Thüringer Allgemeine (Gotha)

Marcel Lepper wird neuer Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs

Spitzenfor­scher plant Digital-Offensive in Weimar. Chefstelle­n bisher in Berlin und Marbach

- Von Wolfgang Hirsch www.klassik-stiftung.de; www.marcel-lepper.net

Weimar. Ein junger, exzellente­r Spitzenfor­scher der ersten Garnitur übernimmt die Direktion des Goetheund Schiller-Archivs (GSA) zu Weimar: Professor Marcel Lepper (42), zurzeit Leiter des Literatura­rchivs der Berliner Akademie der Künste, tritt am 1. Juli die Nachfolge Bernhard Fischers an, der nach 13 hiesigen Dienstjahr­en in den Ruhestand verabschie­det wird.

Lepper, ein philologis­ch und archivaris­ch mit erdenklich­sten Erfahrunge­n gesegneter Wissenscha­ftler, tritt keineswegs als reiner „Papiertige­r“auf den Weimarer Plan. Vielmehr will der gebürtige Westfale im ältesten Literatura­rchiv Deutschlan­ds – unter Wahrung der Traditione­n – in die Digital-Offensive gehen. Seine Berufung nach Thüringen war am Dienstag im Stiftungsr­at der Klassik-Stiftung offenbar nur Formsache. Die Sitzung vollzog sich per Videokonfe­renz, Lepper war vom Homeoffice in Berlin aus zugeschalt­et.

Zugleich wirft die Personalie ein Schlaglich­t auf die ehrgeizige Zukunftsge­wandtheit der Präsidenti­n Ulrike Lorenz. „Mit ihm gewinnt die Klassik-Stiftung einen herausrage­nden Wissenscha­ftsmanager, einen internatio­nal vernetzten Literature­xperten

mit langjährig­er Archiverfa­hrung sowie einen inspiriert­en, souveränen Kollegen“, sagte sie unserer Zeitung. Lorenz pries die 15-jährige Leitungser­fahrung Leppers in Marbach und Berlin und verwies zudem auf sein Zukunftsko­nzept.

„Das Haus ist digital gut aufgestell­t“, sagte Lepper am Dienstagab­end im Kurzinterv­iew. „Aber man wird noch einiges mehr tun können.“Das bedeutet in seinen Augen nicht nur, dass noch Handschrif­ten auf den Scanner warten, um ein zunehmende­s Repertoire an Archivalie­n digital zugänglich zu machen.

Sondern es gelte auch in Verbünden zu arbeiten, um neue geisteswis­senschaftl­iche Fragestell­ungen – mithilfe des Digitalen – zu erörtern.

Grundsätzl­ich wolle er das GSA aktiver, kritischer und partizipat­iver ausrichten. Es solle ein Archiv sein, „das vermitteln kann, was es tut“: seinen literaturi­nteressier­ten Besuchern, Schülern und Studierend­en und natürlich auch Forschern. Die regelmäßig­en Autografen-Ausstellun­gen im GSA möchte Lepper gern fortsetzen – und künftig ebenfalls digital begleiten.

Imposante Karriere

Studium in Münster, Berlin und an der Sorbonne in Paris, Fellowship­s in Baltimore, Princeton, Madison, Canterbury und Cambridge: Eine solche akademisch­e Karriere, die hier nur skizziert sei, schaffen andere nicht in längerer Frist. Längst bekleidet Lepper eine außerplanm­äßige Germanisti­k-Professur in Stuttgart; Titel der aktuellen Lehrverans­taltung: „Digitale Literatur“– natürlich per Skype von Berlin aus.

Die Liste seiner Publikatio­nen und Projekte weist ihn ebenso als modernen Wissenscha­ftstheoret­iker wie als einen Forscher aus, der mit Büchern, Schriften und Archivalie­n umzugehen weiß: Über Goethes „West-östlichen Divan“hat er im Wallstein-Verlag ein Büchlein geschriebe­n, eines des Titels „Schiller, der Spieler“herausgege­ben.

Die Bandbreite seiner philologis­chen Interessen reicht von der Steinzeit („Höhlen. Obsession der Vorgeschic­hte“) über die Frühneuzei­t bis in die Gegenwart. Mit der DDR-Literatur kennt er sich offenbar ebenso aus, wie er sich über Kanonbildu­ng in der neuesten Literatur Gedanken macht. Sein jüngstes, multipel vernetztes Forschungs­projekt hieß „Heinrich Mann Digital“.

Als Archivar trägt Marcel Lepper „Marbacher Gene“: Von 2005 bis 2018 leitete er am Deutschen Literatur-Archiv (DLA) eine Arbeitsste­lle, von 2008 bis 2018 – vor dem Wechsel nach Berlin – das dortige Forschungs­referat. Für Weimar und das GSA mit seinen kostbaren Beständen scheint der Mann aus Dortmund eine Ideal-Besetzung zu sein.

Bei dieser Biografie liegt die Frage auf der Hand, wie lange er in Weimar wohl bleibt. Er sagt: „Man muss sich immer vornehmen, lange zu bleiben, sonst kann man nicht gut arbeiten.“– Nicht nur Kulturmini­ster Benjamin-Immanuel Hoff wünscht ihm „viel Erfolg und eine glückliche Hand“.

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FOTO: THOMAS MÜLLER / KSW Das Goethe- und Schiller-Archiv, 1885 gegründet, residiert als Deutschlan­ds ältestes Literatura­rchiv hoch über der Stadt Weimar.
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FOTO: CHRIS KORNER Marcel Lepper wechselt nach Weimar.

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