„Wer die Krise überlebt, ist gestärkt“
Die Pandemie hat den Autovermieter Sixt hart getroffen. Konstantin und Alexander Sixt setzen auf neue Produkte
Berlin. Geschlossene Flughäfen, stornierte Urlaube, gestrichene Dienstreisen: Die Corona-Krise hat Europas größten Autovermieter Sixt unvermittelt und hart getroffen. Trotzdem gehen die Brüder Alexander und Konstantin Sixt, die im Vorstand für die Strategie und den Vertrieb verantwortlich sind, mit Investitionen in die Offensive. Im Interview berichten sie von ihren Plänen.
Die strengen Beschränkungen in Deutschland sind gelockert, die EUGrenzen weitestgehend wieder offen. Zieht das Auto-Mietgeschäft an?
Konstantin Sixt:
Ja, es geht zaghaft wieder los. Seit letzter Woche merken wir einen Buchungsanstieg für den Sommer. Die beliebten Ziele wie Mallorca oder Italien werden aufgrund der nun aufgehobenen Reisewarnungen wieder stärker nachgefragt. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, die wir zugleich sehr genau beobachten, denn wir haben unsere Flotte deutlich reduziert. Dies könnte zu Engpässen führen.
Wird Mieten also teurer? Konstantin Sixt:
Ein knappes Angebot bedeutet immer höhere Preise. Kunden, die ein Auto im Sommer mieten wollen, sollten sich früh ein Fahrzeug zu günstigen Konditionen sichern, denn wenn die Erholung der Nachfrage anhält, werden die Preise wohl tendenziell weiter steigen.
Ihr Vater, Erich Sixt, hat angekündigt, weder Stellen abbauen noch Stationen schließen zu wollen. Ist das eine Job-Garantie?
Alexander Sixt:
Wir haben keine flächendeckenden Stationsschließungen durchgeführt und kämpfen jeden Tag darum, unsere Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Aber es steht außer Frage, dass wir das nicht endlos durchhalten können. Denn heute kann niemand sagen, wie lange und mit welchen wirtschaftlichen Auswirkungen uns Corona noch beschäftigen wird. Es geht darum, das Unternehmen als Ganzes zu retten und über Generationen zu erhalten. Nur so können wir auch langfristig Arbeitsplätze sichern.
Sie haben angekündigt, gestärkt aus der Krise kommen zu wollen. Wie soll das gelingen?
Konstantin Sixt:
Wer diese Krise überlebt, wird bereits gestärkt sein. Und wir haben das nötige Rüstzeug, um sie zu meistern. Jetzt geht es auch um Innovationen, und wir haben die Investitionen in neue Geschäftsmodelle, in Digitalisierung und in App-basierte Leistungen nicht reduziert, sondern erhöht. Wir hören unseren Kunden sehr genau zu, was sie jetzt brauchen.
Und was ist dabei herausgekommen?
Konstantin Sixt:
Menschen schauen Netflix und keine DVDs, sie hören Musik auf Spotify statt auf CDs. Sie wollen keine langen Bindungen und keine großen Anzahlungen mehr leisten. Sie wollen Modelle, die man monatlich zahlt, wo man flexibel ist und wo sie einfach den Stecker ziehen können, wenn sie es nicht mehr wollen. Das bieten wir mit Sixt + jetzt an. Kunden können über unsere App ein Auto im Abomodell mieten, es drei Tage später abholen und alles ist mit inbegriffen: Wartung, Tüv, Steuer, Vollkasko-Schutz und Haftpflicht. Im Vergleich zu den täglichen Kosten eines eigenen Autos ist das Abomodell sehr viel günstiger. Kunden müssen das Mietende zudem nicht langfristig anmelden, sie können das Abo monatlich kündigen.
Sie vermieten erstmals auch über Aldi – drei Tage für 59 Euro. Wollen Sie mit Kampfpreisen das Geschäft beleben?
Konstantin Sixt:
Es ist ein besonderes Angebot in der Krise, in der die Flotte aktuell nicht komplett ausgelastet ist. Zudem erreichen wir so eine Kundengruppe, die wir bisher kaum erschließen konnten. Aldi ist zwar eine tolle Marke, aber ein neues Geschäftsmodell über Supermarktketten planen wir nicht. Nächstes Jahr wird es das wahrscheinlich nicht mehr geben.
Wie viele Ihrer Fahrzeuge werden 2021 rein elektrisch sein? Alexander Sixt:
Wir sind Auto-Hinsteller und nicht Auto-Hersteller. Wir kaufen im Jahr für sieben Milliarden Euro Autos ein. So viele Elektroautos sind aktuell gar nicht verfügbar, wie wir dafür kaufen könnten. Insofern können wir für 2021 noch keine verlässliche Prognose liefern.
Weckt der Tesla-Hype bei Ihnen Begehrlichkeit nach einer strategischen Partnerschaft?
Alexander Sixt:
Wir pflegen seit Jahren
exzellente Beziehungen zu unseren strategischen Partnern. 60 Prozent unserer Fahrzeuge kommen von Premiummarken wie Mercedes, Audi und BMW. Man muss die Kirche auch mal im Dorf lassen. Was der damalige BMW-Chef Norbert Reithofer mit dem i3 erreicht hat, war unfassbar visionär. Wie VW-Chef Herbert Diess gerade den Konzern transformiert, um daraus einen Elektrokonzern zu machen, finde ich bewundernswert. Hiervor habe ich höchsten Respekt.
Das sehen viele anders, Herbert Diess ist bei VW angezählt. Alexander Sixt:
Persönlich finde ich es unfair und vor allem sehr bedauerlich, so mit Innovationskultur in Deutschland umzugehen. Man muss bei Innovationen Risiken gehen und eine Fehlerkultur etablieren. Das ist der Vorteil von Tesla oder Uber. Trotz vieler Pannen und Fehler, teils mit schweren Unfällen, wurden Tesla Fehler nachgesehen. Bei den deutschen Autoherstellern hört diese Fehlertoleranz auf. Wenn wir gegenüber den deutschen Autobauern nicht ebenfalls eine derartige Innovationskultur und Transformation zulassen, dann fährt der Zug Elektromobilität an uns vorbei.
Nehmen wir mal den ID.3 von VW – ein tolles Auto. Aber niemand beschäftigt sich mit der damit verbundenen Innovation,
Konstantin Sixt:
alle reiten auf den Software-Problemen herum. Bei Tesla hingegen wird bewundert, dass es seine Probleme sukzessive verbessert. Und natürlich muss man Tesla und seine Innovationskraft bewundern. Aber wir sollten doch auch stolz auf die Innovationskraft unserer Konzerne wie VW sein.
Ihr Vater hat jüngst grünes Licht vom Aufsichtsrat für eine Vertragsverlängerung bis 2023 erhalten, dann wird er 78 Jahre alt sein. Werden Sie als Doppelspitze 2023 die Nachfolge antreten?
Konstantin Sixt:
Als börsennotiertes Unternehmen ist für diese Entscheidung der Aufsichtsrat zuständig. Und unser Vater ist extrem fit und voller Taten- und Innovationsdrang.
Am Ende hängt es aber auch davon ab, ob Sie überhaupt Interesse hätten.
Alexander Sixt:
Mein Bruder und ich haben die ganz bewusste Entscheidung getroffen, nach Stationen in anderen Unternehmen hier zu arbeiten. Das Unternehmen ist unser Leben und hat Vorrang vor allem anderen. Natürlich wollen wir das fortführen, aber am Ende entscheidet der Aufsichtsrat und das ist auch gut so. Denn wir sind vor allem dem Unternehmen und den Mitarbeitern gegenüber verpflichtet und nicht unserem eigenen Ego.