Proteste begleiten Treffen der Innenminister
Flüchtlingsinitiativen fordern dauerhaftes Bleiberecht für Syrer. Tagung bis Freitag in Erfurt
Erfurt. Laute Musik dröhnt Mittwochnachmittag über den Erfurter Theaterplatz. An der Straßenbahnhaltestelle steht ein rotes Partyzelt. Der Thüringer Flüchtlingsrat und weitere Initiativen fordern: „Bleiberecht für alle“. „Dass der Abschiebestopp immer nur kurzfristig verlängert wird, ist absurd“, sagt Ferdinand Dürr, Geschäftsführer der deutsch-syrischen Menschenrechtsorganisation „Adopt a Revolution“.
Adressaten dieser Botschaften sind die 16 Innenminister der Länder sowie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Sie treffen sich ab Mittwochabend hier, in einem Hotel am Theaterplatz, um über die innere Sicherheit zu beraten. Das Thema Asyl steht mit auf der umfangreichen Tagesordnung, die bis Freitagmittag abgearbeitet werden soll. Die Konferenz findet in der Landeshauptstadt statt, weil Thüringen in diesem Jahr den Vorsitz der Fachministerrunde hat.
Etwa 70 Demonstranten haben sich am Rande des Theaterplatzes eingefunden. Absperrgitter begrenzen den Raum für die Demonstration. Auf dem Platz selbst ist für die drei Tage der Beratungen ein Parkplatz eingerichtet. Im Laufe des Nachmittags zeigt sich rund um das gegenüber liegende Tagungshotel immer mehr Polizei. Der Bereich wird bis Freitag gut gesichert.
Ein Innenministertreffen unter Corona-Hygieneschutz stellt die Thüringer Organisatoren vor besondere Herausforderungen – der Mindestabstand muss eingehalten werden. Überall sind Mund-NaseBedeckungen verfügbar. Wie muss das Aufeinandertreffen der zahlreichen Mitarbeiter der Minister organisiert werden? Wer darf wann mit wem sprechen, ohne die CoronaRegeln zu torpedieren?
Standen die Minister bei früheren Treffen zwanglos zusammen, um ein gutes Bild für Fotografen und das Fernsehen abzugeben, muss jetzt genau organisiert werden, wo die Fotografen stehen und wie sich die Politiker zu gruppieren haben, um vorbildlich zu wirken. Das sorgt dafür, dass schon Stunden vor der Eröffnung Fotografen, Kameraleute und Reporter eingeteilt werden – damit auch bei den O-Tönen am frühen Abend alle Regeln eingehalten werden.
Eröffnet wird das Treffen der Fachminister von Georg Maier (SPD) und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Wolfgang Tiefensee, ebenfalls Sozialdemokrat. Dass nicht Thüringens Landeschef Bodo Ramelow (Linke) zum Auftakt dabei ist, liegt daran, dass er sich parallel in Berlin mit den anderen Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie verständigt.
Einen harmonischen Auftakt hat Ramelow freilich nicht verpasst. Denn das von Berlin geplante Antidiskriminierungsgesetz sorgt bei einigen Innenressortchefs für Stirnrunzeln. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) fordert gleich zu Beginn der Erfurter Konferenz Aufklärung von seinem Berliner Amtskollegen Andreas Geisel (SPD). Er sehe nicht ein, dass sich Polizistinnen und Polizisten
rechtfertigen sollten, wenn sie in Berlin im Einsatz seien, so Reul. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärt, dass über die Berliner Pläne geredet werden müsse. SPD-Innensenator Andreas Geisel hingegen nennt die Debatte „politische Folklore“. Er könne seinen Kollegen aber die Sorgen nehmen. Gastgeber Georg Maier versuchte, die Wogen zu glätten. Man solle dem Berliner Kollegen die
Chance geben, über die Pläne zu informieren. Die pauschale Debatte, „dass wir Polizisten nicht mehr nach Berlin schicken“nannte Maier „wenig hilfreich“.
Die Thüringer Polizei hat in den nächsten drei Tagen aber auch andere Probleme. Sie soll die Sicherheitsmaßnahmen zur Konferenz so organisieren, dass sich die Einschränkungen für die Erfurter Innenstadt auf ein erträgliches Maß beschränken. Sichtbar sind die Beamten vor allem rund um die Tagungsstätte am Theaterplatz hinterm Dom. Hier regeln sie den Verkehr, da unmittelbar vor dem Hotel die Straße gesperrt ist. Rund um den Dom fahren mehr Polizeifahrzeuge als an normalen Tagen, sonst aber spürt Erfurt zunächst kaum etwas davon, dass sich gerade die wichtigsten Innenpolitiker des Landes hier versammeln.