Warten auf die Warn-App
Sie gilt als wichtiges Instrument gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Doch die Entwicklung stockt – und Datenschützer mahnen
Berlin. Es ist eine der Hoffnungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie: die Warn-App für das Handy. Nähert sich ein Mensch mit seinem Mobiltelefon einer infizierten Person, soll ein Programm auf dem Handy diesen Kontakt speichern – und melden. Das Ziel: Man weiß schnell, ob und wie lange man möglicherweise in Berührung mit dem Virus gekommen ist. Eigentlich sollte die App schon im April bereitstehen. Doch die Herstellung stockt, Wissenschaftler treten aus dem Projekt aus, debattieren über den Datenschutz. Auch technisch ist fraglich, ob ältere Geräte die WarnApp nutzen können.
Wie soll die App funktionieren?
Die Anti-Corona-App, auf die die Bundesregierung setzt, baut auf dem Konzept des Konsortiums Pepp-PT auf, ein Team aus Entwicklern und Forschern aus mehreren EU-Staaten. Zentral ist die Bluetooth-Funktechnik, die jedes moderne Handy als Funktion hat. Per Digitalfunk erkennt das eigene Handy ein anderes in der Nähe, bis auf wenige Meter genau. Per Bluetooth sendet das Handy nicht den Standort, sondern nur die Information über den Kontakt, egal an welchem Ort. Die App speichert den Kontakt mittels einer anonymen Identifikationsnummer des Nutzers.
Weder Telefonnummer noch den Namen des Handybesitzers gibt die Handy-App weiter. Ist ein Nutzer Corona-positiv oder wird er in den Tagen danach positiv auf das Virus getestet, sendet das Handy diese Warnung an alle gespeicherten Identifikationsnummern.
Wo werden die Daten gespeichert?
Zwei Wege sind möglich – zentral oder dezentral. Nutzt die App einen zentralen Speicher etwa in einem Rechenzentrum, dann würde die Warnung an den potenziell Infizierten von diesem zentralen Datenserver auf das Handy verschickt. Die andere Option: Das Handy eines positiv Getesteten verschickt diese Information an die Apps auf den Handys in der Gegend. Nicht ein Server speichert die Daten, sondern etwa die Speicherkapazitäten der vielen Handynutzer in einer sogenannten Blockchain. Die Daten sind für niemanden identifizierbar.
Welcher Speicherweg ist besser?
Über die Frage der Datenspeicherung ist nun ein Streit entbrannt. In einem öffentlichen Schreiben distanzieren sich 300 Wissenschaftler von dem Forscher-Konsortium Pepp-PT. Die Hersteller würden zu sehr auf die App mit zentraler Speicherung setzen – und „eine Form der Überwachung durch die Regierung oder den privaten Sektor“ermöglichen, die das Vertrauen in eine App und ihre Akzeptanz in der
Gesellschaft „katastrophal beeinträchtigen“würde. Die Hersteller der App heben dagegen hervor, dass auch die zentrale Speicherung auf einem Server die Anonymität der
Daten garantiere. Und einen gezielteren Kampf gegen die Pandemie möglich mache.
Was sagen Datenschützer?
Einige Datenschützer befürworten die dezentrale Lösung der Datenspeicherung, schließen aber auch andere Wege nicht aus. Doch fordern die Hüter über die Daten mehr Transparenz bei der Herstellung der Corona-Warn-App. „Bis jetzt hat meine Behörde keine fertige App oder zumindest ein vollständiges Konzept erhalten“, sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) unserer Redaktion. „Es muss beispielsweise klar sein, wer für die App verantwortlich ist.
Und es muss genauso klar sein, welcher Zweck mit der App verfolgt wird.“Zudem betonte er, dass die App nicht verpflichtend eingeführt werden dürfe. „Für mich kann in einem demokratischen Rechtsstaat jede mögliche Lösung nur auf Freiwilligkeit beruhen. Deshalb sollten Verantwortliche und Entwickler jetzt durch Transparenz für das nötige Vertrauen sorgen.“
„Bis jetzt hat meine Behörde keine fertige App oder zumindest ein vollständiges Konzept erhalten“
Ulrich Kelber (SPD), Bundesdatenschutzbeauftragter
Welche Rolle spielen Google und Apple?
Manche sehen eine andere Gefahr – die Betreiber der Handysysteme könnten Zugriff auf die Informationen bekommen. Fast alle Betriebssysteme in Deutschland kommen von den IT-Konzernen Google und Apple. Auch die Unternehmen haben zugesichert, die Daten der App nicht zu verwerten. Doch einzelne europäische IT-Firmen trauen diesen Angaben nicht.
Und wann kommt die Warn-App nun?
Das bleibt bisher unklar. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nannte den Mai. Derzeit sitzen die Entwickler noch an der Programmierung der App. Auch technisch sind noch Fragen offen: Offenbar unterstützen viele ältere Smartphones nicht die von den Entwicklern genutzte „Bluetooth Low Energy“-Technik. Und: Nicht jeder nutzt ein Smartphone. Das gilt vor allem für ältere Menschen – eine der Corona-Risikogruppen.