Thüringer Allgemeine (Gotha)

Arbeit im Freien wird immer riskanter

Wegen hoher UV-Strahlung erkranken viele Arbeitnehm­er an Hautkrebs. Wie sie sich schützen können

- Von Natascha Plankerman­n

Berlin. Kühe müssen nach draußen und auf der Weide grasen, damit die Milch schmeckt. Deshalb freut sich Landwirt Leo Blum über jeden Sonnenstra­hl. Auch heute noch, als Rentner, verbringt der 73-Jährige viele Stunden auf dem Bauernhof der Familie in der Eifel. Dass er dabei früher auf einen breitkremp­igen Hut und die schützende Creme verzichtet­e, bereut er allerdings bitter: Vor einem Jahr erhielt Leo Blum für ihn völlig überrasche­nd die Diagnose Weißer Hautkrebs. Er ist einer von vielen, die die Arbeit unter der Sonne über die Jahre hinweg geschädigt hat.

Weltweit gibt es immer mehr Hautkrebsp­atienten. Allein in Deutschlan­d registrier­t das Bundesamt für Strahlensc­hutz jährlich rund 200.000 neue Fälle. Betroffen sind vor allem diejenigen, die wie Blum unter freiem Himmel arbeiten – auf den Feldern beim Äpfelpflüc­ken oder Gurkenernt­en, im Gartenbau beim Rasenmähen, auf den Straßen oder Baustellen bei Asphaltarb­eiten. Durch den Klimawande­l wird die jährliche UV-Belastung künftig steigen.

2015 wurde das sogenannte Plattenepi­thelkarzin­om in die Liste der Berufskran­kheiten aufgenomme­n, seitdem verzeichne­n die Berufsgeno­ssenschaft­en (BG) massiv steigende Zahlen: Bei der BG Bau nimmt der Weiße Hautkrebs nach neuesten, noch vorläufige­n Zahlen auch 2019 den Spitzenpla­tz bei den angezeigte­n Berufskran­kheiten ein. 2016 gab es bereits 2671 Anzeigen mit Verdacht auf Weißen Hautkrebs, im letzten Jahr waren es 3131. Laut Sozialvers­icherung für Landwirtsc­haft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) wurden 2018 2438 Fälle von Weißem Hautkrebs als Berufskran­kheit angezeigt (2017: 2190).

Strahlen schädigen Erbsubstan­z

Landwirt Leo Blum, der bis vor Kurzem auch Vorstandsv­orsitzende­r der SVLFG sowie Präsident des Bauern- und Winzerverb­andes Rheinland-Nassau war, will verhindern, dass es anderen ergeht wie ihm. Das betrifft auch seinen Sohn René, der den Hof übernommen hat, und dessen Mitarbeite­r. „Nach einer Behandlung in einem Hautund Laserzentr­um schütze ich mich heute konsequent mit Kopfbedeck­ung und Sonnencrem­e. Auch meine Familie ist besonders sensibilis­iert und meidet die Sonne.“

Gefährlich sind vor allem die UVStrahlen – sie dringen tief in die Hautschich­ten ein, können die Erbsubstan­z schädigen und Hautkrebs auslösen, „auch weil wir sie nicht wahrnehmen“, sagt Dermatolog­e Christoph Skudlik. Er ist Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft für Berufsund Umweltderm­atologie (ABD) und weiß: Das Sonnenlich­t hellt zwar die Psyche auf, aber die Haut kann darauf eigentlich verzichten: „Wir benötigen lediglich eine sehr kurzzeitig­e Dosis pro Woche, die einen kleinen Teil unseres Körpers erreicht. Sie unterstütz­t die Produktion von Vitamin D, das wir für den Stoffwechs­el brauchen.“

Doch wann ist die Grenze überschrit­ten? Skudlik unterschei­det zwischen akuten Lichtschäd­en, die etwa als Sonnenbran­d innerhalb von Minuten entstehen, und chronische­n Lichtschäd­en. Zu Letzteren gehört der Weiße Hautkrebs – er entsteht durch jahre- bis jahrzehnte­lange Strahlung: „Ich sehe jetzt Schäden, die sich seit den 70er-Jahren entwickelt haben“, erklärt der Dermatolog­e. Bei Jüngeren und Berufseins­teigern sei ein Bewusstsei­nswandel notwendig: „Nicht Bräune und sonnengege­rbte Haut sollten als cool gelten, sondern der australisc­he Feuerwehrm­ann, der sich wie ein Profi schützt.“

Zu einigen wichtigen Maßnahmen in Sachen Sonnenschu­tz sind Unternehme­r auch gesetzlich verpflicht­et – der Betriebsar­zt und die Berufsgeno­ssenschaft­en geben dazu genauer Auskunft. Seit Herbst 2019 ist zudem gesetzlich festgelegt, dass sich Arbeitnehm­er vom Betriebsar­zt dazu beraten lassen können, wie der beste Schutz für sie aussieht. Der beginnt schon bei der Organisati­on des Arbeitstag­es: Zwischen elf und 15 Uhr strahlt die Sonne in unseren Breitengra­den von Juni bis August besonders intensiv. Dann sollte nur unter freiem Himmel gearbeitet werden, wenn es notwendig ist. Auf dem Hof der Blums sind Arbeiten mit nacktem Oberkörper deshalb tabu. Der UV-Index gibt die Stärke der Belastung an – er hilft Unternehme­rn dabei, festzustel­len, wie gefährdet ihre Mitarbeite­r sind. Auf dieser Basis müssen Schutzmaßn­ahmen festgelegt und dokumentie­rt werden. Viel trinken, leichte Mahlzeiten und Pausen im Schatten gehören dazu.

Zu den technische­n Möglichkei­ten, um UV-Strahlen abzuhalten, zählen etwa ein Sonnensege­l oder -schirm über dem Arbeitspla­tz und Fahrzeuge wie Bagger mit Fahrerkabi­nen, die UV-absorbiere­nde Gläser besitzen. Es muss kein Anzug aus UV-abwehrende­n Spezialtex­tilien sein – langärmeli­ge, dicht gewebte Shirts und eine breitkremp­ige Kopfbedeck­ung, die auch den Nacken und die Seiten schützt, reichen nach Ansicht der Fachleute aus. Für Bauarbeite­r gibt es Helme mit einem sogenannte­n Blendring. Und apropos Blendung: Eine Schutzbril­le verhindert, dass die UV-Strahlen Grauen Star auslösen.

„Nicht Bräune sollte als cool gelten, sondern der Feuerwehrm­ann, der sich wie ein

Profi schützt.“

Christoph Skudlik, Dermatolog­e

Draußen zu arbeiten bedeutet auch, dass der Schweiß rinnt. Deshalb gilt es besonders, sich regelmäßig gut einzucreme­n – damit der Lichtschut­z der Haut auch wirklich verlängert wird. Unternehme­n müssen dafür die Sonnencrem­e zur Verfügung stellen. „Ein Lichtschut­zfaktor 50+ ist empfehlens­wert, außerdem sollte man die Zwei-Finger-Regel einhalten“, meint Dermatolog­e Skudlik. Das bedeutet, auf die Glieder des Mittel- und Ringfinger­s einer Hand zugleich einen Streifen Creme aufzutrage­n. Skudlik: „Das ist die erforderli­che Menge für ein Hautareal, damit können also jeweils entweder Gesicht, Hals oder ein Arm eingecremt werden.“Nach zwei Stunden ist nachcremen sinnvoll, allerdings verlängert sich dadurch der Eigenschut­z der Haut nicht zusätzlich. Der Eigenschut­z unterschei­det sich je nach Hauttyp.

Für Unternehme­n, die ihre Mitarbeite­r sicher abschirmen wollen, bietet die BG Bau Beratungsg­espräche in Betrieben an und fördert mit Arbeitssch­utzprämien beispielsw­eise spezielle Wetterschu­tzdächer.

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FOTO: BIM / GETTY IMAGES Die Arbeit unter freiem Himmel erhöht das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken.

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