Thüringer Allgemeine (Gotha)

„Montavon tut dem Theater gut“

Erfurter Kulturpoli­tiker Wolfgang Beese (SPD) über die Intendante­nfrage und notwendige Zukunftsde­batten

- Von Michael Helbing

Erfurt. Guy Montavons Intendante­nvertrag bis 2027 verlängern oder für 2022 einen Nachfolger finden – das muss Anfang Juli Erfurts Stadtrat entscheide­n. Wir sprachen darüber mit Wolfgang Beese (SPD): Vorsitzend­er des Kulturauss­chusses, der fürs Theater inzwischen aber nicht mehr zuständig ist. Zudem ist er Präsident der Theaterges­ellschaft Erfurt. Beese macht kein Hehl daraus, dass er mit Montavon befreundet ist. Die Gründe dafür lägen aber im Privaten, sagt er, und hätten nichts mit seiner Haltung zu tun.

Herr Beese, Sie treten für ein am Ende Vierteljah­rhundert Guy Montavon am Theater Erfurt ein?

Ja, mit voller Überzeugun­g! Ich glaube, dass er dem Theater gut getan hat und noch gut tun würde. Never change a running system! Ich habe die Ära als notorische­r Theaterbes­ucher von Anfang an begleitet. So viel falsch gemacht hat er nicht. Ich bewerte nicht sein Wirken im Inneren. Er wird oft als barocker Herrscher dargestell­t, der er vom Naturell her sicherlich ist. Damit kommen die einen gut zurecht, andere weniger. Das habe ich aber nicht zu bewerten. Ich sehe das aus der Perspektiv­e des Besuchers.

Damit auch aus der des Präsidente­n der Theaterges­ellschaft Erfurt?

Ja. Montavons Spielplan war über die Jahre hinweg ein Ritt auf der Rasierklin­ge. Darüber kann man herrlich streiten. Den einen ist die eine Operette schon eine zu viel, anderen zu wenig. Ich halte die Uraufführu­ngen für wichtig, obwohl sie nicht immer so gelungen waren wie „Warten auf die Barbaren“von Philip Glass (2005). Es gab erfreulich­e Ausgrabung­en, auch wenn manches andere aus gutem Grund begraben geblieben wäre. Ich würde mir noch mehr zeitgenöss­ische Musik wünschen, weiß aber, dass mich dafür mancher in der Theaterges­ellschaft gerne steinigen würden.

Erfurt kann zufrieden sein?

Das Theater sollte in der Stadt verankert sein. Da hat sich viel getan. Es gibt hervorrage­nde Koprodukti­onen mit dem Puppenthea­ter Waidspeich­er und dem Tanztheate­r Erfurt. Nicht zuletzt bringt die neue „Studio.Box“Leute ins Theater, die sonst nicht kommen. Dem hat sich Montavon nicht verschloss­en. Die Zahl kulturelle­r Grenzgänge­r ist zu gering, aber ja nicht nur in Erfurt.

Steht das Theater der Landeshaup­tstadt also insgesamt dort, wo es stehen sollte?

Ja. Aber mit unserer Entscheidu­ng für den Einsparten­betrieb, die ich heute übrigens zutiefst bereue, sind damals Weichen Richtung Opernhaus gestellt worden. Das versagt uns einiges: zum Beispiel junge Leute übers Schauspiel kontinuier­lich ins Theater zu bringen. Hier müsste man noch mal ansetzen. Das ist keine Frage, die den Intendante­n betrifft. Der hat einen klaren Auftrag.

Die Auslastung wird mit 84 Prozent als hervorrage­nd beschriebe­n. Ohne die Domstufenf­estspiele sind es übers Jahr aber nur zwei Drittel. Keine Katastroph­e, aber auch . . .

. . . nicht überragend. Das stimmt schon. Solche veröffentl­ichten Zahlen

haben für mich aber nicht die ultimative Aussagekra­ft. Da kommt eigene Anschauung hinzu. Das sind bei mir oft Premieren, aber auch nicht nur. Und die Festspiele gehören ja zum Theater. Jeder Intendant gestaltet seinen Spielplan so, dass unter dem Strich eine einigermaß­en vertretbar­e Auslastung steht. Ich bin aber sehr für die kulturpoli­tische Diskussion über das Theater.

Und die steht jetzt also an?

Wenn Montavons Vertrag jetzt verlängert würde, geht ja seine Ära trotzdem absehbar einmal zu Ende. Dann sollte man jetzt bereits so eine Diskussion führen. Einige Ergebnisse daraus könnte man gleich umsetzen und sowohl in der Theatersat­zung als auch in Montavons letztem Vertrag festhalten. Auf anderes könnte man mit der Findung des Nachfolger­s reagieren. Dann ginge es um ein anderes Theater. Ich fände es gut, wenn man den Amtsinhabe­r als Berater in der Findungsko­mmission dabei hätte, ob intern oder extern. So war es auch bei Dietrich Taube. Sein Favorit für seine Nachfolge war zwar nicht Montavon, aber er war trotzdem sehr hilfreich.

Andere Stadträte wollen schon jetzt für 2022 neu ausschreib­en.

Mir erscheinen zwei Jahre zu kurz, um eine Diskussion darüber zu führen, wohin sich das Theater künftig entwickeln soll, und dann den dafür geeigneten Intendante­n zu finden. Wenn man wirklich jemand anderen schon ab 2022 will, dann hätte man das Guy Montavon viel früher signalisie­ren müssen.

Diese Zwei-Jahres-Frist steht doch gerade im Intendante­nvertrag, um beiden Seiten ausreichen­d Zeit zu geben. Andere Beispiele zeigen, dass sich in dieser Zeit sehr gut ein neuer Intendant finden lässt.

Ja. Aber in Erfurt fällt das mit der bislang nicht stattgefun­denen kulturpoli­tischen Diskussion über das Theater zusammen. Da würde etwas miteinande­r verknüpft, was getrennt und nacheinand­er betrachtet werden sollte.

Was genau will man eigentlich diskutiere­n? Die Rahmenbedi­ngungen werden sich ja kaum ändern.

Wenn alles so bleibt, wie es ist, wird man durch eine Ausschreib­ung nur einen „Ersatz“finden. Der würde sicherlich andere Akzente setzen. Aber der Gestaltung­sauftrag bliebe der gleiche. Nun wird aber hier und dort das Ende der Einspartig­keit gefordert. Das muss man unbedingt diskutiere­n, auch mit dem Land.

Wirklich? In bald zwanzig Jahren ist es ja nicht einmal gelungen, dem Opernhaus ein adäquat großes Orchester zu erschaffen.

Absolut richtig! Das ist der andere Aspekt. Die Orchestera­kademie ist zwar eine kleine Erleichter­ung, aber kein Durchbruch. Genau diese Diskussion muss man führen. Wenn wir beim Opernhaus bleiben, ist es meiner Meinung nach unabdingba­r, das Orchester wieder auf seine ursprüngli­che Stärke zu bringen (78 Stellen statt 62 – die Redaktion). Oder wir gehen eben den anderen Weg: wieder ein Schauspiel zu installier­en. Die Diskussion beginnt zum richtigen Zeitpunkt. Ihr Ertrag muss in die Verhandlun­g der neuen Theaterver­träge mit dem Land für die Zeit nach 2024 einfließen. Natürlich ist im Moment alles offen, angefangen von der Landtagswa­hl im nächsten Frühjahr. Umso wichtiger ist, dass die Stadt Erfurt weiß, wohin sie mit ihrem Theater will.

Wie stehen Sie zum sich andeutende­n Kompromiss der Vertragsve­rlängerung mit kürzerer Laufzeit?

Davon halte ich gar nichts. Es gibt gute und schlechte Kompromiss­e. Das wäre für mich ein schlechter.

Im Zweifel dann also lieber doch gleich neu ausschreib­en?

Ich trete vehement für Verhandlun­gen mit Montavon über eine Vertragsve­rlängerung­en bis 2027 ein, mit neuen Inhalten. Wenn das nicht gelingt, dann neu ausschreib­en. Ja.

 ?? FOTO: LUTZ EDELHOFF ?? Wolfgang Beese geht seit seinem dreizehnte­n Lebensjahr ins Erfurter Theater. Der lokale Kulturpoli­tiker saß bereits 1994 bis 2004 im Stadtrat, dem er seit 2009 erneut angehört.
FOTO: LUTZ EDELHOFF Wolfgang Beese geht seit seinem dreizehnte­n Lebensjahr ins Erfurter Theater. Der lokale Kulturpoli­tiker saß bereits 1994 bis 2004 im Stadtrat, dem er seit 2009 erneut angehört.

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