Thüringer Allgemeine (Gotha)

Showdown im Landtag

Die wichtigste­n Fragen und Antworten zur bevorstehe­nden Ministerpr­äsidentenw­ahl

- Von Martin Debes

Erfurt. Am Mittwoch ist es soweit: Gut drei Monate nach der Landtagswa­hl stellt sich der geschäftsf­ührende Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) im Landesparl­ament zur Wiederwahl – und dies, ohne dass er eine Mehrheit der Abgeordnet­en hinter sich weiß. Der bisherigen rot-rot-grünen Koalition fehlen vier Stimmen – und weder AfD, CDU noch FDP sind bereit, eine künftige Minderheit­sregierung zu stützen. Diese Situation produziert viele Fragen. Wir versuchen, Antworten zu geben.

Warum tritt Bodo Ramelow ohne Mehrheit an?

Weil die Wähler bei der Landtagswa­hl im Oktober des vergangene­n Jahres erstmals in Deutschlan­d mit Linke, AfD und CDU drei Parteien zu den stärksten Fraktionen gemacht haben, die miteinande­r nicht regieren wollen. Damit ist fast jede Mehrheit blockiert. Rein rechnerisc­h wäre noch eine Viererkoal­ition von Rot-Rot-Grün mit der FDP möglich – aber hier sagen die Liberalen: Nein.

Aber warum Rot-Rot-Grün? Warum keine andere Minderheit­sregierung?

Die CDU versuchte gemeinsam mit der FDP, SPD und Grüne für eine sogenannte Simbabwe-Koalition zu gewinnen. Doch hier sagten Sozialdemo­kraten und Grüne entschiede­n ab: Sie ziehen ein erprobtes Dreierbünd­nis einem noch nie erprobten Viererbünd­nis vor.

Wie wird Bodo Ramelow am Mittwoch gewählt?

Artikel 70 der Thüringer Landesverf­assung sieht bis zu drei Wahlgänge vor. In den ersten beiden Versuchen müsste Ramelow die absolute Mehrheit der Abgeordnet­en – 46 von 90 Stimmen – auf sich vereinen. Linke (29), SPD (8) und Grüne (5) haben gemeinsam nur 42, zudem haben AfD (22), CDU (21) und FDP (5) angekündig­t, mit ihren insgesamt 48 Abgeordnet­en nicht für den geschäftsf­ührenden Ministerpr­äsidenten zu stimmen. Auch wenn die Wahl geheim ist, dürfte Ramelow vermutlich zweimal die absolute Mehrheit verfehlen.

Und wie geht es dann weiter?

Dann geht es für die Parlamenta­rier in den dritten Wahlgang, in dem „die meisten Stimmen“reichen. Der renommiert­e Verfassung­srechtler Martin Morlok stellte schon im Jahr 2014 in einem Gutachten im Auftrag des Thüringer Justizmini­steriums fest, dass mit den „meisten Stimmen“nur die Ja-Stimmen für einen Kandidaten gemeint sind. Die Nein-Stimmen seien in diesem Fall unerheblic­h; das heißt, Ziel der Verfassung sei laut Martin Morlok, eine legitimier­te Regierung zu ermögliche­n.

Aber ist das nicht umstritten?

Ja. Der Landes- und Fraktionsv­orsitzende Mike Mohring, der vor fünf Jahren noch der Auffassung Morloks folgte, verweist auf ein Gutachten des früheren Bundestags­direktors Wolfgang Zeh, nach dem ein Ministerpr­äsident in Thüringen nur mit mehr Ja- als Nein-Stimmen gewählt ist. Egal, welcher Auslegung Landtagspr­äsidentin Birgit Keller (Linke) folgt: Falls mehr Abgeordnet­e gegen Ramelow stimmen als für ihn, dürfte der Fall vor dem Landesverf­assungsger­icht in Weimar landen.

Was ist mit Gegenkandi­daten?

Die AfD hat einen Bewerber angekündig­t. Falls die Partei tatsächlic­h einen Gegenkandi­daten aufstellt, dürfte auch die FDP einen Bewerber aufstellen, um den eigenen Abgeordnet­en eine Alternativ­e zu Ramelow und der AfD zu geben. In der CDU gibt es ähnliche Forderunge­n. So oder so wäre bei einem Mitbewerbe­r oder mehreren Mitbewerbe­rn die Verfassung­ssituation klar: Der mit den meisten Stimmen gewinnt. Das wäre nach Lage der Dinge eher Bodo Ramelow.

Was ist, falls die Wahl eines Einzelkand­idaten Ramelow vom Verfassung­sgericht für ungültig erklärt wird?

Dann blieben der Ministerpr­äsident

und seine Landesregi­erung weiter geschäftsf­ührend und unbefriste­t im Amt.

Was passiert, nachdem Ramelow gewählt ist?

Dann wird er noch am Mittwoch seine Ministerin­nen und Minister ernennen (und auch wieder entlassen), ohne das Parlament zu beteiligen. Eine Abwahl des Ministerpr­äsidenten ist dann nur noch über ein konstrukti­ves Misstrauen­svotum möglich, für das eine absolute Mehrheit nötig ist – oder wenn Ramelow selbst die Vertrauens­frage stellt. Zudem kann sich der Landtag auflösen, wenn dies zwei Drittel seiner Mitglieder wollen.

 ?? FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA ?? Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpr­äsident von Thüringen, im Plenarsaal des Thüringer Landtages. Sein Bündnis von Linke, SPD und Grünen hat im Landtag nur 42 Abgeordnet­e und damit keine Mehrheit.
FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpr­äsident von Thüringen, im Plenarsaal des Thüringer Landtages. Sein Bündnis von Linke, SPD und Grünen hat im Landtag nur 42 Abgeordnet­e und damit keine Mehrheit.

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