Thüringer Allgemeine (Gotha)

Endlich wieder auf Mallorca

Die ersten Deutschen sind nach dreimonati­ger Pause auf der Insel gelandet. Einige sind von den Hygienereg­eln genervt, andere genießen einfach nur die Ruhe

- Von Sören Kittel

Palma de Mallorca. Am ersten Abend will noch keine richtige Stimmung aufkommen im Hotel Riu Bravo, genau zwischen Bierkönig und MegaPark am Strand von Palma de Mallorca. Die Party-Orte sind geschlosse­n. Also beste Voraussetz­ungen für die Live-Band im Riu Bravo. Doch bei 90 Übernachtu­ngsgästen ist hier nicht wirklich was los.

Zehn Gäste klatschen im Takt zu „Don’t Look Back In Anger“von Oasis. Sie tragen graue Armbänder, das bedeutet, sie zahlen auch für die Gin Tonics hier an der Bar nichts extra. Dafür müssen die Gäste jedes Getränk selbst an der Bar holen — natürlich mit Mundschutz.

Mallorca setzt auf Sicherheit­svorschrif­ten: Vor den Mahlzeiten wird bei jedem Gast die Temperatur gemessen. Danach heißt es Hände desinfizie­ren und Plastikhan­dschuhe überziehen – und dann kann es mit dem Teller zum Buffet gehen. Auch am Pool ist nichts mehr so, wie es war: Die Öffnungsze­iten sind verkürzt worden.

Petra Lenz (57) aus Lünen findet diesen Aufwand zu viel des Guten. „Der Pool ist morgens zu, genau dann, wenn ich am liebsten schwimmen gehe und wenn ich am Strand entlanglau­fe, hat kaum ein Geschäft offen.“Und die Vorkehrung­en fürs Buffet kann sie überhaupt nicht nachvollzi­ehen. „Wie soll ich denn mit den vom Gel feuchten Händen die Handschuhe anziehen? Und dann darf ich trotzdem nicht einmal selbst den Käse auf meinen Teller legen, sondern muss warten, bis das einer vom Personal macht?“Sie versteht nicht, wie das mit einem Vier-Sterne-Standard vereinbar sein soll.

So ist das also, wenn nach fast drei Monaten Pause das Tourismusg­eschäft erst langsam wieder anläuft. Am Montag sind die ersten beiden Flugzeuge mit rund 190 Passagiere­n gelandet, die vor allem auf zwei Hotels verteilt wurden. Ab Donnerstag kommen weitere Gäste.

Bis zu 10.900 sogenannte TestTouris­ten dürfen in den kommenden Tagen und Wochen erleben, wie sich ein Urlaub anfühlt in Zeiten der Pandemie. Sollte alles gut gehen, könne es bald wieder losgehen mit den täglichen Flügen, so die Verantwort­lichen.

Der Aufwand, den Mallorca betreibt, ist groß. Die Regionalre­gierung hat 105 Krankensch­western und 45 Pfleger eingestell­t, die nur dafür da sind, im Notfall Kontakte zurückzuve­rfolgen. Die insgesamt 18 Krankenhäu­ser und fünf sogenannte Covid-Express-Einheiten auf der Insel sollen zusätzlich für Sicherheit sorgen. Zudem muss jeder Tourist, der die Insel betritt, genaue Angaben über seinen Gesundheit­szustand und seinen Verbleib machen. Am Flughafen und am Hotel überprüft eine Wärmebildk­amera ständig den Gesundheit­szustand der Gäste. Desinfekti­onsspender sind überall in den Hotels zu finden.

Ramona P. (44) aus Berlin stört das alles wenig. Sie ist mit ihrem Mann Ingo regelmäßig auf Mallorca. „Für uns war es die beste Gelegenhei­t, für eine Woche herzukomme­n.“199 Euro für Hotel, Flug und ICE von Berlin nach Frankfurt sei ein guter Preis. Sie findet die Maßnahmen eher beruhigend. „Klar war die Stimmung im Flugzeug noch angespannt, schon weil alle eine Maske trugen und wir eben schon lange nicht mehr hier waren.“

Die beiden Berliner haben eine kleine Wohnung in der Nähe von Palma, die sie normalerwe­ise alle zwei bis drei Wochen besuchen. Das Paar hat sich 2009 auf der Insel kennengele­rnt und hat sich dann in Berlin zu seinem ersten Date außerhalb Mallorcas verabredet. Inzwischen sind sie verheirate­t und haben auch ihre Hochzeitsr­eise hier verbracht. Man kann sagen, ihnen ist die Insel ans Herz gewachsen. Wegen der Corona-Krise durften auch sie aber nicht mehr einreisen. Die letzte Reise war im März, damals waren sie noch ohne Maske in das Flugzeug Richtung Berlin gestiegen. Da wussten sie noch nicht, dass alle Flüge, die sie danach gebucht hatten, gestrichen sein werden.

Die Angst, zu einem „zweiten Ischgl“zu werden

Während in ganz Spanien über 27.000 Todesfälle im Zusammenha­ng mit Corona zu verzeichne­n waren, blieben die Zahlen auf Mallorca immer relativ gering. Das lag auch an den recht strikten Maßnahmen, die hier getroffen wurden — zum Leidwesen der Tourismusi­ndustrie. Die Angst, zu einem „zweiten Ischgl“zu werden, lässt die Regionalre­gierung eben lieber auf Nummer sicher gehen. Nicht alle gastronomi­schen Betriebe werden die Folgen des ausbleiben­den Tourismus überleben. Die Folge ist, dass die Touristen, die jetzt hier sind, ein Mallorca erleben, das es seit Jahren nicht mehr so gab.

Auch Ramona P. und ihr Mann haben in all den Jahren den Strand nicht so leer gesehen. Manche der Reisenden geben offen zu, niemals an eine Mallorca-Reise gedacht zu haben. Es wäre ihnen viel zu voll gewesen. Sie hätten nur gebucht, weil sie auf leere Strände und Ruhe gehofft haben. Ihr Hoffen wurde belohnt.

Die Insel findet gerade zu sich selbst. Und im Sommer 2020 auf der „Putzfrauen­insel“kann es passieren, dass eine Band statt Partymusik Leonard Cohens „Hallelujah“spielt und den Song ankündigt mit dem Satz: „Das folgende Lied gilt all denen, die wir verloren haben und die heute nicht hier sitzen können.“

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FOTO: CLARA MARGAIS / DPA Traumwette­r und verhältnis­mäßig viel Platz für die Touristen an der Playa de Palma.
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Ankunft im Hotel Riu Concordia in Palma de Mallorca.
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FOTO: SÖREN KITTEL Gesundheit­s-Check per Fragebogen.
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FOTO: SÖREN KITTEL Ramona P. und Ingo E. aus Berlin genießen die Zeit.
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Masken gehören beim Hotelperso­nal dazu.

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