Arbeit im Freien wird immer riskanter
Wegen hoher UV-Strahlung erkranken viele Arbeitnehmer an Hautkrebs. Wie sie sich schützen können
Berlin. Kühe müssen nach draußen und auf der Weide grasen, damit die Milch schmeckt. Deshalb freut sich Landwirt Leo Blum über jeden Sonnenstrahl. Auch heute noch, als Rentner, verbringt der 73-Jährige viele Stunden auf dem Bauernhof der Familie in der Eifel. Dass er dabei früher auf einen breitkrempigen Hut und die schützende Creme verzichtete, bereut er allerdings bitter: Vor einem Jahr erhielt Leo Blum für ihn völlig überraschend die Diagnose Weißer Hautkrebs. Er ist einer von vielen, die die Arbeit unter der Sonne über die Jahre hinweg geschädigt hat.
Weltweit gibt es immer mehr Hautkrebspatienten. Allein in Deutschland registriert das Bundesamt für Strahlenschutz jährlich rund 200.000 neue Fälle. Betroffen sind vor allem diejenigen, die wie Blum unter freiem Himmel arbeiten – auf den Feldern beim Äpfelpflücken oder Gurkenernten, im Gartenbau beim Rasenmähen, auf den Straßen oder Baustellen bei Asphaltarbeiten. Durch den Klimawandel wird die jährliche UV-Belastung künftig steigen.
2015 wurde das sogenannte Plattenepithelkarzinom in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen, seitdem verzeichnen die Berufsgenossenschaften (BG) massiv steigende Zahlen: Bei der BG Bau nimmt der Weiße Hautkrebs nach neuesten, noch vorläufigen Zahlen auch 2019 den Spitzenplatz bei den angezeigten Berufskrankheiten ein. 2016 gab es bereits 2671 Anzeigen mit Verdacht auf Weißen Hautkrebs, im letzten Jahr waren es 3131. Laut Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) wurden 2018 2438 Fälle von Weißem Hautkrebs als Berufskrankheit angezeigt (2017: 2190).
Strahlen schädigen Erbsubstanz
Landwirt Leo Blum, der bis vor Kurzem auch Vorstandsvorsitzender der SVLFG sowie Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau war, will verhindern, dass es anderen ergeht wie ihm. Das betrifft auch seinen Sohn René, der den Hof übernommen hat, und dessen Mitarbeiter. „Nach einer Behandlung in einem Hautund Laserzentrum schütze ich mich heute konsequent mit Kopfbedeckung und Sonnencreme. Auch meine Familie ist besonders sensibilisiert und meidet die Sonne.“
Gefährlich sind vor allem die UVStrahlen – sie dringen tief in die Hautschichten ein, können die Erbsubstanz schädigen und Hautkrebs auslösen, „auch weil wir sie nicht wahrnehmen“, sagt Dermatologe Christoph Skudlik. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Berufsund Umweltdermatologie (ABD) und weiß: Das Sonnenlicht hellt zwar die Psyche auf, aber die Haut kann darauf eigentlich verzichten: „Wir benötigen lediglich eine sehr kurzzeitige Dosis pro Woche, die einen kleinen Teil unseres Körpers erreicht. Sie unterstützt die Produktion von Vitamin D, das wir für den Stoffwechsel brauchen.“
Doch wann ist die Grenze überschritten? Skudlik unterscheidet zwischen akuten Lichtschäden, die etwa als Sonnenbrand innerhalb von Minuten entstehen, und chronischen Lichtschäden. Zu Letzteren gehört der Weiße Hautkrebs – er entsteht durch jahre- bis jahrzehntelange Strahlung: „Ich sehe jetzt Schäden, die sich seit den 70er-Jahren entwickelt haben“, erklärt der Dermatologe. Bei Jüngeren und Berufseinsteigern sei ein Bewusstseinswandel notwendig: „Nicht Bräune und sonnengegerbte Haut sollten als cool gelten, sondern der australische Feuerwehrmann, der sich wie ein Profi schützt.“
Zu einigen wichtigen Maßnahmen in Sachen Sonnenschutz sind Unternehmer auch gesetzlich verpflichtet – der Betriebsarzt und die Berufsgenossenschaften geben dazu genauer Auskunft. Seit Herbst 2019 ist zudem gesetzlich festgelegt, dass sich Arbeitnehmer vom Betriebsarzt dazu beraten lassen können, wie der beste Schutz für sie aussieht. Der beginnt schon bei der Organisation des Arbeitstages: Zwischen elf und 15 Uhr strahlt die Sonne in unseren Breitengraden von Juni bis August besonders intensiv. Dann sollte nur unter freiem Himmel gearbeitet werden, wenn es notwendig ist. Auf dem Hof der Blums sind Arbeiten mit nacktem Oberkörper deshalb tabu. Der UV-Index gibt die Stärke der Belastung an – er hilft Unternehmern dabei, festzustellen, wie gefährdet ihre Mitarbeiter sind. Auf dieser Basis müssen Schutzmaßnahmen festgelegt und dokumentiert werden. Viel trinken, leichte Mahlzeiten und Pausen im Schatten gehören dazu.
Zu den technischen Möglichkeiten, um UV-Strahlen abzuhalten, zählen etwa ein Sonnensegel oder -schirm über dem Arbeitsplatz und Fahrzeuge wie Bagger mit Fahrerkabinen, die UV-absorbierende Gläser besitzen. Es muss kein Anzug aus UV-abwehrenden Spezialtextilien sein – langärmelige, dicht gewebte Shirts und eine breitkrempige Kopfbedeckung, die auch den Nacken und die Seiten schützt, reichen nach Ansicht der Fachleute aus. Für Bauarbeiter gibt es Helme mit einem sogenannten Blendring. Und apropos Blendung: Eine Schutzbrille verhindert, dass die UV-Strahlen Grauen Star auslösen.
„Nicht Bräune sollte als cool gelten, sondern der Feuerwehrmann, der sich wie ein
Profi schützt.“
Christoph Skudlik, Dermatologe
Draußen zu arbeiten bedeutet auch, dass der Schweiß rinnt. Deshalb gilt es besonders, sich regelmäßig gut einzucremen – damit der Lichtschutz der Haut auch wirklich verlängert wird. Unternehmen müssen dafür die Sonnencreme zur Verfügung stellen. „Ein Lichtschutzfaktor 50+ ist empfehlenswert, außerdem sollte man die Zwei-Finger-Regel einhalten“, meint Dermatologe Skudlik. Das bedeutet, auf die Glieder des Mittel- und Ringfingers einer Hand zugleich einen Streifen Creme aufzutragen. Skudlik: „Das ist die erforderliche Menge für ein Hautareal, damit können also jeweils entweder Gesicht, Hals oder ein Arm eingecremt werden.“Nach zwei Stunden ist nachcremen sinnvoll, allerdings verlängert sich dadurch der Eigenschutz der Haut nicht zusätzlich. Der Eigenschutz unterscheidet sich je nach Hauttyp.
Für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter sicher abschirmen wollen, bietet die BG Bau Beratungsgespräche in Betrieben an und fördert mit Arbeitsschutzprämien beispielsweise spezielle Wetterschutzdächer.