Wann darf Deutschland wieder feiern?
Großveranstaltungen wie Volksfeste und Festivals sind wegen Corona verboten. Die Politik sucht einen Ausweg
Berlin. Eine Erfahrung aus der Pandemie teilen wohl die meisten Deutschen: Corona schlägt mitunter aufs Gemüt. Die Tage sind sonnig, die Abende lau, die Sommerferien in greifbarer Nähe. Unter normalen Umständen wäre es der Beginn der Open-Air- und Festival-Saison. Doch wegen Corona ist allzu große Geselligkeit in der Öffentlichkeit weiter tabu, von Großveranstaltungen ganz zu schweigen. Hygieneund Abstandsregeln stehen über allem. Das dürfte auch in den kommenden Wochen so bleiben. Oder anders gesagt: Öffentliche Riesenpartys und Events sind in diesem Jahr eine nachrangige Größe.
Zwar findet Deutschland ganz allmählich zur Normalität zurück – auch in der Politik. So treffen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder nach vielen Videoschalten in der Vergangenheit erstmals wieder persönlich an diesem Mittwoch, um über die pandemische Lage zu sprechen. Auch das Thema Großveranstaltungen soll zur Sprache kommen. Sie waren wegen der Corona-Pandemie zunächst bis Ende August untersagt worden. Doch schon im Vorfeld des Bund-LänderTreffens ist klar: Viele Dinge, die Spaß machen, fallen weiterhin flach. Dazu zählen Volksfeste, Konzerte, Festivals und Fußballspiele vor großem Publikum. Auch Massenveranstaltungen wie Industrieund Fachmessen haben es schwer.
Unklar ist, ob sich Bund und Länder bei ihrem jetzigen Treffen auf eine einheitliche Linie bei diesem Thema einigen. Wahrscheinlicher ist, dass ziemlich unterschiedliche Auffassungen aufeinanderprallen. Denn nicht überall sind die Auswirkungen der Pandemie gleich stark. Dennoch ist das Virus nicht verschwunden. Deswegen gibt es regional weiter massive Einschränkungen bei Großveranstaltungen. Bayern etwa verbietet bis 31. August auch private Feiern, Ausnahmen muss man beantragen. In Brandenburg werden dagegen Großveranstaltungen mit bis zu 1000 Personen erlaubt. In Hamburg sind sämtliche öffentliche wie nicht öffentliche Veranstaltungen und Versammlungen bis 30. Juni untersagt. Doch je länger die Corona-Krise anhält, desto mehr stellen sich viele Pandemiemüde Deutsche die Frage: Wie lange dauert es noch, bis wir endlich wieder ordentlich feiern dürfen?
Volksfeste
Der größte Rummel der Welt – das Oktoberfest – ist längst abgesagt. Trotzdem bedeutet das aber nicht, dass dieses Jahr nichts geht. Einzelne Städte in Nordrhein-Westfalen und Bayern lassen zumindest wieder kleinere Freizeitparks und temporäre Kirmessen mit Karussells zu. Dies handhabt jedes Bundesland unterschiedlich. Viele Schausteller haben schon Stellplätze für Kirmessen ab September gemietet, berichtet der Präsident des Deutschen Schaustellerbunds, Albert Ritter. „Wir scharren schon mit den Füßen und würden am liebsten sofort wieder Volksfeste und Kirmessen veranstalten. Leider gibt es noch keinen konkreten Starttag X für die Wiedereröffnung.“Die Schausteller hoffen, dass sich die Infektionslage entspannt und sie spätestens im September wieder loslegen dürfen. Natürlich unter Einhaltung von Abstandsregeln. „Dies wäre gut möglich“, meint Ritter. „Denn kleine Kirmessen sind mit Fußgängerzonen oder Strandpromenaden zu vergleichen.“Ihm sei auch nicht klar, warum man in Schwimmbecken schon gemeinsam planschen darf, aber es ansteckender sein soll, in einem Karussell nebeneinander zu sitzen. Schließlich dürften ja auch große Freizeitparks wieder öffnen. Der Verbandspräsident setzt auf die neue Corona-App. Sie könne zum Beispiel für alle Besucher von Volksfesten zur Pflicht erklärt werden, um die Besucher zu schützen. Dies wäre besser als Schutzzäune, findet Ritter.
Open-Air-Events und Konzerte
Große Rockkonzerte und OpenAir-Festivals mit dicht gedrängt stehenden oder leidenschaftlich tanzenden Fans wird es so bald wohl nicht wieder geben. „Einerseits hoffen wir natürlich, Anfang September wieder veranstalten zu können. Aber wir fürchten, dass es erst Anfang nächsten Jahres sein wird. Schlimmstenfalls geht es wohl erst, wenn es einen Impfstoff gibt“, sagt Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft. Denn für die Konzertbranche gelte: „Mit einem geforderten Mindestabstand von 1,50 Metern zwischen den Besuchern lässt sich keine Veranstaltung wirtschaftlich durchführen.“Soweit also Abstandsregeln eingehalten werden müssten, bedeute dies für die Branche, dass das Veranstaltungsverbot weiter bestehe. Events in früherem Stil fänden erst wieder statt, wenn die Abstandsregeln abgeschafft seien. Derzeit geben viele Musiker und Sänger Livekonzerte – allerdings nur im Internet. Dort erreichen sie mitunter viele Zuhörer, nur die Einnahmen fallen in der Regel äußerst gering aus.
„Wir scharren schon mit den Füßen und würden am liebsten sofort wieder Volksfeste und Kirmessen veranstalten.“
Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbunds
Fußball
Auch der Lieblingssport der Deutschen ist derzeit eine recht freudlose Veranstaltung. Fußballspiele der Bundesliga finden wegen der Corona-Ansteckungsgefahr als Geisterspiele statt, also vor leeren Zuschauerrängen. Erst im Herbst, mit Beginn der neuen Bundesliga-Saison, könnten sich die Tribünen wieder teilweise füllen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hält es für möglich, dass Spiele mit reduzierten Zuschauerzahlen und mit Abständen zwischen den Stadionbesuchern möglich sein werden.
Messen
Seit März konnten in Deutschland 165 Messen nicht wie geplant stattfinden. Die Veranstalter haben dadurch Umsätze im hohen dreistelligen Millionenbereich verloren, berichtet Jörn Holtmeier, Geschäftsführer des AUMA – Verband der deutschen Messewirtschaft. Der deutschen Wirtschaft sind durch die Ausfälle laut Ifo-Institut rund 12 Milliarden Euro verloren gegangen. Viele Branchen sind hiervon betroffen – von Messebauunternehmen über Hotellerie und Gastronomie bis hin zum Verkehrssektor. Die Aussichten sind aber einigermaßen gut, dass ab September wieder größere Messen stattfinden. Dazu zählen unter anderem die Frankfurter Buchmesse und die Elektromesse IFA Berlin.