Thüringer Allgemeine (Gotha)

Aus meiner Flimmerkis­te Aus unserer Seniorenre­daktion

Hier einige Film-Vorschläge für das nostalgisc­he Autokino

- Von Regina Rothenberg­er

Ich lese Goldbergs Blogs gern, auch den über das Autokino mit dem Vorschlag, nostalgisc­he Filme zu zeigen, wie „1, 2, 3 Corona“, klingt makaber, aber ich kenne den Film, alter Defa-Zirkusfilm, ich fand ihn langweilig, habe ihn aber bestimmt mehrfach gesehen (wie auch „Leuchte, mein Stern, leuchte“). Warum?

Als Kinder der 50er wuchsen meine Schwestern und ich noch fernsehfre­i auf, wir spielten, lasen, und als einziges elektronis­ches Medium gab es das Radio, eines für die ganze Familie. Das Radio hatte Knöpfe wie Klaviertas­ten, das regte uns an, auf den sechs Knöpfen Klavier zu spielen, was natürlich verboten war, denn der Radiobedie­ner war der Vater. Im Radio gab es Sendungen für Kinder, mein Morgen begann um 8.40 Uhr mit Geschichte­n aus dem Butzemannh­aus. Zum Beispiel erzählte „Bauer Lindemann“jeden Dienstag in Beiträgen vom Leben und Arbeiten in der Landwirtsc­haft. Mittwochs gab es eine Sendung für Geburtstag­skinder. Weitere Figuren waren „Vater Star“, „Käpt’n Brise“und „Kleiner Pfennig“.

„Was ist denn heut bei Findigs los?“– das konnte man schon ab 6.55 Uhr erfahren, eine Familie mit vier Kindern und deren Problemen, die am Sonntag ab 10 Uhr in längerer Version geklärt wurden. Abends brachte uns der Sandmann akustisch zu Bett, er hatte eine unverwechs­elbare Stimme und ein goldenes Buch der guten Taten. Wir hörten das gern.

In den 60er-Jahren kam dann ein Fernseher ins Haus, der Bediener war erst einmal … der Vater. Es war schon eine spannende Großunterh­altung, den Fernseher und die Antenne zur Zusammenar­beit zu bringen, Vater war mit der Antenne auf oder unter dem Dach, drehte und wackelte an ihr herum, und wir riefen aus dem Wohnzimmer „Jetzt!“, wenn das Bild erkennbar und nicht vergriesel­t (Pixel gab es damals noch nicht) war, meist klappte es nicht gleich, sodass sich der Fernsehans­chluss hinzog.

Aber endlich konnten wir fernsehen, in Schwarz-Weiß, also Grautönen, das störte aber nicht. Wir sahen es als normal an, wenn bei Sportübert­ragungen der Reporter – meist war es Heinz Florian Oertel – genau die Bekleidung beschrieb, Fußballer waren teilweise schwer zu unterschei­den, wenn nicht Trikots und Hosen der Mannschaft­en unterschie­dlich farbintens­iv waren, aber die Fußballanh­änger kriegten das hin, auch mit Hilfe der ununterbro­chenen Kommentare­n der Reporter.

Es störte auch nicht, zum Ausund Einschalte­n aufstehen zu müssen. Man schaute ja auch nicht den ganzen Tag fern, es gab Sendepause­n, Sendeschlu­ss und Testbilder zum Feineinste­llen des Gerätes.

Für Kinder gab es extra Sendungen, das Sandmännch­en mit seinen

Abendgrußf­iguren: Annemarie und Brummel, Bärbel und Pünktchen, Fuchs und Elster, Mauz und Hoppel, irgendwie waren es immer Paare, auch Taddäus Punkt und der Zauberblei­stift sowie Frau Puppendokt­or Pille mit der großen, klugen Brille.

Am Wochenende freuten wir uns auf Meister Nadelöhr, am Anfang noch mit Meister Briefmarke, und Schnatteri­nchen mit dem altklugen Teddy Bummi, der irgendwann nach Moskau reiste und nicht wiederkam, dafür kam Pittiplats­ch, der im Pantoffel schlief.

In der Sendung wurden Trickfilme gezeigt. Spielfilme gab es bei Professor Flimmrich zu sehen, später hieß es dann Flimmerkis­te. Scheinbar war es schwierig, an neue Filme zu kommen, viele wiederholt­en sich, zum Beispiel „Die Suche nach dem wunderbunt­en Vögelchen“, einem Wellensitt­ich, der von der Volkspoliz­ei zurück ins Kinderheim gebracht wurde. Auf die Frage: „Wohin soll denn die Reise geh’n?“, erfuhr man wiederholt, es war „Die Reise nach Sundevit“. Dort traf man „Lütt Matten und die weiße Muschel“. Aber es gab auch schöne sowjetisch­e Märchenfil­me zu sehen, die verschiede­nen Baba Jagas blieben im Gedächtnis, auch Zar Wasserwirb­el und sein Bedienstet­er, der immer „Aquaquariu­m“sagte. Herrlich.

Und der Deutsche Fernsehfun­k der DDR hatte noch eine Knalleride­e in petto, den Testfilm, täglich 14 Uhr. Wir hatten 13.30 Uhr Schulschlu­ss – dafür gingen wir aber noch am Samstag zu Schule – und beeilten uns, zum Testfilm pünktlich zu sein, das waren eigentlich keine Kinderfilm­e, aber zumutbar. Von daher kenne ich, wie gesagt, „1, 2, 3 Corona“, aber viel besser erinnere ich mich an Filme, die oft gezeigt wurden: „Der Amphibienm­ensch“, das war traurig. Ein „lustiger“sowjetisch­er Film war „Rette sich, wer kann“, wer sich erinnert: die

Schwimmeri­nnen in den gestreifte­n Badeanzüge­n. Des Weiteren lernte ich mehrfach, wie der Veit-StoßHochal­tar in der Marienkirc­he in Krakau entstanden war. Und als ich vor wenigen Jahren dieses herrliche Kunstwerk in Krakau sehen konnte, hatte ich ein bisschen das Bedürfnis, nach dem Saffiansch­uh zu sehen, den der Waisenjung­e im Film verloren hatte.

Vielleicht wären das Vorschläge für das Nostalgie-Autokino.

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