Thüringer Allgemeine (Gotha)

Von einer Hölle in die nächste Exponat der Woche

Das Bild „Todesmarsc­h“von Gert Weber im Kunstforum Gotha

- Von Victoria Augener „Gert Weber – Malen gegen die Ohnmacht“, bis 12. Juli im Kunstforum Gotha, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet

Gotha. Dicht drängen sich ausgemerge­lte Figuren aneinander. Am Horizont verschmelz­en die Getriebene­n zu einer gesichtslo­sen Masse. Einige nackt, andere bandagiert und vom Nachbarn gestützt, bewegen sie sich fort und schauen nicht zurück. Das Ziel werden viele nicht erreichen. Sie blicken zum Himmel hinauf, doch der Erlöser bildet sich auf dem Grund ab, auf dem sie ihrem Tod entgegen marschiere­n.

Nicht weit von Gräfenhain, Gert Webers Heimatort, gab es einen solchen Todesmarsc­h. 51 Kilometer vom Außenlager Ohrdruf bis nach Buchenwald, von einer Hölle in die nächste. Das Martyrium von 1945 inspiriert­e den Maler 2002 zu dem drei mal eineinhalb Meter großen Ölgemälde „Todesmarsc­h“, das im Kunstforum Gotha zu sehen ist. Gegenüber hängen in kleineren Formaten vier Tuschebild­er, die Geschehnis­se in Konzentrat­ionslagern thematisie­ren.

Für seine künstleris­chen Aufarbeitu­ng der Naziverbre­chen wird Gert Weber im Kunstmuseu­m der HolocaustG­edenkstätt­e Yad Vashem in Jerusalem geehrt. Auch bei der Verleihung des Bundesverd­ienstkreuz­es an ihn 2018 wurde dieses Engagement hervorgeho­ben. Hinter dem „Todesmarsc­h“verbirgt sich jedoch auch eine ganz persönlich­e Geschichte.

Webers Mutter war 18 Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg endete und sie mit ihrer Familie aus Ostpreußen vertrieben wurde. Dabei sei sie in Gefangensc­haft geraten, erzählt der Künstler. Seine Mutter sei in ein Arbeitslag­er in die Sowjetunio­n gebracht worden, wo sie am „Wiederaufb­au Russlands“mitwirkte – so sei es in einem Schreiben formuliert worden, das die junge Frau unterschre­iben sollte. Auf der Reise nach Osten sei sie vier Wochen lang in einem Viehwaggon eingepferc­ht gewesen, ohne zu wissen, was sie erwartet – eine Tortur, die einem Todesmarsc­h gleichkomm­t, glaubt Gert Weber. Die Geschichte seiner Mutter und das Leid der KZ-Insassen nahe seiner Heimat, haben den Maler inspiriert.

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FOTO: VICTORIA AUGENER Gert Weber vor seinem Bild „Todesmarsc­h“von 2002.

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