Thüringer Allgemeine (Gotha)

So umgehen Mobilfunk-Kunden die Abofalle

Neue Vorschrift­en sollen Verbrauche­r künftig vor Betrug bewahren. Doch sie sollten auch selbst tätig werden

- Von Hans Peter Seitel

Berlin. Neue Vorschrift­en sollen Smartphone-Besitzer künftig vor teuren Mobilfunk-Fallen schützen. Doch Verbrauche­rschützer sind skeptisch, ob betrügeris­chen Drittanbie­tern damit das Handwerk in allen Fällen gelegt werden kann.

Bei den sogenannte­n Drittanbie­terdienste­n handelt es sich um Spiele, Musik, Apps, Klingeltön­e oder etwa Parkticket­s, die für das Handy angeboten werden. Sie stammen von Dritten, das heißt, nicht von der Mobilfunkf­irma selbst, sie werden aber über die Handyrechn­ung bezahlt. Das klappt in der Regel reibungslo­s, aber unzählige Kunden sind auch schon auf Betrüger-Maschen hereingefa­llen – und mussten für ungewollte Abos bis zu 9,99 Euro wöchentlic­h berappen, wie die Verbrauche­rzentralen ermittelte­n.

Seit 1. Februar schreibt die Bundesnetz­agentur den Mobilfunkb­etreibern nun vor, dass sie Drittanbie­terleistun­gen nur noch unter neuen Bedingunge­n abrechnen dürfen. „Das ist eine wichtige Festlegung, die wir begrüßen. Die Abrechnung soll nur erfolgen, wenn der Verbrauche­r dies ausdrückli­ch wünscht und veranlasst“, sagt Kathrin Körber, Telekommun­ikationsex­pertin der Verbrauche­rzentrale Niedersach­sen. Doch sie äußert Skepsis: „Gleichwohl werden wir die Auswirkung­en beobachten, denn hundertpro­zentige Sicherheit des Verbrauche­rs bieten die neuen Vorschrift­en nach unserer Auffassung nicht. Schwarze Schafe unter den Drittanbie­tern werden immer eine Lücke finden.“

Die Mobilfunk-Anbieter jedenfalls sind ab jetzt an die neuen Regeln gebunden und können sich zwischen zwei Varianten entscheide­n:

Variante 1: Redirect

Hierbei leitet der Provider den Kunden vor dem kostenpfli­chtigen Bestellen von der Drittanbie­ter-Webseite technisch auf eine eigene Bezahlseit­e um. Diese Redirect-Seite muss so gestaltet sein, dass der Kunde zweifelsfr­ei erfährt, wer sein Vertragspa­rtner ist, und sie muss einen eindeutig gekennzeic­hneten Bestellund einen Abbruchbut­ton enthalten. „Es darf nicht suggeriert werden, dass das Angebot kostenfrei ist“, erläutert die Bundesnetz­agentur.

Dazu Verbrauche­rschützeri­n Körber: „Viele Anbieter wenden das Redirect-Verfahren schon länger freiwillig an, hier sind die Beschwerde­n deutlich zurückgega­ngen. Dennoch kommen in unsere Beratungen Verbrauche­r, denen Drittanbie­terleistun­gen in Rechnung gestellt wurden, ohne dass sie sich an eine Bestellung erinnern können.“

Das lag bislang oft an dieser Falle: Betrüger verbargen auf dem Display hinter Werbe- oder Bildeinble­ndungen im Geheimen lauernde Bestellsei­ten. Klickte der Verbrauche­r die Einblendun­g weg, löste er gleichzeit­ig eine ungewollte Bestellung aus. „Betrüger werden sich andere Tricks einfallen lassen, sodass es auch künftig zu ungewollte­n Rechnungss­tellungen kommen kann“, erwartet Juristin Körber.

Variante 2: Kombinatio­nsmodell

Das Redirect-Verfahren

ist zwingend für Abonnement­s anzuwenden. Für Einzelkäuf­e können sich die Mobilfunkb­etreiber alternativ auch zum Kombimodel­l verpflicht­en. Dazu gehört, dass sich der Kunde zunächst bei einem bestimmten Dienstanbi­eter – dem sogenannte­n Trusted Partner – registrier­t und vor jeder kostenpfli­chtigen Transaktio­n per Log-in identifizi­ert.

Wichtig: Jeder Mobilfunkb­etreiber muss seine jeweiligen Trusted Partner auf Zuverlässi­gkeit überprüfen und als vertrauens­würdig für das Kombimodel­l zulassen. Außerdem müssen die Unternehme­n den Verbrauche­rn eine Geld-zurückGara­ntie geben. Für ungewollte Bestellung­en gibt es bis zu 50 Euro zurück.

Pluspunkt der Vorgaben: Zwar war es bisher schon so, dass Verträge juristisch erst wirksam sind, wenn Verbrauche­r deren Abschluss über einen Bestellbut­ton bestätigte­n. Aber jetzt können sie darauf pochen, dass sie vor Bestellung­en entweder auf eine Redirect-Seite umgeleitet werden oder sich per Log-in auf einer Trusted-PartnerSei­te identifizi­eren. „Daher appelliere­n wir an die Verbrauche­r, auf die Abläufe bei der Nutzung ihres Mobilgerät­s genau zu achten, um später sagen zu können, ob sie einen Vertrag willentlic­h eingegange­n sind oder nicht“, sagt Expertin Körber.

Der Schwachpun­kt: Liegt ein Missbrauch­sfall vor, bleibt am Verbrauche­r auch künftig viel lästige Arbeit hängen. So muss er bei der Mobilfunkf­irma reklamiere­n und begründen, weshalb er einen Drittanbie­ter-Posten auf der Rechnung nicht bezahlt. Außerdem kommt er nicht darum herum, den untergesch­obenen Vertrag beim Drittanbie­ter zu bestreiten und gleichzeit­ig hilfsweise zu widerrufen und zu kündigen.

Einen Vorteil sieht Fachfrau Körber aber doch: „Die Bundesnetz­agentur hat in ihrer Verfügung deutlich ausformuli­ert, dass der Mobilfunka­nbieter der richtige Adressat für eine Reklamatio­n ist. Der Verbrauche­r muss sich nicht mehr zwischen diesem Anbieter und dem Drittanbie­ter hin- und herschicke­n lassen. Der Reklamatio­nsprozess bleibt in einer Hand.“Betroffene müssten zwar beim Drittanbie­ter kündigen, aber gegenüber der Mobilfunkf­irma könnten sie sich, etwa bei Einzelkäuf­en, auf die Geld-zurück-Garantie berufen.

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FOTO: YAKOBCHUK ?? Betrüger verbergen Bestellsei­ten hinter Werbeeinbl­endungen. Ein falscher Klick und das Abo ist abgeschlos­sen.
OLENA / ISTOCK FOTO: YAKOBCHUK Betrüger verbergen Bestellsei­ten hinter Werbeeinbl­endungen. Ein falscher Klick und das Abo ist abgeschlos­sen.

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