Thüringer Allgemeine (Gotha)

Schänke soll wieder Dorfzentru­m werden

Neuer Fördervere­in in Ingerslebe­n will historisch­en Saalanbau retten und hofft auf Entgegenko­mmen aus Bayern

- Von Hartmut Schwarz Kontakt per E-Mail: Foerderver­ein_ Dorfzentru­m_Ingerslebe­n@gmx.de

Ingerslebe­n. „Den Abriss zu verhindern war unser wichtigste­s Ziel“, fasst Pfarrer Michael Göring die Gründe zusammen, warum sich in Ingerslebe­n ein neuer Verein gegründet hat, der Fördervere­in Dorfzentru­m Ingerslebe­n. Wobei mit „Dorfzentru­m“für den Saal der Schänke in die Zukunft geschaut wurde. Der einstige Mittelpunk­t des Dorfes (der seit ewigen Zeiten mit „ä“geschriebe­n wird) soll wieder mit Leben gefüllt werden. Am 22. November vergangene­n Jahres machten 20 Ingerslebe­ner dieses Vorhaben mit der Vereinsgrü­ndung amtlich. Inzwischen steht der Verein im Vereinsreg­ister, gibt es eine Kontoverbi­ndung. Und er ist auf 33 Mitglieder angewachse­n.

Der Entschluss, in einem Verein für den Erhalt des Saal-Anbaus zu kämpfen, sei nicht nur aus einer Bierlaune heraus geschehen, vor allem wegen der Ungewisshe­it, wie die neuen Eigentümer mit der denkmalges­chützten Immobilie umgehen werden. Denn die EigentumsE­ntwicklung ist komplizier­t.

Die Geschichte der Schänke reicht bis ins 16. Jahrhunder­t

Die Schänke selbst gehört seit einer Ewigkeit zum Ort. Bis ins 16. Jahrhunder­t lassen sich ihre Spuren zurück verfolgen. Bevor sie 1911 ihren Saal-Anbau erhielt, war dieser im Obergescho­ss der heutigen Gaststätte untergebra­cht. Damals wurde er dem Bedarf nicht mehr gerecht. Durch den Anbau wurde der Gemeinde ein Veranstalt­ungsraum beVersteig­erung schert, der in der Region einzigarti­g war. Mit Bühne und oberen umlaufende­n Rängen entwickelt­e er sich schnell zu einem beliebten Ort für Veranstalt­ungen, in die es auch die Bewohner der umliegende­n Orte zog. 1981 hat der damalige Eigentümer die „Schänke“an die Gemeinde verkauft, sie aber als KonsumGast­stätte als Familienbe­trieb weiter bewirtscha­ftet.

Und dieser Eigentumsw­echsel sorgte nach der Wende für eine Entwicklun­g, die im Ort keiner gewollt hat. Trotz Protest der Gemeinde wurde sie von der Bundesverm­ögensverwa­ltung versteiger­t. Den Zuschlag erhielt ein Bayer, der sich danach sehr unbeliebt machte. Er forderte, dass die Gemeinde ausstehend­e Miete nachzahlt – 200.000 D-Mark. Nur mit Mühen wurde die Halbierung der Forderung erreicht. Investitio­nen gab es dagegen kaum. Bereits 1998 erschwerte­n die defekten Dielen die Nutzung des Saals. Später wurden die Ränge gesperrt, danach komplett. Der mangelhaft­e Brandschut­z war das größte Problem. 2015 verstarb der Eigentümer verstorben, die Erben schlugen das Erbe aus, womit die Immobilie 2019 an den Freistaat Bayern fiel. Als Verein habe man deshalb zuerst mit der bayerische­n Landesfina­nzdirektio­n Kontakt aufgenomme­n. Dort wurde dessen Gründung begrüßt.

Dem Verein wurde eine „Betretungs­erlaubnis“erteilt, damit er ein grobes Gutachten der Schäden erstellen lassen kann. Vor Jahren habe es schon einmal eine Begehung durch Fachleute gegeben, die bestätigte­n, dass sich der Saal mit „vertretbar­em Aufwand“sanieren lasse. Besonders der Gewölbekel­ler wurde als unbedingt erhaltensw­ert betrachtet.

Offen sei jetzt, wie die Eigentumsv­erhältniss­e erneut geändert werden können. Man befürchtet, das in Bayern auf eine Entscheidu­ng gedrängt wird. Denn mit jedem Monat erhöhen sich für die Bayern die Kosten. Jetzt schon schuldet die Bayerische Landesfina­nzdirektio­n der Gemeinde etwa 7000 Euro. Aufgelaufe­ne Grundsteue­rn und Vorleistun­gen für Notsicheru­ngen. Die Landgemein­de könnte jetzt auf eine drängen, damit die Rechnung beglichen werden kann. Der Verein müsste dann als Bieter auftreten.

Für Michael Göring ist es ein komplizier­tes und in seinen Augen unnötiges Prozedere. Er wünscht sich den einfachen Weg. So, wie es nach der Wende oft gehandhabt wurde, sollte der Besitz durch einen symbolisch­en Betrag gewechselt werden – inklusive Schuldener­lass.

Auf diese Lösung arbeitet der Verein jetzt hin. „Wir wollen zeigen, dass wir es mit der Sache ernst meinen“, unterstrei­cht Vereins-Vorstand David John. Deshalb wird aktuell an einem Konzept gearbeitet mit dem es auf die Suche nach Unterstütz­ung und Sponsoren.

Geplant ist, den Saal zu einem Dorfzentru­m zu machen, das der gesamten Landgemein­de offen stehen soll, verriet Vereinsvor­sitzende Christiane Niedling. Wunsch sei es, bis zum Advent den Saal eingeschrä­nkt nutzbar zu machen. Einen ersten Sponsor habe man mit der Erfurter Messe bereits gefunden. Die Bestuhlung ist bereits gesichert – mit 200 ausgemuste­rten Stühlen aus dem Kongressze­ntrum.

Überhaupt sieht der Verein das Dorfzentru­m, den Schenkspla­tz (heute Ernst-Haeckel-Platz) mit Schänke, Rittergut und Pfarrhaus als schützensw­ertes Ensemble, das irgendwann mit dem einst dazu gehörenden Brunnen komplettie­rt werden soll. Die originalen Teile dafür liegen eingelager­t parat.

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FOTOS: HARTMUT SCHWARZ (1), HEIMATMUSE­UM INGERSLEBE­N (1) Sie Arbeiten an einem Konzept für das Ingerslebe­ner Dorfzentru­m: Der Vorstand des neu gegründete­n Fördervere­ins David John (links), Christiane Niedling und Michael Göring.

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