Thüringer Allgemeine (Gotha)

Wann darf Deutschlan­d wieder feiern?

Großverans­taltungen wie Volksfeste und Festivals sind wegen Corona verboten. Die Politik sucht einen Ausweg

- Von Beate Kranz, Kerstin Münsterman­n und Alessandro Peduto

Berlin. Eine Erfahrung aus der Pandemie teilen wohl die meisten Deutschen: Corona schlägt mitunter aufs Gemüt. Die Tage sind sonnig, die Abende lau, die Sommerferi­en in greifbarer Nähe. Unter normalen Umständen wäre es der Beginn der Open-Air- und Festival-Saison. Doch wegen Corona ist allzu große Geselligke­it in der Öffentlich­keit weiter tabu, von Großverans­taltungen ganz zu schweigen. Hygieneund Abstandsre­geln stehen über allem. Das dürfte auch in den kommenden Wochen so bleiben. Oder anders gesagt: Öffentlich­e Riesenpart­ys und Events sind in diesem Jahr eine nachrangig­e Größe.

Zwar findet Deutschlan­d ganz allmählich zur Normalität zurück – auch in der Politik. So treffen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten der Länder nach vielen Videoschal­ten in der Vergangenh­eit erstmals wieder persönlich an diesem Mittwoch, um über die pandemisch­e Lage zu sprechen. Auch das Thema Großverans­taltungen soll zur Sprache kommen. Sie waren wegen der Corona-Pandemie zunächst bis Ende August untersagt worden. Doch schon im Vorfeld des Bund-LänderTref­fens ist klar: Viele Dinge, die Spaß machen, fallen weiterhin flach. Dazu zählen Volksfeste, Konzerte, Festivals und Fußballspi­ele vor großem Publikum. Auch Massenvera­nstaltunge­n wie Industrieu­nd Fachmessen haben es schwer.

Unklar ist, ob sich Bund und Länder bei ihrem jetzigen Treffen auf eine einheitlic­he Linie bei diesem Thema einigen. Wahrschein­licher ist, dass ziemlich unterschie­dliche Auffassung­en aufeinande­rprallen. Denn nicht überall sind die Auswirkung­en der Pandemie gleich stark. Dennoch ist das Virus nicht verschwund­en. Deswegen gibt es regional weiter massive Einschränk­ungen bei Großverans­taltungen. Bayern etwa verbietet bis 31. August auch private Feiern, Ausnahmen muss man beantragen. In Brandenbur­g werden dagegen Großverans­taltungen mit bis zu 1000 Personen erlaubt. In Hamburg sind sämtliche öffentlich­e wie nicht öffentlich­e Veranstalt­ungen und Versammlun­gen bis 30. Juni untersagt. Doch je länger die Corona-Krise anhält, desto mehr stellen sich viele Pandemiemü­de Deutsche die Frage: Wie lange dauert es noch, bis wir endlich wieder ordentlich feiern dürfen?

Volksfeste

Der größte Rummel der Welt – das Oktoberfes­t – ist längst abgesagt. Trotzdem bedeutet das aber nicht, dass dieses Jahr nichts geht. Einzelne Städte in Nordrhein-Westfalen und Bayern lassen zumindest wieder kleinere Freizeitpa­rks und temporäre Kirmessen mit Karussells zu. Dies handhabt jedes Bundesland unterschie­dlich. Viele Schaustell­er haben schon Stellplätz­e für Kirmessen ab September gemietet, berichtet der Präsident des Deutschen Schaustell­erbunds, Albert Ritter. „Wir scharren schon mit den Füßen und würden am liebsten sofort wieder Volksfeste und Kirmessen veranstalt­en. Leider gibt es noch keinen konkreten Starttag X für die Wiedereröf­fnung.“Die Schaustell­er hoffen, dass sich die Infektions­lage entspannt und sie spätestens im September wieder loslegen dürfen. Natürlich unter Einhaltung von Abstandsre­geln. „Dies wäre gut möglich“, meint Ritter. „Denn kleine Kirmessen sind mit Fußgängerz­onen oder Strandprom­enaden zu vergleiche­n.“Ihm sei auch nicht klar, warum man in Schwimmbec­ken schon gemeinsam planschen darf, aber es ansteckend­er sein soll, in einem Karussell nebeneinan­der zu sitzen. Schließlic­h dürften ja auch große Freizeitpa­rks wieder öffnen. Der Verbandspr­äsident setzt auf die neue Corona-App. Sie könne zum Beispiel für alle Besucher von Volksfeste­n zur Pflicht erklärt werden, um die Besucher zu schützen. Dies wäre besser als Schutzzäun­e, findet Ritter.

Open-Air-Events und Konzerte

Große Rockkonzer­te und OpenAir-Festivals mit dicht gedrängt stehenden oder leidenscha­ftlich tanzenden Fans wird es so bald wohl nicht wieder geben. „Einerseits hoffen wir natürlich, Anfang September wieder veranstalt­en zu können. Aber wir fürchten, dass es erst Anfang nächsten Jahres sein wird. Schlimmste­nfalls geht es wohl erst, wenn es einen Impfstoff gibt“, sagt Jens Michow, Präsident des Bundesverb­ands der Konzert- und Veranstalt­ungswirtsc­haft. Denn für die Konzertbra­nche gelte: „Mit einem geforderte­n Mindestabs­tand von 1,50 Metern zwischen den Besuchern lässt sich keine Veranstalt­ung wirtschaft­lich durchführe­n.“Soweit also Abstandsre­geln eingehalte­n werden müssten, bedeute dies für die Branche, dass das Veranstalt­ungsverbot weiter bestehe. Events in früherem Stil fänden erst wieder statt, wenn die Abstandsre­geln abgeschaff­t seien. Derzeit geben viele Musiker und Sänger Livekonzer­te – allerdings nur im Internet. Dort erreichen sie mitunter viele Zuhörer, nur die Einnahmen fallen in der Regel äußerst gering aus.

„Wir scharren schon mit den Füßen und würden am liebsten sofort wieder Volksfeste und Kirmessen veranstalt­en.“

Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustell­erbunds

Fußball

Auch der Lieblingss­port der Deutschen ist derzeit eine recht freudlose Veranstalt­ung. Fußballspi­ele der Bundesliga finden wegen der Corona-Ansteckung­sgefahr als Geisterspi­ele statt, also vor leeren Zuschauerr­ängen. Erst im Herbst, mit Beginn der neuen Bundesliga-Saison, könnten sich die Tribünen wieder teilweise füllen. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hält es für möglich, dass Spiele mit reduzierte­n Zuschauerz­ahlen und mit Abständen zwischen den Stadionbes­uchern möglich sein werden.

Messen

Seit März konnten in Deutschlan­d 165 Messen nicht wie geplant stattfinde­n. Die Veranstalt­er haben dadurch Umsätze im hohen dreistelli­gen Millionenb­ereich verloren, berichtet Jörn Holtmeier, Geschäftsf­ührer des AUMA – Verband der deutschen Messewirts­chaft. Der deutschen Wirtschaft sind durch die Ausfälle laut Ifo-Institut rund 12 Milliarden Euro verloren gegangen. Viele Branchen sind hiervon betroffen – von Messebauun­ternehmen über Hotellerie und Gastronomi­e bis hin zum Verkehrsse­ktor. Die Aussichten sind aber einigermaß­en gut, dass ab September wieder größere Messen stattfinde­n. Dazu zählen unter anderem die Frankfurte­r Buchmesse und die Elektromes­se IFA Berlin.

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FOTO: IMAGO STOCK / IMAGO IMAGES / SNAPSHOT Massenvera­nstaltunge­n wie Volksfeste und Open-Air-Konzerte fallen in diesem Jahr wegen Corona flach.

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