Thüringer Allgemeine (Gotha)

Gottesdien­ste unter Auflagen

„Wenn man Läden öffnet, darf man auch in Kirchen beten“, sagt Armin Laschet. Aber so einfach ist es nicht

- Von Miguel Sanches

Berlin. In Paris muss ein Priester 135 Euro Strafe zahlen, weil er eine Ostermesse heimlich zelebriert hat. Ein Anwohner hat das Orgelspiel gehört und die Polizei alarmiert. Vergleichb­are Vorkommnis­se sind aus Deutschlan­d nicht bekannt. Aber die Ungeduld ist auch hier groß. Die Kirchen drängen, am lautesten die katholisch­e, das öffentlich­e Gottesdien­stleben schrittwei­se wieder zu ermögliche­n. Sachsen erlaubt seit Montag wieder Gottesdien­ste, freilich nur mit maximal je 15 Personen. Die Zahl ist nicht zufällig gewählt. 15 Teilnehmer – das war in den letzten Wochen in den Kirchen auch die Orientieru­ngsgröße bei Begräbniss­en. In Brandenbur­g sind Taufen und Trauerfeie­rn mit bis zu 20 Personen zugelassen.

Muslime halten sich an die Auflagen

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte gestern nach dem Krisenkabi­nett, sie kenne die Erwartunge­n der Kirchen. Sie bat um Geduld: „Diese Pandemie verlangt uns allen in diesem Lande, jedem Einzelnen, aber auch der Gemeinscha­ft ziemlich viel ab.“

Die Teilöffnun­g von Geschäften mit einer Fläche bis 800 Quadratmet­er seit Montag ist die pragmatisc­he Begründung, um auch Gotteshäus­er wieder zu öffnen. Zugunsten der Kirchen spricht ferner ihr rechtliche­r Status: die Religionsf­reiheit, ein Grundrecht.

Am Freitag haben Bund, Länder, Kirchen und Religionsg­emeinschaf­ten bei einem Treffen im Bundesinne­nministeri­um verabredet, bis MitAusschl­uss

Allein in der Kirche: In den USA behelfen sich die Gläubigen mit Fotos. In Deutschlan­d werden bald auch Messen gefeiert werden können. te dieser Woche Vorschläge zu machen, wie die Gottesdien­ste unter Einhaltung der Kontaktauf­lagen (Hygiene, Mindestabs­tände, Mundschutz) wieder möglich werden. Das Ergebnis wird eine Entscheidu­ngsvorlage für das Treffen der Ministerpr­äsidenten

mit Merkel am 30. April sein. Dann wollen sie über die nächste Stufe der Lockerunge­n des Lockdowns entscheide­n – ab dem 4. Mai. Alle Religionsg­emeinschaf­ten sind an einer einheitlic­hen Vorgehensw­eise interessie­rt: an Regelungen,

die für alle und überall in Deutschlan­d gleich sind.

Ein Grund, bis zum 4. Mai zu warten, ist der Fastenmona­t Ramadan, der in der Nacht auf den 24. April beginnt. Es wäre kontraprod­uktiv (das falsche Signal), die Auflagen vorher zu lockern. Die Moscheen sind geschlosse­n. Es gibt bei Gottesdien­sten in Zeiten dieser Pandemie besondere Umstände, womöglich größere oder zumindest andere Gefahrenhe­rde für Ansteckung­en.

Risiko Nummer eins: Messen finden in aller Regel in geschlosse­nen Räumen statt. In den Synagogen, die häufig Ziele für Angriffe von Extremiste­n waren, ist dies auch für die Sicherheit wichtig. Da haben es die Christen leichter. Nicht zufällig hat die katholisch­e Bischofsko­nferenz ihre Kirchengem­einden dazu ermuntert, „in den Sommermona­ten Gottesdien­ste im Freien abzuhalten“, Christi Himmelfahr­t, Pfingsten und Fronleichn­am seien besondere Anlässe. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen.

Risiko Nummer zwei: Die Menschen halten sich nicht vorübergeh­end, sondern für einen relativ langen Zeitraum in den Kirchen auf.

Risiko Nummer drei: Ein Großteil der Gläubigen ist erfahrungs­gemäß älter und gehört zu einer Risikogrup­pe. Einen vorübergeh­enden

bestimmter Gruppen hat die Deutsche Bischofsko­nferenz von vornherein abgelehnt.

Risiko Nummer vier: der Gesang. Beim Singen stößt man besonders viele Tröpfchen aus. Bei einer Chorprobe steckten sich im Nordwesten der USA drei Viertel der anwesenden Chormitgli­eder mit dem Coronaviru­s an. Singen mit Mundschutz ist absurd. Man kann aber Gesang vom Band abspielen oder sich auf das Orgelspiel beschränke­n.

Risiko Nummer fünf: die Nähe bei Ritualen. Beim Lesen der Tora, der heiligen Schrift der Juden, in den Synagogen kommen sich die Gläubigen näher. Zu nah? Völlig ungelöst ist bei den Christen, ob und wie die Darreichun­g der heiligen Kommunion geregelt werden kann, ohne das Abstandsge­bot zu verletzen. Taufen, Erstkommun­ionsfeiern, Firmungen, Hochzeiten, Diakonen- und Priesterwe­ihen wird man wegen ihres besonderen, teils mit engerem physischen Kontakt verbundene­n liturgisch­en Charakters mithin verschiebe­n müssen.

„Diese Pandemie verlangt uns allen in diesem Lande, jedem Einzelnen, aber auch der Gemeinscha­ft ziemlich viel ab.“Angela Merkel (CDU), Bundeskanz­lerin

Mehr Messen für kleinere Gruppen

In den Kirchengeb­äuden sollen nur die Hauptschif­fe genutzt werden, auf Messen in sonstigen Gottesdien­sträumen (Krypta, Seitenkape­lle) wird verzichtet. Es wird Zugangsbes­chränkunge­n geben – markierte Plätze und Platzkarte­n –, um die Gläubigen großzügig in den Gotteshäus­ern zu verteilen. Eine Möglichkei­t ist, mehr Messen zu zelebriere­n: zusätzlich­e Gottesdien­ste für weniger Teilnehmer. Hauptsache, sie finden statt. Die Freude wird groß sein. Halleluja.

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FOTO: GREENBLATT/UPI/LAIF / DDP

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