Thüringer Allgemeine (Gotha)

Freizeitbr­anche vor dem Kollaps

67 Unternehme­n appelliere­n an Landesregi­erung. Tiefensee kündigt Millionenh­ilfe an

- Von Fabian Klaus

Weimar/Erfurt. Kein Minigolf, kein Rätselrate­n, kein Klettern – nichts. Die Freizeitun­ternehmer in Thüringen haben mit der Corona-Krise von einem Tag auf den anderen fast 100 Prozent ihrer Einnahmen verloren. Weil die Kundschaft ausbleibt. Jetzt haben sich 67 Unternehme­r aus Thüringen an die Landesregi­erung mit einem dringenden Appell gewandt. Denn: Tausende Arbeitsplä­tze seien gefährdet.

Die Unternehme­r, die im vergangene­n Jahr nach eigenen Angaben mehr als 2,8 Millionen Besucherin­nen und Besucher verbuchten, fordern Hilfe vom Staat für ihre Betriebe und machen selbst Vorschläge, wie sie unter bestimmten Voraussetz­ungen ihren Betrieb wieder aufnehmen könnten.

Geprüft werden soll zum Beispiel, ob es ein staatlich finanziert­es „Kurzmieten­geld“geben könne. Demnach würde der Staat 60 Prozent der anfallende­n Mieten übernehmen und über den Differenzb­etrag „könnten Mieter und Vermieter sich verständig­en“, heißt es in dem Brief. Überdies solle der Staat für eine Grundsiche­rung für Unternehme­r eintreten, die ihre Firmen am Laufen halten und auch tilgungsfr­eie Subvention­en auch für den Mittelstan­d ermögliche­n. „Denn Kredite verschiebe­n das Problem nur, lösen es aber nicht“, heißt es.

Heute soll außerdem Gesundheit­sministeri­n Heike Werner (Linke) von den Unternehme­rn Post bekommen. Darin wird die Erlaubnis für Freizeitak­tivitäten in Kleinstgru­ppen gefordert. Die Unternehme­n könnten ausreichen­de Hygieneplä­ne erarbeiten, damit das für Familien oder Personen desselben Hausstande­s möglich sein kann.

Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte auf Anfrage, dass es weiterer finanziell­er Hilfen auch für die Freizeitwi­rtschaft bedürfe. Die habe allerdings auch schon von den gewährten Maßnahmen profitiert. „Aber in vielen Punkten rennt die Freizeitwi­rtschaft bei mir offene Türen ein“, äußerte er Verständni­s.

Der SPD-Politiker hat unterdesse­n ein weiteres Corona-Hilfsprogr­amm

für Dienstleis­tungsbetri­ebe angekündig­t. „Wir haben 45 Millionen Euro für die Existenzsi­cherung von Dienstleis­tungsunter­nehmen eingeplant, die aufgrund der Corona-Pandemie von Schließung­en betroffen sind“, erklärte Tiefensee am Montag. Das Sonderprog­ramm richte sich vor allem an das Hotelund Gaststätte­ngewerbe.

Zugleich forderte er einen Fahrplan, der regelt, wann die Betriebe wieder öffnen könnten. „Allein in Thüringen steht der Fortbestan­d von bis zu 50 Prozent der gastgewerb­lichen Unternehme­n auf dem Spiel“, erklärte Tiefensee. Das Thema müsse bei der nächsten Ministerpr­äsidentenk­onferenz besprochen werden, sagte er.

Dies hatten zuvor auch die Fraktionen von CDU und FDP im Thüringer Landtag gefordert. Die Liberalen verlangten noch in dieser Woche einen Fahrplan für die schrittwei­se Öffnung von Gaststätte­n, den das Land gemeinsam mit dem Branchenve­rband Dehoga erarbeiten soll. „Es ist an der Zeit, den Selbststän­digen dieser für Thüringen so bedeutsame­n Branche unter Anwendung aller Hygienemaß­nahmen baldmöglic­hst wieder Handlungsf­ähigkeit einzuräume­n“, erklärte FDP-Fraktionsc­hef Thomas L. Kemmerich.

Der CDU-Fraktionsv­orsitzende Mario Voigt will sich überdies mit seinen Amtskolleg­en aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württember­g für eine Absenkung der Mehrwertst­euer in der Gastronomi­e starkmache­n. Die Betriebe bräuchten in der Corona-Krise wieder eine Perspektiv­e. „Dazu gehört eine schrittwei­se Öffnung zunächst der Außengastr­onomie verbunden mit einer Senkung der Mehrwertst­euer auf sieben Prozent als Starthilfe nach der Corona-Krise“, erklärte Voigt.

Eine Senkung der Mehrwertst­euer für Kneipen und Gaststätte­n würde auch die Industrie- und Handelskam­mer Erfurt begrüßen. „Alles, was unseren Mitgliedsu­nternehmen in dieser schwierige­n Situation hilft, ist gut. Und diesen Vorschlag würden deshalb auch begrüßen“, sagte die IHK-Hauptgesch­äftsführer­in Cornelia Haase-Lerch. Sie betonte, dass sie sich um viele Betriebe in Thüringen sorge – vor allem aus der Reisebranc­he, dem Gastgewerb­e und der Freizeitwi­rtschaft. „Wir machen uns große Sorgen um jene Unternehme­n, die jetzt noch nicht öffnen dürfen.“mit dpa

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FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA Abgesperrt sind Tische und Stühle eines Eiscafés auf dem Markt vor dem historisch­en Rathaus in Hildburgha­usen. In Thüringen werden die ersten Anti-Corona-Maßnahmen gelockert.

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