Showdown im Landtag
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur bevorstehenden Ministerpräsidentenwahl
Erfurt. Am Mittwoch ist es soweit: Gut drei Monate nach der Landtagswahl stellt sich der geschäftsführende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im Landesparlament zur Wiederwahl – und dies, ohne dass er eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich weiß. Der bisherigen rot-rot-grünen Koalition fehlen vier Stimmen – und weder AfD, CDU noch FDP sind bereit, eine künftige Minderheitsregierung zu stützen. Diese Situation produziert viele Fragen. Wir versuchen, Antworten zu geben.
Warum tritt Bodo Ramelow ohne Mehrheit an?
Weil die Wähler bei der Landtagswahl im Oktober des vergangenen Jahres erstmals in Deutschland mit Linke, AfD und CDU drei Parteien zu den stärksten Fraktionen gemacht haben, die miteinander nicht regieren wollen. Damit ist fast jede Mehrheit blockiert. Rein rechnerisch wäre noch eine Viererkoalition von Rot-Rot-Grün mit der FDP möglich – aber hier sagen die Liberalen: Nein.
Aber warum Rot-Rot-Grün? Warum keine andere Minderheitsregierung?
Die CDU versuchte gemeinsam mit der FDP, SPD und Grüne für eine sogenannte Simbabwe-Koalition zu gewinnen. Doch hier sagten Sozialdemokraten und Grüne entschieden ab: Sie ziehen ein erprobtes Dreierbündnis einem noch nie erprobten Viererbündnis vor.
Wie wird Bodo Ramelow am Mittwoch gewählt?
Artikel 70 der Thüringer Landesverfassung sieht bis zu drei Wahlgänge vor. In den ersten beiden Versuchen müsste Ramelow die absolute Mehrheit der Abgeordneten – 46 von 90 Stimmen – auf sich vereinen. Linke (29), SPD (8) und Grüne (5) haben gemeinsam nur 42, zudem haben AfD (22), CDU (21) und FDP (5) angekündigt, mit ihren insgesamt 48 Abgeordneten nicht für den geschäftsführenden Ministerpräsidenten zu stimmen. Auch wenn die Wahl geheim ist, dürfte Ramelow vermutlich zweimal die absolute Mehrheit verfehlen.
Und wie geht es dann weiter?
Dann geht es für die Parlamentarier in den dritten Wahlgang, in dem „die meisten Stimmen“reichen. Der renommierte Verfassungsrechtler Martin Morlok stellte schon im Jahr 2014 in einem Gutachten im Auftrag des Thüringer Justizministeriums fest, dass mit den „meisten Stimmen“nur die Ja-Stimmen für einen Kandidaten gemeint sind. Die Nein-Stimmen seien in diesem Fall unerheblich; das heißt, Ziel der Verfassung sei laut Martin Morlok, eine legitimierte Regierung zu ermöglichen.
Aber ist das nicht umstritten?
Ja. Der Landes- und Fraktionsvorsitzende Mike Mohring, der vor fünf Jahren noch der Auffassung Morloks folgte, verweist auf ein Gutachten des früheren Bundestagsdirektors Wolfgang Zeh, nach dem ein Ministerpräsident in Thüringen nur mit mehr Ja- als Nein-Stimmen gewählt ist. Egal, welcher Auslegung Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) folgt: Falls mehr Abgeordnete gegen Ramelow stimmen als für ihn, dürfte der Fall vor dem Landesverfassungsgericht in Weimar landen.
Was ist mit Gegenkandidaten?
Die AfD hat einen Bewerber angekündigt. Falls die Partei tatsächlich einen Gegenkandidaten aufstellt, dürfte auch die FDP einen Bewerber aufstellen, um den eigenen Abgeordneten eine Alternative zu Ramelow und der AfD zu geben. In der CDU gibt es ähnliche Forderungen. So oder so wäre bei einem Mitbewerber oder mehreren Mitbewerbern die Verfassungssituation klar: Der mit den meisten Stimmen gewinnt. Das wäre nach Lage der Dinge eher Bodo Ramelow.
Was ist, falls die Wahl eines Einzelkandidaten Ramelow vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt wird?
Dann blieben der Ministerpräsident
und seine Landesregierung weiter geschäftsführend und unbefristet im Amt.
Was passiert, nachdem Ramelow gewählt ist?
Dann wird er noch am Mittwoch seine Ministerinnen und Minister ernennen (und auch wieder entlassen), ohne das Parlament zu beteiligen. Eine Abwahl des Ministerpräsidenten ist dann nur noch über ein konstruktives Misstrauensvotum möglich, für das eine absolute Mehrheit nötig ist – oder wenn Ramelow selbst die Vertrauensfrage stellt. Zudem kann sich der Landtag auflösen, wenn dies zwei Drittel seiner Mitglieder wollen.