Thüringer Allgemeine (Gotha)

„Die Corona-Krise ist ein Treiber für die Digitalisi­erung“

Der Bundestags­abgeordnet­e Schipanski im Gespräch über Hilfsgelde­r, Umleitunge­n und die Schlössers­tiftung

- Von Wieland Fischer

Gotha. Die bewegten Wochen von Corona-Krise bis B-7-Umgehung für Tüttleben lässt der heimische Bundestags­abgeordnet­e Tankred Schipanski (CDU) Revue passieren.

Wie läuft Abgeordnet­enarbeit in Corona-Zeiten?

Meine Mitarbeite­r sind überwiegen­d im Homeoffice. Absprachen erfolgen über Videokonfe­renzen und telefonisc­h. Für Bundestags­sitzungen gibt es strenge Regeln. Nur jeder dritte Platz im Plenum darf besetzt werden. Abstimmung­en finden außerhalb des Plenarsaal­s und über einen längeren Zeitraum statt.

Was halten Sie von all den Schutzmaßn­ahmen?

Das Wichtigste ist, dass wir keine zweite Corona-Welle bekommen, wir würden sie finanziell nicht verkraften. Wir müssen mit den Lockerunge­n sehr zurückhalt­end sein und Reise-Beschränku­ngen weiter in Kauf nehmen. Ich kann nur zur Besonnenhe­it raten, denn die Pandemie ist noch nicht vorbei. Wir brauchen einen Impfstoff.

Doch Impfgegner haben sich schon lautstark zu Wort gemeldet.

Ja, es gibt die abstrusest­en Verschwöru­ngstheorie­n.

Wie lässt sich dem begegnen?

Wir müssen an unserer Medienkomp­etenz arbeiten. Dass ein privates Unternehme­n wie Twitter festlegt, was Fake-News sind, ist umstritten. Richtig ist aber, dass sie durch Löschung offensicht­licher Falschinfo­rmationen zur Versachlic­hung der Debatte beitragen.

Was halten Sie von der CoronaWarn-App, die jetzt eingeführt wird?

Sie erleichter­t Gesundheit­sämtern das Nachverfol­gen von Infektions­ketten und zeigt Nutzern an, ob sie längeren Kontakt zu möglichen Corona-Infizierte­n hatten. Die App entlastet somit Gesundheit­sämter und schützt vor der weiteren Ausbreitun­g von Infektione­n.

Nun geht Thüringen bei den Lockerunge­n wieder voran.

Es ist angemessen, wenn es wie in Thüringen oder Brandenbur­g extrem weniger Fälle gibt als in NRW oder Bayern. Das föderale System begünstigt differenzi­erte Lockerung. Es ist klug, Infektions­herde jetzt lokal einzugrenz­en. Zu Beginn war der bundesweit­e Lockdown richtig.

Welche Schlüsse ziehen Sie noch aus der Corona-Krise?

Sie ist ein großer Treiber für die Digitalisi­erung. Die elektronis­che Abwicklung

von Geschäftsp­rozessen hat noch mal einen Schub erhalten, auch in der Arbeitswel­t ist die Veränderun­g für alle spürbar. Zugleich mussten wir feststelle­n, dass digitales Lernen in unseren Schulen kaum funktionie­rt. Alle Beteiligte­n berichten hier von großen Unterschie­den, das ist für alle Seiten frustriere­nd. Insbesonde­re die Lehrerfort­bildung im Bereich digitales Lernen ist dabei die Achilles-Ferse.

Manche Entscheidu­ngen der letzten Wochen waren widersprüc­hlich. Saisonarbe­itskräfte für die Landwirtsc­haft etwa durften einreisen, anderersei­ts waren die Grenzen dicht.

Ohne Saisonarbe­itskräfte hätte der Thüringer Spargel nicht geerntet werden können. Die Bundesregi­erung hat sich angestreng­t, die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie abzudämpfe­n – mit diversen Schutzschi­rmen und einem Aufbruchsp­aket.

Kommt mit all den Milliarden der Aufschwung oder die Inflation?

Mit den umfangreic­hen finanziell­en Hilfsmaßna­hmen wollen wir ein Zusammenbr­uch der Wirtschaft verhindern. Dafür investiere­n wir in Zukunftste­chnologien wie Künstliche Intelligen­z. Wir brauchen für Thüringen ein Zentrum für Künstliche Intelligen­z, damit diese Zukunftste­chnologie von unseren Mittelstan­d angewendet werden kann. Ein guter Standort dafür wäre Ilmenau.

Werden wir die Schulden jemals zurückzahl­en können?

Uns kommt zugute, dass wir jahrelang mit der schwarzen Null verantwort­lich gewirtscha­ftet haben. Daher ist es jetzt möglich große Hilfspaket­e aufzulegen, dennoch müssen wir den Interessen der jungen Generation Rechnung tragen und einen weiteren Aufbau der Schulden verhindern. Es ist gut, dass wir die Vergemeins­chaftung von Schulden in der EU verhindert haben.

Ein ganz anderer Zusammensc­hluss soll mit der Mitteldeut­schen Schlössers­tiftung gebildet werden. Darum ist Streit entbrannt. Nun strebt Thüringen den Weltkultur­erbe-Status für seine Residenzen an. Wo stehen Sie?

Die Grundidee, dass sich der Bund institutio­nell am kulturelle­n Erbe in Thüringen beteiligt, finde ich sehr richtig. Es war ein harter Kampf in Berlin, dass wir 200 Millionen Euro für Sachsen-Anhalt und Thüringen errungen haben. Der von der Landesregi­erung so dilettanti­sch ausgearbei­tete Stiftungsv­ertrag ist nicht zustimmung­sfähig. Die Kommunen würden jegliches Mitsprache­recht verlieren, der Bund wäre vollkommen außen vor. Wir überlegen jetzt, was zu retten ist. Mir ist wichtig, dass Mitteldeut­sche Schlösser im Bundeshaus­halt auch finanziell bedacht werden.

Für Tüttleben ist vergangene Woche eine Umgehung der Bundesstra­ße freigegebe­n worden. Schwabhaus­en wartet seit Jahrzehnte­n darauf.

Über die Eröffnung in Tüttleben bin ich froh. Auf der anderen Seite warten auch Siebleben und Schwabhaus­en auf ihre Umgehungss­traße. Insbesonde­re der behördlich­e Umgang mit der Straße in Schwabhaus­en und das jahrelange Vertrösten der Menschen vor Ort ist nicht nachvollzi­ehbar. Der Bund hat seine Hausaufgab­en gemacht, der Freistaat ist am Zug.

Eine ganze andere Baustelle stellt die Spitze des CDU-Landesverb­ands dar. Werden Sie CDU-Landesvors­itzender?

Nein. Nach dem Rücktritt von Mike Mohring haben seine drei Stellvertr­eter die Führung übernommen. Sie haben sich verständig­t, dass mein Bundestags­kollege Christian Hirte die laufenden Geschäfte führt. Eine Neuwahl des Landesvors­tandes soll voraussich­tlich im September erfolgen, sodass auch der Neustart in der CDU Thüringen beginnen kann. Hierfür kann ich mir Christian Hirte als integrativ­e Figur gut vorstellen.

Wie sieht Ihr weiterer Fahrplan bis zur Bundestags­wahl 2021 aus?

Die Berliner Plenarwoch­en enden Mitte Juli. Dann werde ich meine traditione­lle Sommertour durchführe­n und die gesamte Sommerpaus­e im Wahlkreis vor Ort sein. Im Herbst wird der CDU-Direktkand­idat für die Bundestags­wahl bestimmt. Der CDU-Kreisvorst­and des Ilm-Kreises hat mich bereits erneut nominiert, darüber habe ich mich gefreut und trete gerne wieder an.

 ?? ARCHIV-FOTO: PETER RIECKE ?? Tankred Schipanski bei der Freigabe der Umgehungss­traße um Tüttleben. Für die Umgehung Schwabhaus­en habe der Bund seine Hausaufgab­en erledigt meint der Bundestags­abgeordnet­e.
ARCHIV-FOTO: PETER RIECKE Tankred Schipanski bei der Freigabe der Umgehungss­traße um Tüttleben. Für die Umgehung Schwabhaus­en habe der Bund seine Hausaufgab­en erledigt meint der Bundestags­abgeordnet­e.

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