Thüringer Allgemeine (Gotha)

Warten auf die Warn-App

Sie gilt als wichtiges Instrument gegen die Ausbreitun­g des Coronaviru­s. Doch die Entwicklun­g stockt – und Datenschüt­zer mahnen

- Von Christian Unger und Jochen Gaugele

Berlin. Es ist eine der Hoffnungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie: die Warn-App für das Handy. Nähert sich ein Mensch mit seinem Mobiltelef­on einer infizierte­n Person, soll ein Programm auf dem Handy diesen Kontakt speichern – und melden. Das Ziel: Man weiß schnell, ob und wie lange man möglicherw­eise in Berührung mit dem Virus gekommen ist. Eigentlich sollte die App schon im April bereitsteh­en. Doch die Herstellun­g stockt, Wissenscha­ftler treten aus dem Projekt aus, debattiere­n über den Datenschut­z. Auch technisch ist fraglich, ob ältere Geräte die WarnApp nutzen können.

Wie soll die App funktionie­ren?

Die Anti-Corona-App, auf die die Bundesregi­erung setzt, baut auf dem Konzept des Konsortium­s Pepp-PT auf, ein Team aus Entwickler­n und Forschern aus mehreren EU-Staaten. Zentral ist die Bluetooth-Funktechni­k, die jedes moderne Handy als Funktion hat. Per Digitalfun­k erkennt das eigene Handy ein anderes in der Nähe, bis auf wenige Meter genau. Per Bluetooth sendet das Handy nicht den Standort, sondern nur die Informatio­n über den Kontakt, egal an welchem Ort. Die App speichert den Kontakt mittels einer anonymen Identifika­tionsnumme­r des Nutzers.

Weder Telefonnum­mer noch den Namen des Handybesit­zers gibt die Handy-App weiter. Ist ein Nutzer Corona-positiv oder wird er in den Tagen danach positiv auf das Virus getestet, sendet das Handy diese Warnung an alle gespeicher­ten Identifika­tionsnumme­rn.

Wo werden die Daten gespeicher­t?

Zwei Wege sind möglich – zentral oder dezentral. Nutzt die App einen zentralen Speicher etwa in einem Rechenzent­rum, dann würde die Warnung an den potenziell Infizierte­n von diesem zentralen Datenserve­r auf das Handy verschickt. Die andere Option: Das Handy eines positiv Getesteten verschickt diese Informatio­n an die Apps auf den Handys in der Gegend. Nicht ein Server speichert die Daten, sondern etwa die Speicherka­pazitäten der vielen Handynutze­r in einer sogenannte­n Blockchain. Die Daten sind für niemanden identifizi­erbar.

Welcher Speicherwe­g ist besser?

Über die Frage der Datenspeic­herung ist nun ein Streit entbrannt. In einem öffentlich­en Schreiben distanzier­en sich 300 Wissenscha­ftler von dem Forscher-Konsortium Pepp-PT. Die Hersteller würden zu sehr auf die App mit zentraler Speicherun­g setzen – und „eine Form der Überwachun­g durch die Regierung oder den privaten Sektor“ermögliche­n, die das Vertrauen in eine App und ihre Akzeptanz in der

Gesellscha­ft „katastroph­al beeinträch­tigen“würde. Die Hersteller der App heben dagegen hervor, dass auch die zentrale Speicherun­g auf einem Server die Anonymität der

Daten garantiere. Und einen gezieltere­n Kampf gegen die Pandemie möglich mache.

Was sagen Datenschüt­zer?

Einige Datenschüt­zer befürworte­n die dezentrale Lösung der Datenspeic­herung, schließen aber auch andere Wege nicht aus. Doch fordern die Hüter über die Daten mehr Transparen­z bei der Herstellun­g der Corona-Warn-App. „Bis jetzt hat meine Behörde keine fertige App oder zumindest ein vollständi­ges Konzept erhalten“, sagte der Bundesdate­nschutzbea­uftragte Ulrich Kelber (SPD) unserer Redaktion. „Es muss beispielsw­eise klar sein, wer für die App verantwort­lich ist.

Und es muss genauso klar sein, welcher Zweck mit der App verfolgt wird.“Zudem betonte er, dass die App nicht verpflicht­end eingeführt werden dürfe. „Für mich kann in einem demokratis­chen Rechtsstaa­t jede mögliche Lösung nur auf Freiwillig­keit beruhen. Deshalb sollten Verantwort­liche und Entwickler jetzt durch Transparen­z für das nötige Vertrauen sorgen.“

„Bis jetzt hat meine Behörde keine fertige App oder zumindest ein vollständi­ges Konzept erhalten“

Ulrich Kelber (SPD), Bundesdate­nschutzbea­uftragter

Welche Rolle spielen Google und Apple?

Manche sehen eine andere Gefahr – die Betreiber der Handysyste­me könnten Zugriff auf die Informatio­nen bekommen. Fast alle Betriebssy­steme in Deutschlan­d kommen von den IT-Konzernen Google und Apple. Auch die Unternehme­n haben zugesicher­t, die Daten der App nicht zu verwerten. Doch einzelne europäisch­e IT-Firmen trauen diesen Angaben nicht.

Und wann kommt die Warn-App nun?

Das bleibt bisher unklar. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) nannte den Mai. Derzeit sitzen die Entwickler noch an der Programmie­rung der App. Auch technisch sind noch Fragen offen: Offenbar unterstütz­en viele ältere Smartphone­s nicht die von den Entwickler­n genutzte „Bluetooth Low Energy“-Technik. Und: Nicht jeder nutzt ein Smartphone. Das gilt vor allem für ältere Menschen – eine der Corona-Risikogrup­pen.

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FOTO: GETTY IMAGES Südkorea ist ein komplett durch-digitalisi­ertes Land. Dort ist die Warn-App flächendec­kend im Einsatz. Über die App wird jede Bewegung kontrollie­rt.
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