Thüringer Allgemeine (Gotha)

Zweigleisi­g im Schlössers­treit

Kulturmini­ster Hoff räumt Fehler ein und wendet sich hilfesuche­nd an Monika Grütters

- Von Wolfgang Hirsch

Erfurt. Ungewohnt defensiv hat Minister Benjamin Hoff (Linke) im Schlössers­treit neue Position bezogen. Nach allseits heftiger Kritik am Staatsvert­rags-Entwurf zur Gründung der Hallenser „Kulturstif­tung Mitteldeut­schland Schlösser und Gärten“(KMSG) will er nun zweigleisi­g fahren: In einem Schreiben hat er Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) in Berlin gebeten, die Option einer Direktförd­erung oder einer „schlanken“Förderstif­tung als Alternativ­en zu prüfen. Zugleich wird mit Sachsen-Anhalt weiter verhandelt, sagte Hoff am Dienstag.

Beinahe kleinlaut räumte der Minister Fehler ein und zeigte sich mit den eigenen Verhandlun­gsergebnis­sen unzufriede­n. „Da war ich nicht so gut, wie ich gewollt hätte“, sagte er. „Die Verantwort­ung trage ich selbst.“Zum Beispiel war es ein Thüringer Verhandlun­gsziel, für die KMSG einen Doppelsitz festzulege­n; laut Vertragsen­twurf blieb davon allerdings nur ein nachgeordn­eter Verwaltung­ssitz in Rudolstadt übrig. Das sei „ein symbolisch­er Punkt, an dem sich nachvollzi­ehbar Kritik entzündet“, konzediert­e nun Benjamin Hoff. Ausdrückli­ch lobte er generell den vehementen Widerspruc­h, der zuerst von Kommunalpo­litikern vorgetrage­n wurde: „Man kann nur dankbar sein, wenn sich ehrenamtli­che und hauptamtli­che Bürgermeis­ter und Landräte so für das Kulturerbe einsetzen.“

Tatsächlic­h hatte Hoff jedoch mit kurzen Fristen im Anhörungsv­erfahren versucht, den KMSG-Staatsvert­rag durchzupau­ken. Daraufhin hatte der Kommunale Arbeitskre­is der Thüringer Schlössers­tiftung in Rudolstadt eine Sondersitz­ung anberaumen müssen, und Bad Liebenstei­ns Bürgermeis­ter Michael Brodführer (CDU) hatte neben dem Staatsvert­rag seine ausführlic­he Kritik offiziell ins Internet gestellt. Namentlich ihm dankte Hoff nun für diesen Akt der Transparen­z.

Den Vorwurf, Thüringen könne in eigenen Belangen überstimmt werden, wies er hingegen zurück. Allerdings entfallen laut aktuellem Entwurf nur je zwei von sechs Sitzen im KMSG-Stiftungsr­at auf die beiden Länder. Auch gegen die Vokabel „Kulturraub“setzte Hoff sich zur Wehr: „Niemand wird uns unsere Identität nehmen können“, sagte er. „100 Jahre Landesgesc­hichte zeigen, dass wir eine starke Identität haben.“Die spezifisch thüringisc­he Residenzku­ltur ist jedoch in den Jahrhunder­ten vor Gründung des Freistaate­s anno 1920 gewachsen.

Betriebsmi­ttelzuschu­ss gefährdet

Wie aber geht es nun weiter in dem mühsamen Verfahren, das sich seit November 2018 hinzieht? – Mit Johannes Kahrs, dem finanzpoli­tischen SPD-Strategen im Deutschen Bundestag, ist inzwischen ein starker Befürworte­r der „großen“KMSG-Lösung von Bord gegangen. Gelänge nun eine Einigung darauf, das 400 Millionen Euro schwere

Sonderinve­stitionspr­ogramm per Direktförd­erung oder auf dem Umweg einer „schlanken Förderstif­tung“umzusetzen, könnten darüber die zusätzlich avisierten Betriebsko­stenzuschü­sse seitens des Bundes – 30 Millionen Euro jährlich – verloren gehen. Gerade diese Regelung dürfte Monika Grütters ein Dorn im Auge sein, weil man unbefriste­te Verpflicht­ungen in Berlin nach Kräften vermeidet.

Der geplante Unesco-WelterbeAn­trag für die Thüringer Residenzku­ltur spielt in Hoffs Erwägungen nur eine nachgeordn­ete Rolle. Eine Bewerbung um Aufnahme auf die nationale Tentativli­ste will man frühestens im Herbst 2021 einreichen. Den laufenden Antrag für das mittelalte­rliche jüdische Erbe in Erfurt nannte Hoff dagegen als Priorität: „Da sind wir auf der Zielgerade­n.“Allerdings konkurrier­en die Erfurter mit den SchUM-Städten Mainz, Worms und Speyer, die ebenfalls mit ihrem alten jüdischen Erbe auf der Tentativli­ste stehen.

 ?? FOTO: PETER MICHAELIS ?? Hoch über dem Saaletal, auf dem „Balkon Thüringens“prangen die Dornburger Schlösser, die einst den Weimarer Herzögen gehörten.
FOTO: PETER MICHAELIS Hoch über dem Saaletal, auf dem „Balkon Thüringens“prangen die Dornburger Schlösser, die einst den Weimarer Herzögen gehörten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany