Gottesdienste unter Auflagen
„Wenn man Läden öffnet, darf man auch in Kirchen beten“, sagt Armin Laschet. Aber so einfach ist es nicht
Berlin. In Paris muss ein Priester 135 Euro Strafe zahlen, weil er eine Ostermesse heimlich zelebriert hat. Ein Anwohner hat das Orgelspiel gehört und die Polizei alarmiert. Vergleichbare Vorkommnisse sind aus Deutschland nicht bekannt. Aber die Ungeduld ist auch hier groß. Die Kirchen drängen, am lautesten die katholische, das öffentliche Gottesdienstleben schrittweise wieder zu ermöglichen. Sachsen erlaubt seit Montag wieder Gottesdienste, freilich nur mit maximal je 15 Personen. Die Zahl ist nicht zufällig gewählt. 15 Teilnehmer – das war in den letzten Wochen in den Kirchen auch die Orientierungsgröße bei Begräbnissen. In Brandenburg sind Taufen und Trauerfeiern mit bis zu 20 Personen zugelassen.
Muslime halten sich an die Auflagen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte gestern nach dem Krisenkabinett, sie kenne die Erwartungen der Kirchen. Sie bat um Geduld: „Diese Pandemie verlangt uns allen in diesem Lande, jedem Einzelnen, aber auch der Gemeinschaft ziemlich viel ab.“
Die Teilöffnung von Geschäften mit einer Fläche bis 800 Quadratmeter seit Montag ist die pragmatische Begründung, um auch Gotteshäuser wieder zu öffnen. Zugunsten der Kirchen spricht ferner ihr rechtlicher Status: die Religionsfreiheit, ein Grundrecht.
Am Freitag haben Bund, Länder, Kirchen und Religionsgemeinschaften bei einem Treffen im Bundesinnenministerium verabredet, bis MitAusschluss
Allein in der Kirche: In den USA behelfen sich die Gläubigen mit Fotos. In Deutschland werden bald auch Messen gefeiert werden können. te dieser Woche Vorschläge zu machen, wie die Gottesdienste unter Einhaltung der Kontaktauflagen (Hygiene, Mindestabstände, Mundschutz) wieder möglich werden. Das Ergebnis wird eine Entscheidungsvorlage für das Treffen der Ministerpräsidenten
mit Merkel am 30. April sein. Dann wollen sie über die nächste Stufe der Lockerungen des Lockdowns entscheiden – ab dem 4. Mai. Alle Religionsgemeinschaften sind an einer einheitlichen Vorgehensweise interessiert: an Regelungen,
die für alle und überall in Deutschland gleich sind.
Ein Grund, bis zum 4. Mai zu warten, ist der Fastenmonat Ramadan, der in der Nacht auf den 24. April beginnt. Es wäre kontraproduktiv (das falsche Signal), die Auflagen vorher zu lockern. Die Moscheen sind geschlossen. Es gibt bei Gottesdiensten in Zeiten dieser Pandemie besondere Umstände, womöglich größere oder zumindest andere Gefahrenherde für Ansteckungen.
Risiko Nummer eins: Messen finden in aller Regel in geschlossenen Räumen statt. In den Synagogen, die häufig Ziele für Angriffe von Extremisten waren, ist dies auch für die Sicherheit wichtig. Da haben es die Christen leichter. Nicht zufällig hat die katholische Bischofskonferenz ihre Kirchengemeinden dazu ermuntert, „in den Sommermonaten Gottesdienste im Freien abzuhalten“, Christi Himmelfahrt, Pfingsten und Fronleichnam seien besondere Anlässe. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen.
Risiko Nummer zwei: Die Menschen halten sich nicht vorübergehend, sondern für einen relativ langen Zeitraum in den Kirchen auf.
Risiko Nummer drei: Ein Großteil der Gläubigen ist erfahrungsgemäß älter und gehört zu einer Risikogruppe. Einen vorübergehenden
bestimmter Gruppen hat die Deutsche Bischofskonferenz von vornherein abgelehnt.
Risiko Nummer vier: der Gesang. Beim Singen stößt man besonders viele Tröpfchen aus. Bei einer Chorprobe steckten sich im Nordwesten der USA drei Viertel der anwesenden Chormitglieder mit dem Coronavirus an. Singen mit Mundschutz ist absurd. Man kann aber Gesang vom Band abspielen oder sich auf das Orgelspiel beschränken.
Risiko Nummer fünf: die Nähe bei Ritualen. Beim Lesen der Tora, der heiligen Schrift der Juden, in den Synagogen kommen sich die Gläubigen näher. Zu nah? Völlig ungelöst ist bei den Christen, ob und wie die Darreichung der heiligen Kommunion geregelt werden kann, ohne das Abstandsgebot zu verletzen. Taufen, Erstkommunionsfeiern, Firmungen, Hochzeiten, Diakonen- und Priesterweihen wird man wegen ihres besonderen, teils mit engerem physischen Kontakt verbundenen liturgischen Charakters mithin verschieben müssen.
„Diese Pandemie verlangt uns allen in diesem Lande, jedem Einzelnen, aber auch der Gemeinschaft ziemlich viel ab.“Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
Mehr Messen für kleinere Gruppen
In den Kirchengebäuden sollen nur die Hauptschiffe genutzt werden, auf Messen in sonstigen Gottesdiensträumen (Krypta, Seitenkapelle) wird verzichtet. Es wird Zugangsbeschränkungen geben – markierte Plätze und Platzkarten –, um die Gläubigen großzügig in den Gotteshäusern zu verteilen. Eine Möglichkeit ist, mehr Messen zu zelebrieren: zusätzliche Gottesdienste für weniger Teilnehmer. Hauptsache, sie finden statt. Die Freude wird groß sein. Halleluja.