Schaffen E-Autos jetzt den Durchbruch?
Die Hersteller gehen in diesem Jahr in die Elektro-Offensive – auch aus Angst vor Milliardenstrafen der EU
Berlin. Die Elektromobilität nimmt in Deutschland langsam Fahrt auf. 2019 sind 60 Prozent mehr Elektroautos und Plug-in-Hybride auf die Straße gekommen als im Vorjahr. Immerhin 107.500 der 3,5 Millionen Neuwagen haben einen umweltfreundlichen Antrieb. Ab diesem Jahr müssen die Hersteller die Zahlen noch deutlich steigern. Sonst drohen wegen strenger EU-Vorgaben zum CO2-Ausstoß Milliardenstrafen. Doch ausgerechnet höhere Kaufprämien, die die Elektromobilität voranbringen sollen, erweisen sich als massiver Bremsklotz.
Im vergangenen Herbst hatten sich Politik und Industrie auf einen deutlichen Ausbau der Förderung geeinigt. Der Umweltbonus für Elektroautos, den sich Hersteller und Staat teilen, wird nun bis Ende 2025 für bis zu 700.000 Neuwagen gezahlt. Für Autos mit einem Listenpreis von bis zu 40.000 Euro steigt die Prämie von 4000 auf 6000 Euro. Für Fahrzeuge mit einem Preis von bis zu 65.000 Euro gibt es künftig 5000 Euro. Wer sich teurere Autos wie Teslas Luxusmodelle S und X oder den Audi e-tron leistet, bekommt nichts.
Allein – wann die höhere Förderung kommt, ist offen. Die EU-Kommission muss die erhöhte Förderung absegnen. Das Bundeswirtschaftsministerium ließ eine Anfrage unserer Redaktion dazu offen. Die unklare Situation wirkt sich spürbar auf die Zulassungszahlen aus. „Statt Wachstum ist Abbruch angesagt“, sagt Autoexperte Ferdiwie nand Dudenhöffer, Leiter des CARInstituts an der Universität Duisburg-Essen.
Im Oktober 2019 haben Privatkunden nur 1120 Autos mit reinem Elektroantrieb neu zugelassen. Nach Zahlen des CAR-Instituts ist das fast ein Drittel weniger als im Vorjahresmonat. Rechnet man das erwartete Wachstum hinzu, beträgt der Einbruch gar 40 Prozent. Generell ist die Nachfrage bei Privatkunden mau. Sie kauften 2019 nur jedes vierte Elektro- oder Hybridauto.
ADAC-Vizepräsident Gerhard Hillebrand fordert daher, dass Hindernisse
Welche Automarken stoßen das meiste CO2 aus?
Spielen Sie unser Auto-Quartett in der „Klima-Edition“– und erfahren Sie, welchen Anteil die SUVs am hohen CO2-Ausstoß haben. interaktiv.thueringer-allgemeine.de/suv-co2-auto-quartett-klima/
beseitigt werden, die die Elektromobilität behindern: „Dazu zählen die vergleichsweise hohen Kosten beim Kauf eines E-Autos, eine geringe Auswahl an Modellen und Defizite bei der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum, aber auch im privaten Wohnumfeld“, betont er. Der ADAC befürwortet die staatliche Förderung, denn E-Autos würden so billiger. Daher sei zu hoffen, dass die EU-Kommission die erhöhte Kaufprämie zeitnah genehmigt.
Die zuletzt gesunkenen Zulassungszahlen sind schlechte Vorzeichen für dieses Jahr, in dem die Elektromobilität so richtig durchstarten soll – oder muss. Ab 2020 müssen die Autokonzerne den CO2-Ausstoß ihrer Neuwagen in der EU im Schnitt auf unter 95 Gramm je Kilometer drücken. Das entspricht einem Verbrauch von 3,6 Litern Diesel oder 4,1 Litern Benzin auf 100 Kilometer – das erreicht schon auf dem Papier so gut
kein herkömmlicher Kleinwagen. Die Konzerne müssen also den Absatz von Elektro- und Hybridautos ankurbeln. Sonst riskieren sie Milliardenstrafen.
Bis 2022 gelten noch etliche Ausnahmen. So werden nur 95 Prozent der Neuwagen in die Rechnung einbezogen, die schmutzigsten bleiben wohl außen vor. Elektroautos zählen doppelt. Und es gibt einen Rabatt für Hersteller, die viele schwere Autos mit großem Spritdurst verkaufen.
Volkswagen erwartet daher einen Zielwert „etwas oberhalb“der EU-Marke von 95 Gramm Kohlendioxid je Kilometer, Mercedes geht von 105 Gramm aus. 2018 erreichte VW 121,9 Gramm, der Rivale aus Stuttgart kam auf 132. Der CO2-Ausstoß stieg zuletzt sogar leicht. Beiden Herstellern machen der Trend zu spritschluckenden SUV und die Abkehr vom effizienteren Dieselmotor zu schaffen.
Trotzdem zeigt sich VW optimistisch. Man habe eine „beispiellose Elektro-Offensive“gestartet, sagt ein Sprecher. Mit vollelektrischen Modellen wie dem ID.3 werde der Elektro-Anteil bei VW 2020 auf vier Prozent steigen. 2025 sollen schon mindestens 20 Prozent der Neuwagen keinen Verbrennungsmotor mehr haben. Hinzu kommen Autos mit Hybridmotor.
Autoexperte Dudenhöffer ist überzeugt, dass die Kunden vom Druck auf die Hersteller profitieren. Es winken hohe Preisabschläge. „Mit dem Jahr 2020 kommen die CO2-Rabatte“, sagt er.