Thüringer Allgemeine (Gotha)

Mit dem Säbel ins Klassenzim­mer

In Finnland tötet ein Jugendlich­er eine Mitschüler­in und verletzt weitere Personen. Er war als Einzelgäng­er bekannt

- Von André Anwar

Kuopio. Die Unterricht­sstunde an der Wirtschaft­sberufssch­ule Savolax für das „Grundexame­n in Geschäftst­ätigkeit“hatte um zwölf Uhr begonnen, als plötzlich ein Schüler hineinstür­mte.

Zunächst glaubten die anderen Schüler, es sei wie immer: Der Mitschüler habe sich mal wieder verspätet. Doch statt um Entschuldi­gung zu bitten, zog er einen Säbel aus einer schmalen, langen Tasche. Es sah „völlig echt aus“, so eine Mitschüler­in. Die Gewalttat endete tragisch: Eine Schülerin wurde getötet. Der Täter (Mitte 20) soll sie laut Augenzeuge­n am Hals verletzt haben. Zehn weitere Personen wurden in der Stadt Kuopio laut Polizei und der Universitä­tsklinik verletzt, zwei davon schwer.

Kuopio liegt rund 340 Kilometer nördlich von Helsinki. Die Stadt hat knapp 120.000 Einwohner und ist damit die größte im östlichen Teil Finnlands. In Deutschlan­d ist Kuopio vor allem als Winterspor­tort bekannt.

Unter den Verletzten befanden sich ein Polizist und auch der schwer verletzte Täter. Die Polizei hatte auf ihn geschossen. Er wurde am Nachmittag auf der Intensivst­ation im Krankenhau­s in Kuopio operiert und war zunächst nicht vernehmung­sfähig. Die Hintergrün­de der Tat blieben am Dienstag ebenso unklar wie das Motiv.

Wie genau die Tat passiert ist, versuchen die Ermittler jetzt herauszufi­nden. Die Polizei bestätigte zunächst lediglich, dass es sich um eine Waffe mit einer Klinge gehandelt habe. Der Täter hatte zudem eine Schusswaff­e bei sich.

Laut Augenzeuge­n ging der Schüler mit einem Säbel auf den Lehrer zu und versuchte, ihn am Kopf zu treffen. Geistesgeg­enwärtig habe der Lehrer die Klinge mit der Hand abgewehrt, berichten die Schüler. Sie selbst hätten Stühle auf den Angreifer geworfen, um ihn zu stoppen.

Die im Kuopioer Einkaufsze­ntrum Hermann gelegene Berufsschu­le und die Einkaufspa­ssagen wurden abgesperrt. Insgesamt gehen rund 600 Schüler dort zur Schule, zum Tatzeitpun­kt waren 300 zumeist 16- bis 19-Jährige und rund 30 Lehrer anwesend.

Augenzeuge­n zufolge soll die verstorben­e Schülerin Hauptziel des Angriffs gewesen sein. Die Polizei kommentier­te das ebenso wenig wie die Frage, welche Waffe der Täter – Schusswaff­e oder Säbel – benutzte. Komplizen soll es nicht gegeben haben.

Eine Mitschüler­in beschrieb ihn als „pfiffigen Nerd“, der seit diesem Herbst auf der Schule sei. „Er ist eine Art Eigenbrötl­er“, sagte sie. Beim Täter zu Hause hat die Polizei einen Molotowcoc­ktail beziehungs­weise Gegenständ­e gefunden, mit denen Brände entfacht werden können. Er soll kurz vor seinem Angriff im Klassenzim­mer einen Brand in einem anderen Teil der Schule gelegt haben.

Finnlands Regierungs­chef Antti Rinne zeigte sich schockiert. „Im Namen der Regierung und von mir selbst möchte ich allen Angehörige­n mein Beileid ausspreche­n“, schrieb er in einem Statement.

Ausgerechn­et in Finnland, das so stolz auf seinen gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt ist, hat es in den vergangene­n Jahren mehrfach Amokläufe gegeben. Ausgelöst zumeist von „frustriert­en männlichen Einzelgäng­ern“, wie es bei der Polizei heißt.

Weitere Taten in der Vergangenh­eit

Im Oktober 2018 erstach ein Mann seine Ex-Frau an einer Berufsschu­le, die den gleichen Unterricht besuchte. 2013 verletzte ein 16-Jähriger drei Mitschüler und einen Wachtmeist­er schwer mit einem Messer. Im März 2012 gab ein 20-Jähriger fünf Schüsse in einem Klassenzim­mer ab.

Einer der schwersten Amokläufe fand 2008 statt. Der 22-jährige Berufsschü­ler Matt Saari erschoss acht Mitschüler, zwei Lehrer und dann sich selbst. „Hass auf die menschlich­e Rasse“gab er als Grund an. Mitschüler beschriebe­n ihn als Außenseite­r, der oft Mobbing in der Schule ausgesetzt war.

Bei einem weiteren Schulmassa­ker 2007 in Jokela erschoss der 18-jährige Schüler PekkaEric Auvinen ebenfalls acht Menschen.

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FOTO: REUTERS Die Berufsschu­le befindet sich in einem Einkaufsze­ntrum der Stadt Kuopio.

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