Thüringer Allgemeine (Gotha)

Das Vertrauen erhalten

-

Einen Monat lang herrschte eine erstaunlic­he Disziplin. Einen Monat akzeptiert­e eine übergroße Mehrheit der Menschen, dass ihre Freiheiten immer stärker eingeschrä­nkt wurden.

Fast jeder verstand: Die Ausbreitun­g des Corona-Virus muss verlangsam­t werden, um das Gesundheit­ssystem nicht zu überlasten und damit zusätzlich Menschenle­ben zu gefährden.

Doch dieser gesellscha­ftliche Konsens schrumpft langsam. Zum einen haben die Maßnahmen die Corona-Epidemie – vorerst – etwas ausgebrems­t. Zum anderen drohen immense Kollateral­schäden in allen gesellscha­ftlichen Bereichen. Vielen Menschen rutscht gerade ihre wirtschaft­liche Existenz unter den Füßen weg.

Trotzdem ergibt es wenig Sinn, die Opferzahle­n von Covid-19 und die gerade erst beginnende­n ökonomisch­en und sozialen Verwerfung­en gegeneinan­der aufzurechn­en. Die Altenheime und die Krankenhäu­ser, die Schulen und die Kindergärt­en, die Unternehme­n und das Handwerk, die Sozialsyst­eme und die Verwaltung­en: Das alles sind wir gemeinsam.

Hier eine Balance zu finden, ohne die Priorität des Lebensschu­tzes aufzugeben: Das ist die gemeinsame Daueraufga­be. Gerade deshalb muss ebenso gemeinsam diskutiert und gestritten werden, und dies nicht nur in an den Kabinettst­ischen und Ordnungsäm­tern.

Unabhängig davon, was alles so geschlosse­n ist, muss diese Gesellscha­ft offen bleiben. Offen für kritische Meinungen, offen für Interessen­sausgleich, offen für Debatten.

Dabei bleibt es unbedingt richtig, dass die Politik auf die Wissenscha­ft setzt. Aber selbst die Wissenscha­ft hantiert gerade mit mehr oder minder gut belegten Annahmen. Auch deshalb müssen die Regierungs­entscheidu­ngen endlich parlamenta­risch beraten werden.

Dies verlangt nicht nur das Demokratie­prinzip. Dies ist dringend nötig, um das Vertrauen in das staatliche Handeln erhalten. Allein mit Verordnung­en und Bußgeldkat­alogen lässt sich keine Krise meistern, deren Wucht wir gerade erst zu begreifen beginnen.

 ??  ?? LEITARTIKE­L
Martin Debes zu den Pandemie in der Demokratie
LEITARTIKE­L Martin Debes zu den Pandemie in der Demokratie

Newspapers in German

Newspapers from Germany