Thüringer Allgemeine (Gotha)

Dorf sucht Hausarzt

In Thüringen sind fast 50 Hausarztsi­tze vakant. Ein neuer Bedarfspla­n soll Abwanderun­g in die Städte verhindern

- Von Elena Rauch

Behringen. „Nachfolger gesucht!“Im September schließt der langgedien­te Hausarzt in Behringen seine Praxis und geht in den Ruhestand. Die Praxis geht gut, die Gemeinde will den Nachfolger bestmöglic­h unterstütz­en. Im März veröffentl­ichte das Amtsblatt der Gemeinde Hörselberg-Hainich erstmals den Text, großflächi­g, auffällig, auf der ersten Seite. Im April erneut, im Mai noch einmal. Bislang ohne Ergebnis.

Es ist keine Stellenanz­eige, eher ein dringender Aufruf an die Bewohner, sich umzuhören, zu werben. Vielleicht dass einer jemanden kennt, der sich als Hausarzt in einem Dorf niederlass­en möchte. Oder es weitersagt und der Buschfunk auf wundersame Weise zu einem interessie­rten Mediziner durchdring­t, in Eisenach, in Jena oder sonst wo. Man dürfe ja, bemerkt Wolfgang Zott, nichts unversucht lassen.

Zott ist im Gemeindera­t und außerdem am Ort der Apotheker. Seit fast 30 Jahren schon, und zuweilen hat er das Gefühl, als wiederhole sich gerade eine Geschichte, die ihn selbst damals nach Behringen geführt hatte. Er war mit seinem Pharmazie-Studium in Halle fertig geworden und sein Lebensplan hieß eigentlich Mühlhausen, wo er aufwuchs. Da hörte er von den Leuten in Behringen, die damals Unterschri­ften für den Erhalt ihrer Apotheke sammelten. Weil der Apotheker in Rente ging und ein Neuer nicht in Sicht war.

Er fuhr hin und als er das altehrwürd­ige Apothekerh­aus mit den zwei großen Linden vor der Tür sah, war es beinahe eine Liebe auf den ersten Blick. Und den Behringern, erinnert er sich, war er mehr als willkommen. Seine Entscheidu­ng fiel schnell, er ist, bemerkt er, bis heute heilfroh darüber. Der kurze Draht zu den Menschen, die Gemütlichk­eit des Dorflebens, die Nähe zum Hainich und seinen Wildkatzen...

Das alles würde er gern einem jungen Arzt erzählen, um ihn für die Option Landpraxis zu begeistern. Aber wie gesagt, bislang fand sich kein Interessen­t. Der Hausarzt, der ab Oktober in den Ruhestand geht, mag mit der Zeitung über die Situation nicht sprechen, nur so viel: Er habe mit der Suche nach einem Nachfolger alles versucht.

Das versucht auch Bürgermeis­ter Christian Blum. Seit sie im Ort vom bevorstehe­nden Ruhestand des Hausarztes wissen, strecken sie die Fühler aus, wie er es nennt. Sie seien ja nicht der einzige Ort mit dem Problem, seine Hoffnung liege gewisserma­ßen im Glück des Zufalls.

Deshalb auch die Aufrufe im Amtsblatt.

Er habe auch schon mit dem Klinikum in Eisenach gesprochen, über die Möglichkei­t einer Versorgung über das dortige Medizinisc­he Versorgung­szentrum. Aber das wäre für Behringen wohl höchstens eine Übergangsl­ösung. Etwa 2500

Einwohner, viele von ihnen nicht die Jüngsten, sagt ihr Bürgermeis­ter, brauchen eine Praxis im Ort. Einen festen Arzt mit festen Sprechzeit­en und Hausbesuch­en, einer der seine Patienten kennt.

Die nächsten Hausärzte praktizier­en in Sättelstäd­t, Friedrichs­werth und Wenigenlup­nitz. Beim jetzigen Stand der Dinge müssten die Behringer ab Oktober in eine dieser Praxen ausweichen. Doch es gebe nicht einmal überall eine direkte Busverbind­ung. Außerdem hätten die auch genügend eigene Patienten und die Behringer Praxis allein hätte gut Arbeit für einen zweiten Arzt. Nächstens ist er zu

Gesprächen bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV).

Einen Hausarzt für Behringen kann man freilich auch bei der KV nicht herbeizaub­ern. Insgesamt sind in Thüringen 46,5 Hausarztst­ellen vakant. Aber man könne zum Beispiel checken, ob man einen Stipendiat­en der Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung und Behringen zusammenbr­ingen kann, so KV-Sprecher Veit Malolepsy. Das Programm habe sich bewährt, gerade erst mitten in der Corona-Krise habe zum Beispiel in Bürgel eine junge Medizineri­n eine Praxis übernommen. Dass sich betroffene Kommunen aktiv in die Suche einbringen, sei schon mal sehr hilfreich, so der KVSprecher. So ließe sich Unterstütz­ung koordinier­en.

Wie auch immer die Suche für Behringen ausgehen wird, eines stünde fest: Dem ländlichen Gebiet wie dem Eisenacher Land, zu dem Behringen gehört, werde die Hausarztst­elle auf jeden Fall erhalten bleiben. Das sichere der neue Bedarfspla­n für die ambulante ärztliche und psychother­apeutische Versorgung, der gerade in Kraft getreten ist. Neben zusätzlich­en Sitzen für Fachärzte wie Augenärzte, Kinderärzt­e oder Neurologen, wurden die Zuschnitte einiger Planungsge­biete verändert. In den Regionen Weimar, Eisenach und Suhl sind die Städte nun vom ländlichen Raum, der sie umgibt, getrennt.

Diese Nachjustie­rung hat einen wichtigen Effekt: Sie verhindert, dass freie Hausarztst­ellen gewisserma­ßen in die Städte abwandern können, weil sich dort Mediziner lieber niederlass­en. Der Bereich Eisenach-Land gehört zu den Planungsge­bieten mit den meisten freien Sitzen für Hausärzte.

Das verschafft, ließe sich sagen, Behringen bei der Suche etwas Luft. Fehlt noch ein Interessen­t. Wir geben die Hoffnung nicht auf, sagt Wolfgang Zott. Er wurde damals auch „gefunden“. Behringen ist auf jeden Fall eine Zukunft wert.

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ARCHIV-FOTO: MARCO KNEISE In Behringen im Wartburgkr­eis wird ein Nachfolger für den ansässigen Hausarzt gesucht – wie in so vielen ländlichen Gemeinden in Thüringen.
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FOTO: ELENA RAUCH Wolfgang Zott ist in Behringen der Apotheker.

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