Thüringer Allgemeine (Gotha)

Lungengewe­be regenerier­t sich bei Ex-Rauchern

Tabakrauch ist krebserreg­end. Doch Forscher sagen: Es ist nie zu spät, auf Zigaretten zu verzichten

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Hinxton. Wer mit dem Rauchen aufhört, stoppt nicht nur die weitere Schädigung von Lungenzell­en. Zusätzlich gibt er seinem Körper die Möglichkei­t, Lungengewe­be zu regenerier­en. In einer Untersuchu­ng von Lungenzell­en stellten Wissenscha­ftler fest, dass ehemalige Raucher etwa viermal so viele gesunde Zellen besitzen wie Raucher. Die Studie einer Forschergr­uppe um Peter Campbell vom Wellcome Sanger Institute in Hinxton (Großbritan­nien) ist in der Fachzeitsc­hrift „Nature“erschienen.

Lungenkreb­s gehört zu den häufigsten Krebsarten in Deutschlan­d und vielen anderen Ländern. Als wichtigste­r Risikofakt­or gilt das Rauchen. Früheren Studien zufolge sind bis zu 90 Prozent der Lungenkreb­sfälle auf Tabakrauch zurückzufü­hren. Nach Angaben des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums enthält Tabakrauch mehr als 90

Stoffe, die mit hoher Wahrschein­lichkeit krebserreg­end sind. „Menschen, die 30, 40 oder mehr Jahre stark geraucht haben, sagen mir oft, dass es zu spät ist, mit dem Rauchen aufzuhören – der Schaden ist bereits angerichte­t“, wird Campbell in einer Mitteilung von Cancer Research UK zitiert. „Das Aufregende an unserer Studie ist, dass sie zeigt, dass es nie zu spät ist, aufzuhören.“

Ihre Untersuchu­ng führten Campbell und Kollegen an Zellen aus den Luftwegen der Lungen von drei Kindern, vier Nichtrauch­ern, sechs ehemaligen Rauchern und drei Rauchern durch. Sie untersucht­en das Erbgut von 632 Zellkoloni­en auf die Häufigkeit von Mutationen, also Erbgutverä­nderungen. Einige Mutationen in den Zellen sind allein auf das Alter zurückzufü­hren: Die Forscher errechnete­n, dass durchschni­ttlich 22 Mutationen pro Zelle in jedem Lebensjahr hinzukomme­n. Der Wert stieg auf schätzungs­weise 2330 Mutationen bei ehemaligen Rauchern und 5300 Mutationen bei Rauchern. Je höher eine Zelle mit Mutationen belastet ist, desto größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass Veränderun­gen darunter sind, die zur Umwandlung in eine Krebszelle führen.

Trotz hoher Mutationsa­nzahl in den meisten Zellen fanden die Forscher auch bei Rauchern einzelne Zellen, die verhältnis­mäßig wenige Veränderun­gen aufwiesen. Bei ehemaligen Rauchern machten diese Zellen sogar 20 bis 40 Prozent aller Zellen aus. Diese Zellen besaßen lange Telomere (Endstücke) an den Chromosome­n; Telomere verkürzen sich bei jeder Zellteilun­g. Deshalb vermuten die Forscher, dass sich diese Zellen noch nicht oft geteilt haben und vielleicht aus „schlafende­n“Stammzelle­n hervorgega­ngen sind.

In einem „Nature“-Kommentar betont Gerd Pfeifer vom Van Andel Institute in Grand Rapids (Michigan, USA), dass die Studie das Verständni­s der Auswirkung­en von Tabakrauch auf normale Lungenzell­en erweitert habe. Pfeifer denkt auch an einen möglichen therapeuti­schen Ansatz: „Vielleicht wird es eines Tages möglich sein, Wege zu entwickeln, um die Population von Lungenzell­en mit wenigen Mutationen bei ehemaligen Rauchern zu vergrößern.“dpa

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FOTO: ISTOCK Raucher haben ein erhöhtes Risiko für Lungenkreb­s.

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