„Montavon tut dem Theater gut“
Erfurter Kulturpolitiker Wolfgang Beese (SPD) über die Intendantenfrage und notwendige Zukunftsdebatten
Erfurt. Guy Montavons Intendantenvertrag bis 2027 verlängern oder für 2022 einen Nachfolger finden – das muss Anfang Juli Erfurts Stadtrat entscheiden. Wir sprachen darüber mit Wolfgang Beese (SPD): Vorsitzender des Kulturausschusses, der fürs Theater inzwischen aber nicht mehr zuständig ist. Zudem ist er Präsident der Theatergesellschaft Erfurt. Beese macht kein Hehl daraus, dass er mit Montavon befreundet ist. Die Gründe dafür lägen aber im Privaten, sagt er, und hätten nichts mit seiner Haltung zu tun.
Herr Beese, Sie treten für ein am Ende Vierteljahrhundert Guy Montavon am Theater Erfurt ein?
Ja, mit voller Überzeugung! Ich glaube, dass er dem Theater gut getan hat und noch gut tun würde. Never change a running system! Ich habe die Ära als notorischer Theaterbesucher von Anfang an begleitet. So viel falsch gemacht hat er nicht. Ich bewerte nicht sein Wirken im Inneren. Er wird oft als barocker Herrscher dargestellt, der er vom Naturell her sicherlich ist. Damit kommen die einen gut zurecht, andere weniger. Das habe ich aber nicht zu bewerten. Ich sehe das aus der Perspektive des Besuchers.
Damit auch aus der des Präsidenten der Theatergesellschaft Erfurt?
Ja. Montavons Spielplan war über die Jahre hinweg ein Ritt auf der Rasierklinge. Darüber kann man herrlich streiten. Den einen ist die eine Operette schon eine zu viel, anderen zu wenig. Ich halte die Uraufführungen für wichtig, obwohl sie nicht immer so gelungen waren wie „Warten auf die Barbaren“von Philip Glass (2005). Es gab erfreuliche Ausgrabungen, auch wenn manches andere aus gutem Grund begraben geblieben wäre. Ich würde mir noch mehr zeitgenössische Musik wünschen, weiß aber, dass mich dafür mancher in der Theatergesellschaft gerne steinigen würden.
Erfurt kann zufrieden sein?
Das Theater sollte in der Stadt verankert sein. Da hat sich viel getan. Es gibt hervorragende Koproduktionen mit dem Puppentheater Waidspeicher und dem Tanztheater Erfurt. Nicht zuletzt bringt die neue „Studio.Box“Leute ins Theater, die sonst nicht kommen. Dem hat sich Montavon nicht verschlossen. Die Zahl kultureller Grenzgänger ist zu gering, aber ja nicht nur in Erfurt.
Steht das Theater der Landeshauptstadt also insgesamt dort, wo es stehen sollte?
Ja. Aber mit unserer Entscheidung für den Einspartenbetrieb, die ich heute übrigens zutiefst bereue, sind damals Weichen Richtung Opernhaus gestellt worden. Das versagt uns einiges: zum Beispiel junge Leute übers Schauspiel kontinuierlich ins Theater zu bringen. Hier müsste man noch mal ansetzen. Das ist keine Frage, die den Intendanten betrifft. Der hat einen klaren Auftrag.
Die Auslastung wird mit 84 Prozent als hervorragend beschrieben. Ohne die Domstufenfestspiele sind es übers Jahr aber nur zwei Drittel. Keine Katastrophe, aber auch . . .
. . . nicht überragend. Das stimmt schon. Solche veröffentlichten Zahlen
haben für mich aber nicht die ultimative Aussagekraft. Da kommt eigene Anschauung hinzu. Das sind bei mir oft Premieren, aber auch nicht nur. Und die Festspiele gehören ja zum Theater. Jeder Intendant gestaltet seinen Spielplan so, dass unter dem Strich eine einigermaßen vertretbare Auslastung steht. Ich bin aber sehr für die kulturpolitische Diskussion über das Theater.
Und die steht jetzt also an?
Wenn Montavons Vertrag jetzt verlängert würde, geht ja seine Ära trotzdem absehbar einmal zu Ende. Dann sollte man jetzt bereits so eine Diskussion führen. Einige Ergebnisse daraus könnte man gleich umsetzen und sowohl in der Theatersatzung als auch in Montavons letztem Vertrag festhalten. Auf anderes könnte man mit der Findung des Nachfolgers reagieren. Dann ginge es um ein anderes Theater. Ich fände es gut, wenn man den Amtsinhaber als Berater in der Findungskommission dabei hätte, ob intern oder extern. So war es auch bei Dietrich Taube. Sein Favorit für seine Nachfolge war zwar nicht Montavon, aber er war trotzdem sehr hilfreich.
Andere Stadträte wollen schon jetzt für 2022 neu ausschreiben.
Mir erscheinen zwei Jahre zu kurz, um eine Diskussion darüber zu führen, wohin sich das Theater künftig entwickeln soll, und dann den dafür geeigneten Intendanten zu finden. Wenn man wirklich jemand anderen schon ab 2022 will, dann hätte man das Guy Montavon viel früher signalisieren müssen.
Diese Zwei-Jahres-Frist steht doch gerade im Intendantenvertrag, um beiden Seiten ausreichend Zeit zu geben. Andere Beispiele zeigen, dass sich in dieser Zeit sehr gut ein neuer Intendant finden lässt.
Ja. Aber in Erfurt fällt das mit der bislang nicht stattgefundenen kulturpolitischen Diskussion über das Theater zusammen. Da würde etwas miteinander verknüpft, was getrennt und nacheinander betrachtet werden sollte.
Was genau will man eigentlich diskutieren? Die Rahmenbedingungen werden sich ja kaum ändern.
Wenn alles so bleibt, wie es ist, wird man durch eine Ausschreibung nur einen „Ersatz“finden. Der würde sicherlich andere Akzente setzen. Aber der Gestaltungsauftrag bliebe der gleiche. Nun wird aber hier und dort das Ende der Einspartigkeit gefordert. Das muss man unbedingt diskutieren, auch mit dem Land.
Wirklich? In bald zwanzig Jahren ist es ja nicht einmal gelungen, dem Opernhaus ein adäquat großes Orchester zu erschaffen.
Absolut richtig! Das ist der andere Aspekt. Die Orchesterakademie ist zwar eine kleine Erleichterung, aber kein Durchbruch. Genau diese Diskussion muss man führen. Wenn wir beim Opernhaus bleiben, ist es meiner Meinung nach unabdingbar, das Orchester wieder auf seine ursprüngliche Stärke zu bringen (78 Stellen statt 62 – die Redaktion). Oder wir gehen eben den anderen Weg: wieder ein Schauspiel zu installieren. Die Diskussion beginnt zum richtigen Zeitpunkt. Ihr Ertrag muss in die Verhandlung der neuen Theaterverträge mit dem Land für die Zeit nach 2024 einfließen. Natürlich ist im Moment alles offen, angefangen von der Landtagswahl im nächsten Frühjahr. Umso wichtiger ist, dass die Stadt Erfurt weiß, wohin sie mit ihrem Theater will.
Wie stehen Sie zum sich andeutenden Kompromiss der Vertragsverlängerung mit kürzerer Laufzeit?
Davon halte ich gar nichts. Es gibt gute und schlechte Kompromisse. Das wäre für mich ein schlechter.
Im Zweifel dann also lieber doch gleich neu ausschreiben?
Ich trete vehement für Verhandlungen mit Montavon über eine Vertragsverlängerungen bis 2027 ein, mit neuen Inhalten. Wenn das nicht gelingt, dann neu ausschreiben. Ja.