mitschüler beschrieben ihn als Außenseiter, der oft Mobbing in der Schule ausgesetzt war.
Bei einem weiteren Schulmassaker 2007 in Jokela erschoss der 18-jährige Schüler PekkaEric Auvinen ebenfalls acht Menschen.