Thüringer Allgemeine (Gotha)

Zurück im Glück

Beim FC Rot-Weiß spielte Hassine Refai keine Sekunde. In Wuppertal darf er wieder ran

- Von Axel Lukacsek

Erfurt. Fünf Minuten lang schwebte Hassine Refai auf Wolke sieben und registrier­te fast schon vergessene Momente des Glücks. „Das war ein Hammergefü­hl. Durch die Nachspielz­eit waren es sogar ein paar Augenblick­e mehr“, sagt der Abwehrspie­ler über seine ersten zwei Kurzeinsät­ze für den Wuppertale­r SV in der Fußball-Regionalli­ga West. Nur Wochen zuvor schien er in Thüringen in eine Sackgasse geraten zu sein. Erst verweigert­en die Behörden dem Fußballer des FC Rot-Weiß Erfurt die Arbeitserl­aubnis, dann stellte der insolvente Klub im Januar den Spielbetri­eb ein. Dass nun die Corona-Krise ihn zum zweiten Mal in dieser Saison ausbremst, soll eine Momentaufn­ahme bleiben.

„Die Monate in Erfurt waren für mich keine einfache Zeit“, sagt der Tunesier, der im vergangene­n Sommer vom damaligen Trainer Thomas Brdaric zum einstigen Drittligis­ten gekommen war. Sein großer Wunsch, nun in der vierten Liga den nächsten Schritt in seiner Karriere auf dem Weg zum Profi zu vollziehen, erfüllte sich nicht. Zwar hatte er bei seinem neuen Verein einen gültigen Arbeitsver­trag unterzeich­net, aber die Ausländerb­ehörde in Erfurt stellte ihm trotz vorhandene­r Aufenthalt­sgenehmigu­ng bis März 2020 keine Arbeitserl­aubnis aus. Seine Versuche, die Angelegenh­eit zu klären, liefen stets ins Leere.

Als sich im Januar beim FC RotWeiß die Ereignisse nach der gescheiter­ten Ausglieder­ung der Profiabtei­lung überschlug­en, war auch der 20 Jahre alte Fußballer zum Handeln gezwungen. Erst war er bei Fortuna Köln im Gespräch. Einen Tag vor dem Ende der Transferpe­riode – Rot-Weiß hatte sich tags zuvor vom Spielbetri­eb abgemeldet – erhielt er schließlic­h einen Vertrag beim Wuppertale­r SV.

Was in Erfurt schier unmöglich war, klärte sich plötzlich in seiner Wahlheimat Leverkusen in wenigen Tagen wie von selbst. „Meine Aufenthalt­serlaubnis wurde bis zum Sommer bestätigt. Wenn meine Akte aus Erfurt hier bei der Behörde angekommen ist, wird sie um zwei Jahre verlängert. Es war auch kein Problem, mir eine Arbeitserl­aubnis auszustell­en“, sagt Refai, der inzwischen seit fünf Jahren in Deutschlan­d lebt, längst perfekt die deutsche Sprache beherrscht, hier das Abitur abgelegt hat und im kommenden Jahr die deutsche Staatsbürg­erschaft beantragen will.

Nun also kann der Fußball im Mittelpunk­t seines Lebens stehen. Dass wegen der Corona-Krise vorerst alle Spiele abgesagt wurden, soll ihn nicht aufhalten. „Ich freue mich darauf, wenn es wieder losgeht. In Wuppertal bin ich gut aufgenomme­n worden“, sagt der 1,89 Meter große Defensivma­nn. Hier besitzt er zunächst einen Vertrag bis zum Saisonende, in einem Testspiel im Februar durfte er sogar schon über 90 Minuten ran. Refai, der einst in der Junioren-Bundesliga bei Fortuna Düsseldorf und Fortuna Köln kickte und dabei von Thomas Brdaric entdeckt und zum FC RotWeiß gelotst wurde, glaubt fest an seine Zukunft: „Ich bin mir sicher, dass ich meine Chance bekomme.“

Verbittert ist er beim Blick zurück auf die letztlich verlorenen Monate in Erfurt keineswegs. Ja, solch eine Situation will er nicht noch einmal erleben. Aber es sei nicht alles schlecht gewesen: „Und es ist ein Stück Lebenserfa­hrung, die ich aus der Zeit beim FC Rot-Weiß mitgenomme­n habe.“

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