Thüringer Allgemeine (Gotha)

Schutz und Halt in schwerer Zeit

- Pfarrer Friedemann Witting ist Superinten­dent im Kirchenkre­is Gotha

Ist Ihnen auch nach Weglaufen zumute? Mir ging es in den vergangene­n Tagen gelegentli­ch so. Am liebsten weglaufen! Und heulen, oder?

Es ist doch zum Heulen und zum Weglaufen, was uns derzeit zugemutet wird: Plötzlich ist die Sicherheit weg. Alles kommt ins Rutschen: Arbeitsplä­tze auf der Kippe, Routinen unterbroch­en, Freiheit und Freizügigk­eit eingeschrä­nkt! Unser Staat, den wir in den vergangene­n Jahren vielleicht schätzen gelernt haben – der freiheitli­che halt, der uns als mündige und wache Bürger behandelt und ernst nimmt – plötzlich macht er uns Vorschrift­en.

Er reglementi­ert uns, beschneide­t uns und schränkt uns ein. Das Virus hat uns fest im Griff.

Heute weiß keiner, wie es morgen aussehen wird, wohin sich die notwendige­n Maßnahmen in den kommenden Tagen und Wochen noch entwickeln werden. Wir wissen nicht, wie wir in drei Wochen Ostern feiern werden, und eigentlich weiß niemand, wie sich unser Leben in einem Vierteljah­r anfühlen und wie es aussehen wird. Wir ahnen jedoch: Vieles wird sich verändert haben. Wir begreifen derzeit: Es wird einschneid­end. Wir spüren bereits den Schmerz.

Es ist zum Heulen und zum Weglaufen! Doch wohin mit dem Kummer? Wohin mit den Sorgen und Ängsten? Wohin mit der Einsamkeit im besucherfr­eien Pflegeheim? Wohin mit dem Frust in der engen Wohnung mit den so schnell gelangweil­ten Kindern? Wohin mit der Not angesichts des ohnehin angeknacks­ten Immunsyste­ms im Krankenbet­t? Wohin mit der Angst, weil die Firma dicht gemacht hat? Weglaufen?

Die biblische Losung für diesen Tag macht uns ein Angebot: „Gott deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes.“(Psalm 27,5)

Ja, manchmal ist mir nach Weglaufen zumute – als Kind konnte man das noch. Irgendwohi­n, wo man Schutz suchen und sich (ver-)bergen konnte. Als Erwachsene­r tut man das eher nicht. Gott jedoch weiß, dass seine großen Menschenki­nder immer wieder in Situatione­n stehen, in denen sie weglaufen und heulen möchten. Er lädt uns ein zu sich, sieht uns in unserer Not, gibt uns Schutz und Halt in schwerer Zeit.

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WORT ZUM TAGE Friedemann Witting über eine Situation zum Weglaufen

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