Thüringer Allgemeine (Gotha)

„Einfach war das nicht für mich“

Christina Athenstädt übernimmt die Hauptrolle in der ARD-Serie „Die Heiland“

- Von Rüdiger Sturm

Berlin. Wer die Hauptrolle einer Erfolgsser­ie wie „Die Heiland“übernimmt, hat eigentlich Grund zum Feiern. Doch für Christina Athenstädt ist dieser Einsatz mit einem schweren Erbe verbunden. Davon abgesehen muss auch sie derzeit mit den Auswirkung­en der Corona-Einschränk­ungen klarkommen. Zum Glück hat die 41-Jährige unvergessl­iche Eindrücke abgespeich­ert, die ihr Leben für immer bereichern.

Die neuen Folgen der Serie „Die Heiland“starten unter dem Vorzeichen der Corona-Krise. Wie sieht aktuell Ihr Leben und das Ihrer Familie aus?

Da weder mein Mann noch ich im Moment drehen können und auch alle anderen Termine abgesagt wurden, befinden wir uns zusammen mit unserer Tochter in unserer Wohnung und tun alles dafür, dass uns die Decke nicht auf den Kopf fällt. Manchmal fahren wir eine Runde Fahrrad oder gehen joggen, und einkaufen gehen wir natürlich auch, aber die meiste Zeit sind wir zu Hause. Ich finde es immer noch oft gemütlich, aber manchmal wird es auch anstrengen­d und natürlich machen auch wir uns darüber Gedanken, wie und wann es weitergeht, also wann wir wieder arbeiten können.

Sie kamen an diese Rolle durch ein tragisches Unglück: Letztes Jahr verstarb Serien-Hauptdarst­ellerin Lisa Martinek bei einem Unfall. Hatten Sie Bedenken, so ein Erbe anzutreten?

Einfach war das für mich nicht. Ich habe eine ganze Weile darüber nachgedach­t, denn ich hatte abzuwägen und für mich zu entscheide­n, ob ich dafür die Richtige bin. Das war mir eine Zeit lang nicht klar, und daher musste ich Gespräche führen und mit mir selbst darüber einig werden, was das bedeutet. Schlussend­lich hatte ich das Gefühl, ich kann die Frage, ob ich das mit Liebe und Hingabe machen kann, mit ‚Ja’ beantworte­n. Daher bin ich dann zum Casting gegangen. Denn es ist ja eine wirklich schöne Serie. Es macht Sinn, dass das weitergeht. So war der Prozess.

Wie haben Sie diese Figur verinnerli­cht?

Ich hatte eine Vorbereitu­ngsphase, in der ich meine Figur finden konnte. In der habe ich für mich entschiede­n: So, wie ich das mache, ist es die einzige Möglichkei­t für mich. Das bin ich, das ist mein Entwurf. Mehr kann ich nicht machen, ob das angenommen wird, ist ja bei jeder Rolle offen. Das weißt du vorher nie.

Wie lautete die Entscheidu­ng in Ihrem Fall?

Das hat sich alles gut ergeben. Ich habe am Set und von der Produktion sehr viel Kollegiali­tät, Unterstütz­ung und Zuspruch erfahren. Es war wirklich herzlich und warm. Ich habe auch gemerkt, wie wichtig die Serie allen Beteiligte­n ist. Und sie haben mich spüren lassen, dass es okay ist, wie ich das mache. Das war sehr schön.

Eine der Herausford­erungen war freilich auch, eine Blinde zu spielen.

Richtig, aber das ist auch sehr inspiriere­nd. Es macht Spaß, das darzustell­en.

Inwieweit ist es inspiriere­nd, ohne Sehsinn auszukomme­n?

Es inspiriert einen, auf andere Dinge zu achten. Man verändert sich dadurch in seiner Aufmerksam­keit. Im Spiel birgt das eine gewisse Komik, wenn man merkt: Das kann ich jetzt ja gar nicht machen, weil ich nichts sehen kann. Solche Momente sind Futter für einen Darsteller.

Wie hat das Ihre Aufmerksam­keit im Alltag verändert?

Ich habe viel mit Augenbinde und Stock geübt. Da ergeben sich schon neue Blickwinke­l. Erst mal fallen mir viel mehr Dinge auf, die für Blinde gebaut werden wie Leitsystem­e- oder Hilfen, die ich vorher gar nicht wahrgenomm­en habe. Auf der anderen Seite registrier­e ich Barrieren, die mir vorher nicht aufgefalle­n sind. Wo ich mir denke: Ein Blinder würde prompt dagegen laufen. Das sensibilis­iert einen grundsätzl­ich.

Sind Sie eigentlich eher ein Sehoder Hör-Mensch?

Ich bin ein sehr visueller Mensch, ich fand es deshalb sehr spannend, das mal auszuschal­ten. So viele Geräusche, die man als Blinder zur Orientieru­ng

braucht und deshalb mehr wahrnimmt, die nehme ich im Alltag gar nicht wahr. Die Serie ist ja inspiriert von der blinden Anwältin Pamela Pabst, mit der ich viel unterwegs war. Sie hat mir zum Beispiel erklärt, dass sie oft Schuhe mit Absätzen trägt, weil die so schön klacken. Dadurch hört man ziemlich gut, wie sich ein Raum verändert.

Wenn Sie an eindrucksv­olle Bilder denken, die Sie sehen konnten, was fällt Ihnen ein?

Bergpanora­men, das Meer oder ein Sternenhim­mel außerhalb der Stadt sind überwältig­ende optische Eindrücke.

Und was ist der stärkste visuelle Eindruck Ihres Lebens?

Ich glaube, die Augen meiner Tochter. Ich bin sehr froh, dass ich die sehen kann.

 ?? FOTO: U. DÜREN / DPA ?? Christina Athenstädt tritt die Nachfolge der tödlich verunglück­ten Schauspiel­erin Lisa Martinek an.
FOTO: U. DÜREN / DPA Christina Athenstädt tritt die Nachfolge der tödlich verunglück­ten Schauspiel­erin Lisa Martinek an.

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