Das Jahrhundertspiel
Vor 50 Jahren kam es im WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien zu einem Schlagabtausch, der in die Fußball-Annalen einging
Köln. Die Gedenktafel am Estadio Azteca von Mexiko-Stadt lässt keine Zweifel: „Partido del Siglo!“, also „Jahrhundertspiel“steht in Erinnerung an das legendäre WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien (3:4 n.V.) am 17. Juni 1970 im Azteken-Stadion geschrieben.
Ein Spiel, das die vielen Millionen TV-Zuschauer weltweit und die 102.444 Fans von den Sitzen riss. Bei 50 Grad im Schatten und in der dünnen Luft von 2240 Metern über dem Meeresspiegel gingen die Spieler über ihre physischen Grenzen, lieferten sich einen Schlagabtausch, den es so noch nicht gegeben hatte. Dass die Azzurri die Oberhand behielten, war zweitrangig, denn der Fußball war an diesem Tag der große Gewinner. Trotz der Niederlage war es daher für Wolfgang Overath „die schönste WM aller Zeiten“.
Mexikos Fans feierten den Verlierer mit „Alemania“-Sprechchören. Die deutsche Elf hatte durch den 3:2-Viertelfinalsieg nach 0:2-Rückstand gegen Titelverteidiger England unglaublich große Popularität im Land der Azteken erlangt.
Der Spielverlauf war total verrückt. Roberto Boninsegna (8.) hatte die italienischen Defensivspezialisten früh in Führung gebracht. Die Deutschen um die Stars Franz Beckenbauer, Uwe Seeler und Gerd Müller rannten unbeirrt an – lange ohne Erfolg. Erst in der zweiten Minute
der Nachspielzeit schaffte Italien-Legionär Karl-Heinz Schnellinger vom AC Milan den nicht mehr für möglich gehaltenen Ausgleich.
Schnellinger sagte später: „Für mich war es der Beweis, dass ich ein guter Profi war. Ohne dieses Tor hätte man mich vergessen.“Dieser Treffer, der fiel, als Bundestrainer Helmut Schön an der Bank schon ein Interview gab, folgte die berühmteste Verlängerung der Fußball-Historie. Ein Drama im Minutentakt.
Die DFB-Auswahl ging in der Verlängerung durch Müller in Führung (94.), die Italiener schlugen zurück und schafften durch Tarcisio Burgnich (99.) und Gigi Riva (104.) die Wende. Noch einmal traf Müller (110.) zum 3:3, doch Gianni Rivera (111.) schaffte im Gegenzug den Siegtreffer, die Azzurri brachten das 4:3 schließlich über die Zeit.
„Wembley war schon gut, aber das hier war das Größte, was ich bisher erlebt habe“, sagte „Kaiser“Beckenbauer, der einen Muskelriss in der Schulter erlitten und mit einer Armschlinge durchgespielt hatte.
„Dieses Spiel ist unvergleichbar. Es bleibt ein Souvenir in meinem Herzen. Das sind Momente, die vergisst man nicht mehr“, meinte Riva. Und Italiens Kapitän Sandro Mazzola räumte ein: „Deutschland war durch das Viertelfinale gegen England extrem geschwächt. Hätten sie nicht zuvor 120 Minuten auf 1800 Höhenmeter spielen müssen, hätten sie wohl nicht verloren.“sid